6 Minuten Lesezeit 18 November 2019
Putzteam in Kumasi, Ghana

Warum die Welt nicht auf eine Kanalisation warten kann

Autoren
Jessie Coates

EY Global Impact Entrepreneurship Leader

Passionate about using business as a force for good. Long-suffering Arsenal football fan. Activist. Feminist. Dreamer.

Dan Gray

EY Global Corporate Responsibility Knowledge Leader

Purpose-driven strategist. Sustainability and social entrepreneurship advocate. Integrative thinker. Author. Storyteller. Rugby fanatic. Amateur chef. Giant.

6 Minuten Lesezeit 18 November 2019

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Um bis 2030 eine gleichwertige Abwasserentsorgung für alle zu erreichen, müssen neue Modelle entwickelt werden, die Orte abdecken, in denen eine konventionelle Kanalisation nicht möglich ist.

Um auf den Welttoilettentag aufmerksam zu machen, nehmen wir erneut unsere Forschung zu containerbasierten Sanitärmodellen auf und weisen auf eine neue Entwicklungsstudie hin, die aufzeigt, wie das wirtschaftliche Potenzial eines alles verändernden Sanitärwesens genutzt werden kann. Diese Studien, die in Zusammenarbeit mit der Water & Sanitation for the Urban Poor (WSUP) und der Toilet Board Coalition (TBC) durchgeführt wurden, veranschaulichen unseren gemeinsamen Glauben an die entscheidende Rolle von Impact-Entrepreneuren bei der Bekämpfung von Ungleichheit und der Beschleunigung der Fortschritte, um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals (SDGs)) zu erreichen.

Eine globale Herausforderung – und eine globale Chance

Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal auf die Toilette gehen: 2 Milliarden Ihrer Mitmenschen haben immer noch keinen Zugang zu einer Toilette oder Latrine,1 und 4,5 Milliarden haben keinen Zugang zu jeglicher Form einer zuverlässigen Abwasserentsorgung.2

Von diesen Menschen erledigen 673 Millionen ihre Bedürfnisse noch immer im Freien,3 was zur Ausbreitung von Krankheiten, schlechter Ernährung und Umweltverschmutzung beiträgt. Rund 827.000 Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sterben jedes Jahr aufgrund mangelnder Wasserversorgung, mangelnder sanitärer Einrichtungen und mangelnder Hygiene. Man geht davon aus, dass die schlechte sanitäre Versorgung die Hauptursache für mehr als die Hälfte dieser Todesfälle ist.4 Zusammen mit dem Verlust an wirtschaftlicher Produktivität und den gestiegenen Kosten für das Gesundheitswesen hat dies die Weltwirtschaft 2015 schätzungsweise um die 225 Mrd. US-Dollar gekostet.5

Diese Kosten zusammengerechnet zeigen, welch immense Chance verpasst wird. Jedes Jahr gehen Billionen Liter wertvoller Toilettenressourcen (der von der TBC bevorzugte Begriff für menschliche Ausscheidungen) verloren und werden nicht mehr behandelt. Diese Ressourcen sicher zu sammeln, zu behandeln und zu verwerten und zugleich die riesigen Datenmengen zu Gesundheit und Verbraucherverhalten auszuwerten, die durch die Nutzung sanitärer Einrichtungen gewonnen werden können, könnte ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft generieren.

Eine globale Herausforderung

4,5 Milliarden

So viele Menschen haben derzeit überhaupt keinen Zugang zu sicheren Sanitäreinrichtungen, 673 Millionen von ihnen erledigen ihre grundlegenden Bedürfnisse noch immer im Freien.

