5 Minuten Lesezeit 8 September 2020
Eine Gruppe Personen sammeln Ideen mit Mapping

Warum CDOs unbequem sein sollten und sich bestenfalls selbst abschaffen

Von EY Deutschland

Building a better working world

5 Minuten Lesezeit 8 September 2020

Der Chief Digital Officer kann die Digitalisierung im Unternehmen entscheidend vorantreiben – wenn er darf und kann.

Überblick

  • Der CDO übersetzt neue Technologien und Markttrends in neue Fähigkeiten und in Wettbewerbsvorteile für seine Organisation.
  • Als Querschnittsfunktion braucht der CDO Überzeugungskraft und Rückendeckung.
  • Erfolgreiche CDOs schaffen sich selbst ab.

Die Digitalisierung hat eine neue Managementposition hervorgebracht: den Chief Digital Officer (CDO). Seine Aufgabe ist es, alle digitalen Themen im Unternehmen koordinierend voranzutreiben, vom Wertversprechen über Produkte bis hin zu Prozessen und Geschäftsmodellen. Er ist Visionär, Innovator, Stratege, Prozessoptimierer und Transformator in einem. Vor allem muss er die Mitarbeiter auf dem Weg in die digitale Zukunft mitnehmen und deren Expertenwissen einbinden. Ohne Überzeugungskraft, die richtigen Rahmenbedingungen und eine vorbehaltlose Rückendeckung der Unternehmensführung wird der CDO erfolglos bleiben.

Verbreitung des Chief Digital Officers

21 %

der deutschen Top-Unternehmen haben einen CDO.

Rund ein Drittel der führenden US-amerikanischen Unternehmen und jedes fünfte große deutsche Unternehmen haben einen Chief Digital Officer. Vor allem Firmen aus der Telekommunikations- und Automobilindustrie oder dem Maschinenbau bündeln ihre Digitalisierungsbemühungen in der Position des CDO. Sie haben erkannt, dass sich in den bestehenden Strukturen die Digitalisierung nicht schnell genug umsetzen lässt. Dagegen ist das Denken in digitalen Möglichkeiten bei vielen jüngeren Firmen bereits so fest bei den Mitarbeitern verankert, dass diese eine dezidierte CDO-Funktion nicht mehr benötigen.

Aufgaben des CDO

Der CDO identifiziert Zukunftsmärkte und sorgt dafür, dass das Unternehmen auch in den nächsten Jahren wettbewerbsfähig bleibt und sich den verändernden Marktgegebenheiten anpasst. Er soll neue Technologien und Markttrends in neue Fähigkeiten, gesteigerte Effizienz und letztlich in Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen übersetzen. Dazu gehört die Entwicklung neuer digitaler Services und Produkte für und mit den Kunden.

Der CDO prüft alle Prozesse auf die Frage hin, wo sie durch den Einsatz digitaler Möglichkeiten optimiert werden können. Er ist also gleichzeitig:

  • Business Enabler,
  • Innovation Manager,
  • IT-Enabler und
  • Change Manager.

Diese Funktionen werden in den meisten Unternehmen bereits durch andere Führungspositionen ausgeübt. Die Funktion des Business Enablers, der den Markt auf neue Wachstumschancen hin analysiert sowie die des Innovators, der neue Ideen fördert, umsetzt und skalierbar macht, sind klassischerweise in der CEO-Rolle zusammengefasst. Erster IT-Enabler ist immer noch der Chief Information Officer (CIO). Training und die Kommunikation mit den Mitarbeitern im Rahmen des Change-Managements liegt in den Händen der Personalabteilung.

Dennoch soll der Chief Digital Officer jeden Schritt der Wertschöpfungskette und alle darin enthaltenen Unternehmensprozesse auf Verbesserungspotential hin überprüfen. Dass er angesichts der funktionellen Überschneidungen dabei oft aneckt, ist unvermeidlich. Mitunter wird er deshalb als Störenfried empfunden, der sich einmischt, gewohnte Abläufe auf den Kopf stellt und all jene stört, die es sich in ihrer gewohnten Arbeitsweise bequem gemacht haben. Damit gewinnt er nicht nur Freunde. 

Fünf Fähigkeiten für Digitalmanager

Das außergewöhnlich breite Aufgabenspektrum des CDO verdeutlicht, dass allgemeines Technologiewissen allein für diesen Job nicht genügt. Ein CDO braucht Aufgeschlossenheit, Überzeugungskraft, Veränderungsbereitschaft, Empathie und hohe Frustrationstoleranz. Er muss offen sein für neue Ansätze und Technologien und ein geschultes Gefühl dafür haben, welche Auswirkungen sie auf sein Unternehmen und das Umfeld haben. Da er keine direkte Weisungsbefugnis besitzt, muss der CDO andere sachlich überzeugen und emotional mitreißen können: mit Kommunikationstalent, ansteckender Begeisterung und der Fähigkeit, komplexe Dinge auf den Kern zu reduzieren und für andere übersetzen zu können.

Er muss sein Denken und Handeln permanent hinterfragen und bereit sein, den eingeschlagenen Pfad zu verlassen, wenn er nicht zum Ziel führt. Ein guter CDO ist dabei auch einfühlsam genug, um zu verstehen, dass Veränderungen Zeit brauchen und Menschen und Organisationen ungern ihre gewohnten Arbeitsweisen verlassen. Er muss Konflikte aushalten, wenn es mit altgedienten Führungskräften Meinungsverschiedenheiten gibt und er muss mit Rückschlägen umgehen können.

