Wirtschaftssanktionen und verdeckte Gewinnausschüttungen

Der BFH äußert sich zu den Folgen eines US-Wirtschaftsembargos, in dessen Zuge eine Konzernmutter ihre Tochtergesellschaft anwies, Geschäftsbeziehungen im betroffenen Land zu beenden. Hinsichtlich der Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung prüft der BFH u.a. die Vorteilseignung und die gesellschaftsrechtliche Veranlassung. Zur weiteren Prüfung weist er das Verfahren an die Vorinstanz zurück.

Im konkreten Fall unterhielt eine deutsche Tochter (GmbH) einer US-amerikanischen Mutter Geschäftsbeziehungen mit einer venezolanischen Gesellschaft (Y). Aufgrund eines Wirtschaftsembargos der USA gegenüber Venezuela (2007) durften US-amerikanische Unternehmen Abnehmer in Venezuela nicht mehr beliefern. Die Geschäftsleitung der amerikanischen Mutter wies die GmbH an, die Geschäftsbeziehungen mit der Y einzustellen und erteilte Aufträge nicht mehr weiter auszuführen. Aufgrund einer Klage der Y wegen Vertragsbruchs entstanden für die GmbH (bereits gezahlte) Gerichtskosten. Hinsichtlich der drohenden Schadensersatzleistungen an die Y bildete die GmbH Rückstellungen. Das Finanzamt sah in diesen Vorgängen eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), da die Stornierung von Aufträgen ausschließlich im Interesse der Konzernmutter erfolgt sei. Das zu versteuernde Einkommen der GmbH wurde entsprechend erhöht.

Die Vorinstanz sah weder in den übernommenen Gerichtskosten noch in den für den drohenden Schadensersatz gebildeten Rückstellungen eine vGA (FG Schleswig-Holstein vom 17.12.2020, 1 K 16/19). Diese Entscheidung hob nun der BFH auf und wies das Verfahren zur weiteren Tatsachenfeststellung an die Vorinstanz zurück (BFH-Urteil vom 22.05.2024, I R 2/21, NV). 

Dabei schloss sich der BFH zunächst dem FG dahingehend an, dass eine vGA in Form einer Vermögensminderung mangels Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nicht gegeben sei. Der BFH sah in der Gerichtskostenzahlung und der Rückstellungsbildung wegen drohender Schadensersatzleistungen aufgrund eigener rechtlicher Verpflichtung an einen fremden Dritten keine Veranlassung durch das Gesellschafsverhältnis.

Allerdings habe die Vorinstanz eine vGA unter dem Gesichtspunkt einer verhinderten Vermögensmehrung zu Unrecht wegen fehlender Vorteilseignung verneint. Laut BFH kann eine Vorteilseignung auch erfüllt sein, wenn der Gesellschafter eigenen Aufwand spart, weil die Gesellschaft ihn trägt. Eine solche Aufwandsersparnis könne sich etwa aus dem Verzicht eines Ausgleichsanspruchs ergeben. Eine verhinderte Vermögensmehrung setzt dabei laut BFH keine Nutzungs- oder Ressourcenüberlassung an den Gesellschafter voraus. Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt könne eine Aufwandsersparnis der US-amerikanischen Mutter vorliegen, wenn diese die GmbH zu einem Vertragsbruch veranlasst habe, ohne eine fremdübliche Gegenleistung erbringen zu müssen.

Eine vGA könne hingegen nicht vorliegen, wenn bereits das US-Embargo die GmbH selbst zum Vertragsbruch verpflichtet hätte oder ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter sich auch ohne Weisung für den Vertragsbruch mit der Y entschieden hätte, da ansonsten wirtschaftliche Folgen wegen Nichteinhaltung des Embargos gedroht hätten. In beiden Fällen, so der BFH, wäre der Vertragsbruch dann nicht durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst gewesen. Dies hat nun die Vorinstanz im zweiten Rechtsgang zu prüfen.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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