Mit einem weltweiten wirtschaftlichen Ertrag von 4,30 US-Dollar für jeden Dollar, der in Wasser- und Sanitärversorgung investiert wird,6 schätzt die TBC, dass allein in Indien, die Sanitärwirtschaft 2021 jährlich Werte in Höhe von 62 Milliarden US-Dollar generieren könnte.7

Kurz gesagt, das Geschäftsmodell zur Beschleunigung des Fortschritts in Richtung SDG-Ziel 6.2 – Zugang für alle zu angemessenen und gleichwertigen sanitären Einrichtungen und Hygiene bis 2030 – könnte kaum überzeugender sein. Die Sanitärwirtschaft bietet ein enormes Potenzial für globales Wirtschaftswachstum und ist gleichzeitig eine der dringendsten sozialen Herausforderungen unserer Zeit.

Die Frage sollte nicht mehr lauten, warum wir den Fortschritt beschleunigen wollen. Das Warum ist klar. Was nun mehr denn je zählt, ist, wie wir das erreichen können. Die UN weist darauf hin, dass wir, um universellen Zugang zu grundlegenden sanitären Einrichtungen bis 2030 zu erreichen, unsere aktuelle Entwicklungsgeschwindigkeit verdoppeln müssten.8 Doch wir müssen noch weiter und schneller gehen. Insbesondere müssen wir Impact-Unternehmen, deren innovative Geschäftsmodelle genau die Bereiche erfassen, die von konventionellen Abwasser-, Abfallbehandlungs- und -verarbeitungsunternehmen nicht abgedeckt werden, in ihrer Geschwindigkeit und Reichweite fördern.

Eine wachsende Wirtschaft

62 Mrd. US-Dollar

Potential annual value of the sanitation economy in India by 2021.

Praktische Wege zur Skalierung aufzeigen

Diesen Unternehmen dabei zu helfen, einen Weg zu größerer Reichweite und echter Nachhaltigkeit zu finden, ist genau das Ziel unserer Zusammenarbeit mit der WSUP und der TBC.

Ein serviceorientiertes Geschäftsmodell mit einer auf Behältern basierenden Sanitärversorgung (container-based sanitation (CBS)) – bestehend aus allein stehenden Toiletten, in denen Abfälle in verschließbaren, herausnehmbaren Containern aufbewahrt werden – ist genau auf die Bedürfnisse dicht besiedelter städtischer Slums zugeschnitten, in denen an eine Kanalisation nicht zu denken ist. Doch die Herausforderungen, ein sich selbst tragendes CBS-Unternehmen aufzubauen, sind vielfältig; sie reichen von der Erzielung einer ausreichenden Marge über die Suche nach geeigneten und erschwinglichen Transportmitteln bis hin zur Behandlung der Abfälle außerhalb des Standorts. All das ist jedoch unabdingbar, um sich mit der sicheren Handhabung im Sanitärwesen einen Namen zu machen.

Unsere Analyse gemeinsam mit der WSUP zeigt eindeutig die Voraussetzungen für eine Skalierung auf, wobei der Schwerpunkt auf der Wirtschaftlichkeit der Einheiten liegt. Unser Bericht zeigt, dass CBS-Modelle ein nachhaltiges Rentabilitätsniveau erreichen können. Er zeigt aber auch, wie öffentlich-private Partnerschaften ihr volles Potenzial viel besser ausschöpfen können, indem sie die Investitionskosten für Toiletten im Vorfeld senken, engere Beziehungen zur stadtweiten Abfallwirtschaft knüpfen und den Aufbau eines tragfähigen Kundenstamms erleichtern.

Die Frage sollte nicht mehr lauten, warum wir den Fortschritt beschleunigen wollen. Das Warum ist klar. Was nun mehr denn je zählt, ist wie wir die das erreichen können.

Durch unsere Zusammenarbeit mit der TBC weiten wir unsere Perspektive nun aus. Ausgehend von den Erfahrungen ehemaliger und gegenwärtig involvierter Unternehmen im Rahmen des TBC-Programms „Toilet Accelerator“, von denen wir einige unterstützt haben, um ihre stabile Entwicklung, Produktivität und Skalierbarkeit nachhaltig zu verbessern, soll demnächst in einem Bericht aufgezeigt werden, wie das Potenzial einer völlig veränderten Sanitärwirtschaft gehoben werden kann.