Sonderfunktion im Unternehmen

CDO ist ein Vollzeitjob, den andere Vorstände nicht nebenbei miterledigen können. Lange wurde die Aufgabe auch an die zweite oder dritte Führungsebene delegiert – mit mäßigem Erfolg. Die Corona-Pandemie hat die Rolle des CDO nochmals deutlich gestärkt. Überspitzt formuliert könnte man sagen, der CDO ist der „CEO der Coronazeit“. Wo es sonst hieß „Das geht nicht. Oder wenn, dann erst in zwei Jahren“, hat der Shutdown über Nacht zum mobilen und vernetzten Arbeiten gezwungen. Und siehe da: Es geht.

Für eine größtmögliche Durchschlagskraft sollte der CDO gleichberechtigt mit den anderen Vorständen direkt an den CEO berichten, mit dem er eng zusammenarbeitet. Dabei hat er eine Sonderrolle. Denn ein erfolgreicher CDO, der das Unternehmen, dessen Mitarbeiter und Kultur komplett digitalisiert, schafft sich selbst ab. Da gute CDOs im Unternehmen exzellent vernetzt und am Markt sehr gefragt sind, fällt es ihnen meist leicht, eine attraktive neue Aufgabe zu finden.

Entwicklungshilfe digital am Beispiel des UNDP

Dass die Digitalisierung nicht nur für Unternehmen ganz oben auf der Tagesordnung steht, verdeutlicht das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP). EY hat das UNDP bei der Erstellung seiner Digitalstrategie, der Definition der Rolle und der Installation eines globalen CDO, dem Aufbau des weltweiten digitalen Governance-Modells sowie der Auswahl und Umsetzung der ersten sechs globalen Digitalisierungsprojekte unterstützt.  

Das UNDP mit Sitz in New York hat sich der Bekämpfung von Armut, Krieg und Umweltzerstörung verschrieben und fördert demokratische Systeme in Entwicklungsländern. Neue Technologien und Wettbewerber haben auch das Umfeld des UNDP verändert. Die Ansprüche von Kunden und Geldgebern, allen voran Regierungen, sind gestiegen. Mehr als zuvor fordern sie Transparenz über die Verwendung von Hilfsgeldern und deren effizienten Einsatz.

Eine Besonderheit des UNDP ist seine dezentrale Organisation mit über 150 häufig sehr eigenständigen Landesgesellschaften. Ohne die koordinierende Funktion des globalen CDO passierte es, dass man etwa im Irak mit Problemen kämpfte, für die es im Kongo bereits eine Lösung gab – ohne dass der eine vom anderen wusste. Zudem verfügen die einzelnen Landesgesellschaften über einen enormen individuellen Datenschatz, der global bisher ungenutzt blieb.

Die Entwicklung einer Digitalstrategie, die von allen getragen wird, hat EY mit mehr als 2.000 UNDP-Mitarbeitern weltweit intensiv diskutiert und ist dafür unter anderem in New York, Istanbul, Kuala Lumpur, Berlin, San Francisco und Dubai im Einsatz. Die Digitalstrategie entstand so in zahlreichen Iterationsstufen und auf verschiedenen Beratungsebenen über alle Organisationsbereiche hinweg. Als global Verantwortlicher für Digitales wurde Robert Opp als CDO in New York eingesetzt. Regelmäßig tauscht er sich mit seinen Ansprechpartnern, den sogenannten Digital Champions, in den Landesgesellschaften aus. Als CDO berichtet Opp direkt an den Leiter des UNDP und hat somit eine Stimme bei wesentlichen Entscheidungen.

Leuchtturmprojekte und digitale Sprints mit Signalwirkung

Einige der rund 100 Vorschläge, welche aus der Organisation hervorgegangen sind, wurden in digitalen Leuchtturmprojekten und digitalen Sprints im EY Wavespace kreativ erkundet und mit der Führungsebene getestet. In bereichsübergreifender Zusammenarbeit wurden so erste umsetzbare Projekte realisiert: In Afrika wurde eine Lösung für biometrische Wählerregistrierung entwickelt. Das Ziel: die Bereitstellung einer lebenslang sicheren digitalen Rechtsidentität von der Geburt bis zum Tod. Diese Arbeit wurde kürzlich auf die Unterstützung grundlegender nationaler Identitätsregister ausgeweitet. In Südamerika wurde eine Initiative gestartet, welche Angebot und Nachfrage von Produkten der Kakaolieferkette in Einklang bringt, über die Blockchain für mehr Transparenz sorgt und die Nachverfolgung des Fairtrade in den Wertschöpfungsketten verbessert.

Zudem wurde für eine bessere Übersicht über verfügbare Experten eine Datenbank entwickelt, in der die Fähigkeiten, Expertisen oder Sprachen alle Mitarbeiter hinterlegt sind. Dies hilft dem UNDP, in Krisensituationen schnellstmöglich die relevante Expertise zu finden und am richtigen Ort einzusetzen. Diese auf der Digitalstrategie basierenden Initiativen helfen, die Ressourcen noch effizienter für eine bessere Welt einzusetzen.

Fazit

Der Chief Digital Officer (CDO) ist Visionär, Innovator, Stratege, Prozessoptimierer und Transformator in einem. Seine Aufgabe ist es, alle digitalen Themen im Unternehmen koordinierend voranzutreiben, die Mitarbeiter auf dem Weg in die digitale Zukunft mitzunehmen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig zu verbessern. Dazu braucht er Überzeugungskraft, die richtigen Rahmenbedingungen und die vorbehaltlose Rückendeckung der Unternehmensführung. CDOs, die ihr Unternehmen erfolgreich digitalisieren, schaffen sich damit selbst ab.

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