Die Taxonomie-Regeln sind ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden. Wie können sich Unternehmen schon jetzt darauf vorbereiten?
Weber: Die Taxonomie ist letztlich ein Werkzeug, mit dem Unternehmen ihre Strategie und ihr Portfolio anpassen können, um die Nachhaltigkeit ihrer Kapitalanlage zu verbessern. Entscheidend ist dabei, Risiken besser offenzulegen. Am Anfang steht die Identifikation von Umwelt- und Klimaaspekten, die für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens entscheidend sind. Im nächsten Schritt geht es um nötige Anpassungen, um die Klimabilanz zu verbessern, und darum, diese mit den betroffenen Funktionsbereichen abzustimmen. Dabei können weitere Daten und Informationen erforderlich werden, um die EU-Taxonomie umzusetzen. Schließlich sollten sich die Anpassungen zur Bewältigung klimabedingter Risiken auch in den Unternehmenszielen, -strategien und -abläufen spiegeln.
Zahlreiche Details der Taxonomie wie auch anderer Teile des EU-Aktionsplanes sind derzeit noch in der Abstimmung. Für Unternehmen empfiehlt sich daher eine agile Implementierung, um die künftige Offenlegung vorzubereiten. Frühzeitige Schritte ermöglichen es, Beteiligte auf allen Unternehmensebenen mitzunehmen und ihre Kenntnisse einzubringen.
Was bedeutet nachhaltig im Sinne der Taxonomie?
Weber: Laut der Verordnung ist eine Wirtschaftsaktivität dann nachhaltig, oder taxonomiekonform, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem von sechs Klimazielen der EU leistet. Dazu zählen Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel, eine nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer natürlichen Kreislaufwirtschaft (Circular Economy), die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie der Schutz und die Wiederherstellung der Artenvielfalt und Ökosysteme. Wichtig ist zusätzlich, dass die Wirtschaftsaktivität keinem der Klimaziele zuwiderläuft, was in der Verordnung mit „do no significant harm“ bezeichnet wird. Schließlich müssen eine Reihe von Mindestanforderungen in Bezug auf Soziales und Menschenrechte erfüllt werden.
Können Sie uns ein typisches Beispiel einer als nachhaltig eingestuften Investition geben?
Weber: Nehmen wir ein energieintensives Produktionsunternehmen. Das Unternehmen entscheidet sich dafür, einen Teil der Energie aus regenerativen Quellen zu beziehen und will dafür Photovoltaikanlagen auf seinen Produktionshallen installieren. Prüft die Bank den Kreditantrag, kann sie auch klären, ob das Vorhaben taxonomiekonform ist. Ist das der Fall, kann sich das zum Beispiel niederschlagen in einer geringeren Ausfallwahrscheinlichkeit und somit besseren Konditionen für den Antragsteller. Auf der anderen Seite kann die Bank dem Unternehmen auch helfen, Fördermittel zu beantragen, die für taxonomiekonforme Investitionen bereitgestellt werden.
Kann eine Bank auch entscheiden, nur noch solche Investments zu unterstützen?
Bopp: Ja, das könnte sie machen. Allerdings sind dabei Grenzen zu berücksichtigen, denn die Taxonomie stellt auf Tätigkeiten ab, nicht auf Finanzinstrumente. Damit lassen sich „braune Investments“ und „grüne Investments“ unterscheiden. Braun steht dabei für klimaschädlich, grün für zukunftsfähig beziehungsweise klimaschonend. Doch eine Aktie oder ein ganzes Unternehmen sind weder per se grün noch braun, es kommt darauf an, was und wie der Konzern produziert. Das kann sich innerhalb eines Unternehmens sogar von Geschäftsbereich zu Geschäftsbereich unterscheiden.
Wie weit sind die Finanzdienstleister mit den Vorbereitungen?
Bopp: Traditionell ist die Begeisterung für die Umsetzung neuer regulatorischer Vorgaben begrenzt, da sie Zeit, Personal und Budget kostet. Was die Banken aber nicht vergessen sollten: Mit neuen Produkten und Dienstleistungen lassen sich auch neue Marktsegmente erschließen und neue Kunden gewinnen.
Aktuell besteht die größte Herausforderung darin, die neuen Regeln in den Risiko- und Steuerungsmodellen abzubilden und mit den richtigen Daten zu füllen. Auf dieser Basis lassen sich Szenarien entwickeln und Stresstests berechnen, wie sie Aufsichtsbehörden künftig zunehmend fordern werden. Die Finanzmarktakteure haben verstanden, dass sich hier Chancen auftun, die die Risiken deutlich übertreffen.