Von der Bündelung sanitärer Einrichtungen mit anderen Serviceleistungen, um bessere und umfassendere Nutzererlebnisse zu schaffen, über die Nachfragesteigerung nach aufbereiteten Toilettenressourcen bis hin zur Verringerung der Kosten, damit das investierte Kapital weiter reicht, weisen die Unternehmen von Toilet Accelerator verschiedene Wege zu mehr Effizienz, Rentabilität und Wachstum.

Sie beweisen, dass es bereits bessere Lösungen für die globale Sanitärkrise gibt. Sie müssen nur beschleunigt verfolgt werden. Indem wir ihre Geschichten und praktischen Erfahrungen teilen, damit andere folgen können, hoffen wir, den Fortschritt in der Sanitärwirtschaft zu beschleunigen. So werden mehr Unternehmer ermutigt, sich der Herausforderung zu stellen und die Investitionen anzuregen, die diesen Fortschritt ermöglichen.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wir befinden uns an einem kritischen Wendepunkt, wenn es darum geht, bis 2030 für alle Menschen angemessene und gleichwertige sanitäre Einrichtungen und hygienische Bedingungen zu schaffen. Das Geschäftsszenario gibt es bereits, und zwar ein wirkungsvolles. Und es gibt bereits bessere Lösungen für die globale Sanitärkrise. Aber solange sich die Debatte nicht grundlegend von der Frage, warum eine Transformation der Sanitärwirtschaft eine gute Idee ist, wegbewegt und stattdessen fragt, wie die Lösungen schnell verbreitet und skaliert werden können, wird der Erfolg wahrscheinlich schwer zu fassen sein.

Dieser Erfolg verdient eine größere Aufmerksamkeit und engagierteres Handeln. Er verdient mehr Aufmerksamkeit und Engagement von Regierungen und Kommunalbehörden, die sich von den unerschwinglichen öffentlichen Kosten für Abwasser und Sanitäranlagen befreien können und gleichzeitig ein enormes Einsparungspotenzial durch eine verbesserte Gesundheit der Bevölkerung erzielen.

Und er erfordert mehr Aufmerksamkeit und Engagement von Unternehmern und Impact-Investoren, die einen enormen Nutzen daraus ziehen können, nicht nur die 4,5 Milliarden Menschen zu versorgen, die heute noch keinen Zugang zu zuverlässigen sanitären Einrichtungen haben; sie können zudem dazu beizutragen, die damit verbundenen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, wie sauberes Wasser, Ernährungssicherheit, erneuerbare Energien, Gesundheit und Wohlbefinden.

Ein profitables, nachhaltiges Geschäft im Sanitärwesen für Kunden mit niedrigem Einkommen aufzubauen ist schwierig, aber möglich.Innovative Unternehmen sichern bereits Millionen von Menschen Würde und eine bessere Lebensqualität. Mit der richtigen Unterstützung glauben die WSUP, die TBC und wir, dass wir und andere Organisationen Hunderten von Millionen Menschen erschwingliche, nachhaltige und zuverlässige sanitäre Einrichtungen bieten können, die sie so dringend benötigen.

Fazit

Das Erreichen des Nachhaltigkeitsziels der Vereinten Nationen für eine gleichberechtigte sanitäre Versorgung für alle bis 2030 bietet ein enormes Potenzial für globales Wirtschaftswachstum und ist gleichzeitig eine der dringendsten sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Allein in Indien wird der potenzielle jährliche Wert einer transformativen Sanitärwirtschaft bis 2021 auf 62 Milliarden US-Dollar geschätzt.

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Jessie Coates

EY Global Impact Entrepreneurship Leader

Passionate about using business as a force for good. Long-suffering Arsenal football fan. Activist. Feminist. Dreamer.

Dan Gray

EY Global Corporate Responsibility Knowledge Leader

Purpose-driven strategist. Sustainability and social entrepreneurship advocate. Integrative thinker. Author. Storyteller. Rugby fanatic. Amateur chef. Giant.