Verzinsung von unionsrechtswidrig nicht erstatteter Kapitalertragsteuer

Laut BFH sind zu Unrecht nicht erstattete Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag unter Rekurs auf das Unionsrecht zu verzinsen. Dabei beginnt der Zinslauf für den BFH grundsätzlich drei Monate nach der Einreichung eines formal ordnungsgemäßen Erstattungsantrags. 

Nach innerstaatlichem Recht sind Abzugsteuern (wie z.B. die Kapitalertragsteuer) gem. § 233a Abs. 1 S. 2 AO nicht zu verzinsen. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich jedoch im Fall von Steuerbeträgen, die unter Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrechts erhoben worden sind, ein Anspruch auf Erstattung der erhobenen Beträge zuzüglich Zinsen unmittelbar aus dem Unionsrecht ergeben. Insbesondere aufgrund der langen Verfahrensdauer beim BZSt für die Erstattung von Quellensteuern kommt der Verzinsung erhebliche praktische Relevanz zu. 

Im konkret dem BFH vorliegenden Fall ist die Verzinsung eines Anspruchs auf Kapitalertragsteuererstattung dem Grunde und der Höhe nach streitig. Eine österreichische Kapitalgesellschaft hatte Ausschüttungen einer deutschen AG in den Jahren 2007 bis 2011 bezogen. Für diese wurde Kapitalertragsteuer sowie Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt. Eine zwischenzeitlich gewährte Freistellungsbescheinigung wurde im Jahr 2011 widerrufen. Die österreichische Kapitalgesellschaft hatte fristgerecht Erstattungsanträge gestellt. Diese lehnte das BZSt unter Verweis auf § 50d Abs. 3 EStG a.F. ab. Nach den EuGH-Entscheidungen u.a. vom 20.12.2017 (C-504/16 und C-613/16) zur Unionsrechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG a.F. erstattete das BZSt die einbehaltene Kapitalertragsteuer. Die österreichische Gesellschaft beantragte sodann die (allein streitige) Festsetzung von Zinsen für den Zeitraum vom Steuereinbehalt bis zur Auszahlung der Erstattungsbeträge.

Mit Urteil vom 25.02.2025 (VIII R 32/21) bestätigte der BFH im Einklang mit der der Vorinstanz (FG Köln vom 17.11.2021, 2 K 1544/20) die Verzinsung der Erstattungsbeträge aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben. Nach Ansicht des BFH sei das zweigeteilte Verfahren des Einbehalts und die nachfolgende Erstattung der Kapitalertragsteuer mit Unionsrecht vereinbar. Allerdings seien Erstattungsbeträge zur Kapitalertragsteuer nach dem Unionsrecht zu verzinsen, wenn dem Anteilseigner die Erstattung der Kapitalertragsteuer unter Bezugnahme auf § 50d Abs. 3 EStG a.F. ohne Anhaltspunkte, die auf eine missbräuchliche Gestaltung im Einzelfall hindeuten, vorenthalten wird. Im Ergebnis begründete der unionsrechtswidrige § 50d Abs. 3 EStG a.F. (vgl. hierzu EuGH vom 20.12.2017, C-504/16 und C-613/16) einen unionsrechtlichen Erstattungszinsanspruch. Der VIII. BFH-Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des I. Senats (BFH-Urteil vom 13.03.2024, I R 1/20; vgl. EY-Steuernachricht vom 29.08.2024) an und gewährt unter Rekurs auf das Unionsrecht eine Verzinsung von Erstattungsbeträgen.

Umstritten war (neben dem Verzinsungsanspruch dem Grunde nach) auch, wann der Verzinsungszeitraum, d.h. der Zinslauf, beginnt. Die Vorinstanz hatte hier einen angemessenen Prüfungszeitraum von vier Monaten und zehn Tagen in Anlehnung an die Mehrwertsteuer-Erstattungs-RL herangezogen. Nach Ansicht des BFH beginnt der Zinslauf drei Monate nach der Einreichung eines formal ordnungsgemäßen Erstattungsantrags und endet mit dem Tag der Auszahlung des Erstattungsbetrags. Für den Verzinsungszeitraum sind die Zinsen dabei laut BFH taggenau zu berechnen. Der maßgebliche Zinssatz ergebe sich aus § 238 Abs. 1 Satz 1 AO und betrage im Streitfall (Verzinsungszeitraum endete vor dem 01.01.2019) mithin 6 Prozent p.a.

In Fällen, in denen eine zunächst erteilte Freistellungsbescheinigung unter Verweis auf § 50d Abs. 3 EStG a.F. widerrufen wird, ohne, dass Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Gestaltung vorliegen, beginne der Zinslauf bereits mit dem Tag des Einbehalts der Kapitalertragsteuer. 

Die Entscheidung des BFH entfaltet für Altfälle (§ 50d Abs. 3 EStG a.F.) Wirkung. Inwieweit die Urteilsgrundsätze unmittelbar auf die aktuelle Rechtslage übertragen werden können, ist fraglich, da § 50d Abs. 3 EStG im Zuge des AbzStEntModG überarbeitet wurde und zumindest laut Gesetzesbegründung unionsrechtskonform ausgestaltet wurde. Sofern § 50d Abs. 3 EStG in der aktuellen Fassung unionsrechtskonform sein sollte, wäre zu prüfen, ob sich ein Verzinsungsanspruch aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz herleiten ließe, etwa wenn die Erstattung der Kapitalertragsteuer nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt (sog. „Vollzugsfehler“).  

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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