Die USA wollen an die Spitze der Klimaschutzbewegung. Präsident Joe Biden hat das Ziel gesetzt, die Emissionen in seinem Land bis 2030 um 50 bis 52 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken.
Es ist eine weltweite Aufgabe, das 1,5-Grad-Ziel aus dem Abkommen von Paris in Richtwerte für einzelne Länder und Branchen zu übersetzen. Auf dem Weg in Richtung der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow im November hat Biden nun mit seiner großen internationalen Runde einen eigenen Akzent gesetzt. 40 Spitzenpolitiker aus aller Welt sind am 22. und 23. April seiner Einladung zum virtuellen „Leaders Summit on Climate“ gefolgt. Teilgenommen haben Vertreter westlicher Industrienationen, aufstrebender Entwicklungsmärkte und schon jetzt besonders vom Klimawandel betroffener Inselstaaten des globalen Südens. Gemeinsam mit den USA saßen China und die EU – drei Volkswirtschaften, die diese Transformation entscheidend prägen werden – am virtuellen Tisch. Außerdem waren unter anderem Russland, Kanada, Japan, Brasilien und Großbritannien dabei.
Ein Fazit: Klimatransformation schafft Arbeitsplätze
Besonders am zweiten Konferenztag hat Biden unterstrichen, mit welcher Botschaft die Herkulesaufgabe Klimatransformation weiter angegangen werden soll: Er hat persönlich einen Teil des Klimagipfels zu den volkswirtschaftlichen Chancen dieser Veränderung geleitet, gefolgt von einer Gesprächsrunde, in der Gewerkschaftsvertreter die Aussicht auf gerechte und gut bezahlte Arbeit im Sinne der „just transition“ unterstrichen.
Die Botschaft zog sich durch die gesamte Konferenz: Die Umstellung der Wirtschaft wird Millionen hochwertiger Arbeitsplätze schaffen, anstatt sie zu vernichten. „Der heutige Abschluss der Konferenz handelt nicht von der Gefahr, die der Klimawandel darstellt“, sagte Biden am Ende. „Es geht um die Chancen, die darin liegen, dem Klimawandel zu begegnen, eine Chance, Millionen gut bezahlter Jobs rund um die Welt in innovativen Branchen.“
Er sieht unter anderem im Bereich Elektromobilität mit neuen Fahrzeugen und der nötigen Infrastruktur großes Wachstumspotenzial, ebenso bei energieeffizienten Gebäuden, Solaranlagen und Windrädern, aber auch in der Renovierung von Schulen und Büro- und Geschäftsimmobilien. Der US-Präsident bemühte sich dabei, die Veränderung auch als einen Weg für mehr Gleichberechtigung von Minderheiten darzustellen, weil gerade ärmere Communities noch stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden.
Es geht um die Chancen, die darin liegen, dem Klimawandel zu begegnen, eine Chance, Millionen gut bezahlter Jobs rund um die Welt in innovativen Branchen.
Der britische Premier Boris Johnson formulierte es etwas lauter: „Es ist für uns alle wichtig zu zeigen, dass es hier nicht um teures, politisch korrektes, grünes ‚Häschen-Umarmen‘ geht. Es geht um Wachstum und Jobs.“
Es geht um Wachstum und Jobs.
Während die Republikaner immer wieder versuchen, Umweltpolitik als nettes Beiwerk darzustellen, das zu viele Industriearbeitsplätze bedroht, ist Biden schon im Wahlkampf einen anderen Weg gegangen. Das zuletzt von ihm vorgeschlagene Infrastrukturpaket sieht Ausgaben von mehreren Billionen Dollar über mehrere Jahre vor und setzt einen deutlichen Klimaschwerpunkt, inklusive konkreter Budgets für besser isolierte Gebäude, E-Autos und weniger Strom aus fossilen Quellen. Der Stromsektor soll bereits bis 2035 klimaneutral sein.
Kritik an Deutschland für bekannte Ziele
Nicht nur die Vereinigten Staaten kündigten im Rahmen des Gipfels eine neue Zielsetzung an. Die EU hatte am Vorabend des Treffens verbindlich das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ebenso beschlossen wie die Emissionsreduzierung um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990. Yoshihide Suga, Premierminister von Japan, versprach bis 2030 Reduktionen in Höhe von 46 Prozent statt bisher 26 Prozent im Vergleich zu 2013. Kanada will bis 2030 die Emissionen um 40 bis 45 Prozent mit Bezugswert 2005 senken. Zuvor war eine Senkung von 30 Prozent das Ziel. Boris Johnson aus Großbritannien wiederum hatte kurz vor der Konferenz eine Reduzierung um 78 Prozent bis 2035 im Vergleich zu 1990 angekündigt.
Während hier in Deutschland das neue Engagement anderer Staaten lobend anerkannt wurde, gab es Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese habe nur „müde Altbekanntes“ abgespult, kommentierte Greenpeace-Chef Martin Kaiser. Das zeigt vor allem eins: Der Druck, mit dem Veränderungen eingefordert werden, wird nicht abnehmen. Deutschland wird seine Emissionen bis 2030 um 65 Prozent unter das Niveau von 1990 senken müssen, um seinen Beitrag am erhöhten EU-2030-Klimaziel leisten zu können. Das zeigt die Studie „Klimaneutrales Deutschland“ von der Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende.
Weiterhin stark im Blickpunkt: Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft
Eines ist im internationalen Klimadiskurs allerdings längst klar: Ein Engagement des öffentlichen Sektors allein wird sicher nicht reichen. Deshalb wurde auch der privatwirtschaftliche Sektor bei der Konferenz erneut in den Fokus genommen. Die neue Lowering Emissions by Accelerating Forest Finance (LEAF) Coalition bringt beispielsweise private und öffentliche Akteure zusammen, um Klimaschutzmaßnahmen zu beschleunigen, indem Finanzmittel für Länder bereitgestellt werden, die sich für den Schutz ihrer tropischen Wälder einsetzen.
Genauso wie Public-Private Partnerships beim Erreichen der Klimaziele wichtige Vehikel sind, spielen Investoren und Finanzinstitute über die Anlage ihrer Gelder in Unternehmen mit klarer Nachhaltigkeitsstrategie eine zentrale Rolle. Damit ist Klimaschutz auch im Finanzbereich kein Nice-to-have mehr, sondern eine Frage der grundsätzlichen Wettbewerbsfähigkeit: Wer grün investiert, erhält zunehmend Unterstützung – wer Klimaschutz ignoriert, wird immer stärker am Markt benachteiligt werden.
In Kooperation mit anderen großen Volkswirtschaften und Partnern werden die USA ab sofort einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Das bietet Raum für Zuversicht. Die Fortschritte, die auf dem internationalen Parkett erzielt werden, werden auch der hiesigen wirtschaftlichen Entwicklung zugutekommen.
Fazit
Joe Biden hat zu einem zweitägigen internationalen Klimagipfel geladen und damit die USA als wichtigen Teilnehmer in die internationale Debatte zurückgeführt. Sein Kernversprechen einer Halbierung der US-Emissionen bis 2030 zeigt einen neuen Gestaltungswillen der USA. Biden zeigt sich sicher, dass kein anderes Thema gleichzeitig so positive Auswirkungen für den weltweiten Klimaschutz hat und Millionen neuer Jobs schaffen kann.
Das virtuelle Treffen hat erneut unterstrichen, dass nicht mehr über das Ob hinsichtlich des Handelns in der Klimakrise diskutiert wird. Stattdessen geht es immer klarer um die Geschwindigkeit und die inklusive Gestaltung in der Bekämpfung der Krise.