Europäische Führungskräfte sehen eine bessere elektronische Vernetzung zwischen Lieferanten und Dienstleistern als größten Vorteil der Digitalisierung. Im nordamerikanischen und asiatisch-pazifischen Raum wird vor allem ein besseres E-Networking geschätzt.
Mit Blick auf die Zukunft erwartet die Mehrheit der befragten Führungskräfte, dass sich ihre Unternehmen weiterhin auf die Anwendung digitaler Technologien konzentrieren werden, um ihre F&E-Programme sowie ihre betriebliche Effizienz zu stärken. Die Befragten sind weiterhin optimistisch in Bezug auf Innovation und Entwicklung (68 Prozent), Lieferkettentechnologie (64 Prozent) und Verwaltungsfunktionen (63 Prozent).
Europäische Chemieindustrie: Digitalisierung treibt operative Wettbewerbsfähigkeit
Rund zwei Drittel der Befragten glauben, dass sich die operative Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens in den nächsten drei Jahren verbessern wird. In sechs von acht Kategorien wird die Digitalisierung einen großen Unterschied machen, sagen sie voraus. Zuwächse sehen sie in den Bereichen Lieferkettenplanung (68 Prozent), Verkauf und Auftragsmanagement (67 Prozent), Einkauf (67 Prozent), Produktion und Qualitätsmanagement (65 Prozent), Kundenservice (65 Prozent) sowie Logistik und Vertrieb (65 Prozent). Aber auch in den beiden anderen Kategorien – Nachhaltigkeitsbereiche 1 und 2 sowie Nachhaltigkeitsbereich 3 – sieht die Mehrheit der Befragten Verbesserungen (52 Prozent beziehungsweise 55 Prozent).
Die Unternehmen in Nordamerika, im asiatisch-pazifischen Raum, im Nahen Osten und in Afrika gehen davon aus, dass sich der Grad der Auswirkungen der Digitalisierung auf ihre betriebliche Wettbewerbsfähigkeit nicht wesentlich ändern wird.
In Europa erwarten die Führungskräfte jedoch, dass sich der betriebliche Wettbewerb dramatisch verschärfen wird, wobei sie einen Anstieg von 10 beziehungsweise 20 Prozent im Hinblick auf den Grad der betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit erwarten. So glauben 57 Prozent der Europäer, dass sich die Digitalisierung stark oder sehr stark auf die Planung der Lieferkette auswirken wird, während es vor zwei Jahren noch 37 Prozent waren. Auch das Vertriebs- und Auftragsmanagement wird von der Digitalisierung betroffen sein: 55 Prozent sind der Meinung, dass sie sich auf die Supply Chain auswirken wird, vor zwei Jahren waren es noch 35 Prozent. Logistik und Vertrieb werden nach Ansicht von 56 Prozent der Führungskräfte (gegenüber 35 Prozent vor zwei Jahren) ebenfalls nicht außen vor bleiben.
Die meisten Führungskräfte sind zuversichtlich, dass diese betrieblichen Verbesserungen zu erheblichen Kosteneinsparungen führen werden. Sie sind jetzt sogar noch zuversichtlicher als bei der Befragung vor zwei Jahren: Im Durchschnitt erwarten die Befragten Kosteneinsparungen von 27 Prozent verglichen mit 22 Prozent im Jahr 2020, wobei die größten Unternehmen eine Senkung um 30 Prozent (Unternehmen mit einem Umsatz von 2 Milliarden bis 10 Milliarden US-Dollar) oder sogar um 33 Prozent (Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Milliarden US-Dollar) erwarten.
Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Nachrichten nicht für die gesamte Branche gleichermaßen gut sind.
Insgesamt sind die Führungskräfte kleinerer Unternehmen weniger optimistisch in Bezug auf Kosteneinsparungen als noch vor zwei Jahren. Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 100 Millionen US-Dollar gehen davon aus, dass sie 19 Prozent einsparen können, verglichen mit 24 Prozent vor zwei Jahren. Unternehmen mit einem Umsatz von 100 Millionen bis 2 Milliarden US-Dollar erwarten 24 Prozent Einsparungen, verglichen mit 25 Prozent im Jahr 2020.
