Der BFH äußert sich zum Umfang der Umsatzsteuerbefreiung von Heilbehandlungsleistungen, insbesondere zum Verhältnis verschiedener Befreiungstatbestände zueinander. Dabei trifft er klarstellende systematische Aussagen zum Umfang der Steuerbefreiung, zu Haupt- und Nebenleistungen sowie den Voraussetzungen, unter denen eine einheitliche Leistung vorliegt. Damit hat das Urteil auch allgemeine Bedeutung.
Die Reichweite einer Umsatzsteuerbefreiung ist häufig nicht einfach zu bestimmen. Dabei kann nicht nur streitig sein, wo die Grenze zwischen der Steuerfreiheit und der Steuerpflicht verläuft. Auch die Systematik von Haupt- und Nebenleistungen spielt eine Rolle. So kann eine Leistung, die isoliert betrachtet umsatzsteuerpflichtig ist, umsatzsteuerfrei sein, wenn sie als sogenannte Nebenleistung im Gefüge einer umsatzsteuerfreien Hauptleistung (mit-) erbracht wird. Zwei zusammen erbrachte Leistungen können zudem auch zu einer einheitlichen Leistung verschmelzen, die dann hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit anders zu beurteilen sein kann als ihre einzelnen Komponenten.
Der BFH äußerte sich in seinem Urteil vom 19.12.2024 (V R 10/22) zum Verhältnis von § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG, traf klarstellende Aussagen zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung sowie der Abgrenzung einer einheitlichen Leistung von mehreren eigenständigen Teilleistungen. Im Urteilsfall erbrachte eine GmbH nicht nur ärztliche Heilbehandlungsleistungen durch ihren Alleingesellschafter und Geschäftsführer, einen Arzt, im Krankenhaus, sondern daneben auch Leistungen im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts. Streitig war, ob die von der GmbH erbrachten Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a bzw. b UStG umsatzsteuerfrei seien.
Während § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG von einem Arzt erbrachte Heilbehandlungen der Humanmedizin von der Umsatzsteuer befreit, betrifft § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von Krankenhäusern erbrachte Krankenhausbehandlungen. Für die Umsatzsteuerbefreiung einer Heilbehandlungsleistung bestätigt der BFH zunächst, dass diese unabhängig davon gilt, wo sie erbracht wird (im Streitfall Krankenhaus statt in einer Praxis) und unabhängig von der Rechtsform, in der der Arzt diese erbringt (innerhalb einer GmbH statt als natürliche unternehmerische Person). Werden zusätzlich zu der Heilbehandlungsleistung selbst auch Krankenhausleistungen erbracht – so wie im Streitfall –, ist zu bestimmen, ob es sich bei beiden Komponenten um eine einheitliche Leistung oder voneinander getrennte Einzelleistungen handelt. Denn für die Umsatzsteuerfreiheit von Krankenhausleistungen stellt § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG andere Anforderungen als § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG für Heilbehandlungsleistungen.
Ob nur ein Umsatz und damit eine einheitliche Leistung oder mehrere Umsätze und damit mehrere selbstständige Leistungen vorliegen, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen. Eine einheitliche Leistung liegt unter anderem vor, wenn mehrere Einzelleistungen Haupt- und Nebenleistung bilden, in denen die Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, oder wenn mehrere Einzelleistungen so eng miteinander verknüpft sind, dass sie objektiv wirtschaftlich untrennbar sind. In letztgenannten Fällen erfolgt die umsatzsteuerliche Behandlung auf Basis des dominierenden Umsatzbestandteils einheitlich für das gesamte Leistungsbündel. Erfüllen die Teilleistungen nicht einheitlich die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung oder -ermäßigung, ist folglich auch die einheitliche Leistung nicht steuerbefreit bzw. -ermäßigt.
Im Entscheidungsfall verwies der BFH das Verfahren an das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zur abschließenden Prüfung zurück. Sollte die von der GmbH erbrachte Heilbehandlung eindeutig von der Krankenhausbehandlung trennbar sein, seien diese hinsichtlich ihrer Umsatzsteuerbefreiungen getrennt anhand der unterschiedlichen Befreiungstatbestände § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG zu prüfen.
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