Herausforderungen in der globalen Chemiebranche bleiben bestehen
Mit Blick auf die Zukunft befassen sich die Führungskräfte vor allem mit den praktischen Aspekten der Umstellung. Die größten Hindernisse? Technische Infrastruktur (40 Prozent), Sicherheitsbedenken (38 Prozent), hoher Investitionsbedarf (38 Prozent), Mangel an qualifiziertem Personal (37 Prozent) und fehlendes IT-Know-how (36 Prozent), wobei die drei größten Sorgen etwas größer sind als noch vor zwei Jahren. Die Klagen über den Mangel an qualifiziertem Personal sind leicht zurückgegangen (von 40 Prozent auf 37 Prozent), aber der Fachkräftemangel in der IT ist nach wie vor ein ernstzunehmendes Problem.
Die Führungskräfte scheinen auch unsicher zu sein, in welche Technologien sie zukünftig investieren sollten. Bei der Frage nach dem Digitalisierungsbereich mit dem größten Potenzial waren sich die Befragten relativ uneinig. 35 Prozent entschieden sich für Datenanalyse, gefolgt von 30 Prozent für Datensicherheit, 29 Prozent für besseres Datenmanagement und ebenfalls 29 Prozent für intelligente Fabrikanwendungen. Ganz unten auf der Liste stehen das Metaverse (13 Prozent), 3D-Druck und additive Fertigung (18 Prozent), digitale Marktplattformen (20 Prozent) und Blockchain-Anwendungen (20 Prozent).
Interessanterweise gibt es jedoch große regionale Unterschiede bei diesen Prioritäten: Europa sieht die größten Chancen in der Datensicherheit (37 Prozent), Nordamerika in der Datenanalyse (39 Prozent) und der Nahe Osten und Afrika sowie der asiatisch-pazifische Raum konzentrieren sich auf digitale Ökosysteme (37 Prozent beziehungsweise 33 Prozent).
Was braucht es für den Erfolg? Als die drei wichtigsten Faktoren nennen die Führungskräfte stabile und sichere digitale Lösungen (41 Prozent), die Unterstützung durch das gesamte Führungsteam (40 Prozent) und ein gutes Zusammenspiel zwischen den Digitalisierungsteams und der internen IT-Abteilung (39 Prozent).
Natürlich wird der Erfolg auch von der Führung des Unternehmens abhängen, insbesondere im Hinblick auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele. Wer hat hier das Sagen? In den einzelnen Regionen geben die Befragten an, dass ihr CEO dafür direkt verantwortlich sei, die Digitalisierung voranzutreiben, um die Nachhaltigkeitsziele besser und schneller umzusetzen. Lediglich im Nahen Osten wurde hier der COO am häufigsten genannt.
Digitalisierung in der Chemieindustrie trotzt dem Hype-Zyklus
Ein altes Wall-Street-Sprichwort besagt, dass Anleger bei Gerüchten kaufen und bei Fakten verkaufen sollten. Aber der Hype-Zyklus scheint im Fall der Digitalisierung der Chemieindustrie nicht nach diesem Schema zu funktionieren. Stattdessen scheint etwas Ungewöhnliches vor sich zu gehen: Trotz höherem Erfahrungswert im Bereich der Digitalisierung, steigen die Erwartungen weiter – das scheint ein gutes Zeichen zu sein.
Fazit
Die DigiChem SurvEY 2022 zeigt, dass die Digitalisierung in der chemischen Industrie energisch voranschreitet. Die Mehrheit der Führungskräfte in der globalen Chemiebranche ist überzeugt, dass sich die Geschwindigkeit der digitalen Transformation in den vergangenen zwei Jahren beschleunigt hat. Vor allem in Bezug auf Innovation und Entwicklung zeigen sie sich optimistisch hinsichtlich der künftigen Entwicklung. Dennoch bleiben einige Herausforderungen für die weitere Digitalisierung der Chemieindustrie bestehen, darunter die technische Infrastruktur und ein hoher Investitionsbedarf.