4 Minuten Lesezeit 18 Oktober 2019
Frau bedient 3D Drucker

„Stiftungen bringen Bewegung in die Gesellschaft“

Von EY Deutschland

Building a better working world

4 Minuten Lesezeit 18 Oktober 2019

Lara Veronique Piechulla, Director bei EY, erläutert im Interview die Bedeutung von Stiftungen und argumentiert gegen ihr verstaubtes Image.

Die Zahlen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen beeindrucken: Fast 23.000 sind es insgesamt, dahinter stecken 68 Milliarden Euro Kapital. Stiftungen sind Träger von Krankenhäusern und Museen, setzen sich für Umweltschutz ein oder dafür, dass Kinder schwimmen lernen. Hinter ihren vielfältigen Aufträgen steckt immer ein Sinn für die Gemeinschaft, ein Purpose. Was Stiftungen für unsere Gesellschaft so wichtig macht und worauf es bei ihrer Gründung ankommt, erklärt EY Director Lara Veronique Piechulla.

Deutschland ist ein Land der Stifter und Stiftungen. Warum ist das so?

Lara Veronique Piechulla: Wir leben in einem relativ wohlhabenden Land. Viele vermögende Menschen möchten ihrer gesellschaftlich-sozialen Verantwortung gerecht werden und sich gemeinnützig engagieren – Stiftungen bieten hierfür eine erstklassige Möglichkeit. Durch sie können Stifter einen langfristigen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.

Oft spielt auch die ungeklärte Unternehmensnachfolge eine Rolle, wenn zum Beispiel Kinder und Enkelkinder ihre eigenen Wege gehen wollen oder es gar keine Nachfolgegeneration gibt. Eine Stiftung bietet die Möglichkeit, das Unternehmen zu erhalten. Das Vermögen wird von der Unternehmensführung, die dann in andere Hände übergehen kann, entkoppelt.

Warum sind Stiftungen für das Gemeinwohl relevant?

Stiftungen entstehen aus den unterschiedlichsten Motiven heraus und sind daher auch in ganz verschiedenen Bereichen zu finden – sei es im bildungspolitischen, medizinischen, sozialen oder auch kulturellen Bereich, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie schließen eine Lücke im öffentlichen Leben oder erweitern und bereichern es mit ihrem Angebot. Und das häufig mit einer Entschlusskraft und Geschwindigkeit, die die öffentliche Hand nicht leisten könnte. So bringen Stiftungen Bewegung in die Gesellschaft.

Stiftungen schließen Lücken im öffentlichen Leben oder erweitern und bereichern es – und dies häufig entschlossener und schneller als die öffentliche Hand.
Lara Veronique Piechulla
Director bei EY

Obwohl es viele Beispiele für zukunftsorientierte Stiftungen gibt, haftet ihnen häufig noch ein altmodisches Image an. Woran liegt das?

Viele Menschen denken bei Stiftungen vor allem an den Stifterwillen, der unbedingt befolgt werden muss, an die Stiftungsaufsicht oder den Kapitalerhaltungsgrundsatz – verbinden sie also eher mit starren Regularien. Dabei sind Stiftungen sehr dynamisch und werden von Menschen ins Leben gerufen, die mit Herzblut eine Vision verwirklichen möchten. Auf der anderen Seite sind Stiftungen auch ein Synonym für Stabilität, was in einer schnelllebigen Welt sehr wohltuend ist. Diese Kombination macht sie so besonders.

Welche Formen der Stiftung stehen Unternehmern und ihren Familien offen, wenn sie ihr Vermögen gemeinnützig anlegen möchten?

Die meisten Stiftungen haben die Rechtsform der privaten Stiftung bürgerlichen Rechts, wobei es rein fördernde, aber auch operative Stiftungen gibt. Bei Verbrauchsstiftungen wird das Vermögen innerhalb eines festgelegten Zeitraums für einen bestimmten Zweck ausgegeben. Diese Form ist aktuell besonders interessant, weil es kaum mehr Kapitalerträge auf Vermögen gibt.

Eine weitere Möglichkeit sind unselbstständige Stiftungen, für die ein Treuhänder das Vermögen im Sinne des Stiftungszwecks verwaltet. Es besteht aber auch die Möglichkeit, eine Stiftung über Spenden zu sichern oder über Beträge, die kontinuierlich aus dem Unternehmen dort einfließen.

Welche Stiftungsform passt zu welchem Stifter?

Am Anfang einer Stiftung sollten ganz einfache Fragen stehen: Was sind Sinn und Ziel der Stiftung, was soll mit ihr erreicht werden? Welche finanziellen Ressourcen stehen zur Verfügung? Gibt es Personal für die Stiftung oder womöglich eine Person, die das Stiftungsprojekt steuert? Kann eventuell vorhandene Infrastruktur genutzt werden? Wie lässt sich die Stiftung langfristig sichern? Ausgangspunkt der Überlegungen sollte immer das Projekt sein und erst danach abgewägt werden, welche Form der Stiftung sinnvoll ist.

Stiftungen sind etwas sehr Dynamisches und von Menschen ins Leben gerufen, die eine Vision haben, in die sie ihr Herzblut stecken.
Lara Veronique Piechulla
Director bei EY

Sie betreuen seit Jahren Unternehmer und ihre Familien dabei, ihr Vermögen sinnstiftend anzulegen. Bietet Deutschland dafür gute Rahmenbedingungen?

Grundsätzlich stimmen die Rahmenbedingungen – das zeigen die vielen Stiftungen, die es in Deutschland gibt. Aber natürlich gibt es auch Verbesserungspotenzial. Es existieren unterschiedliche bundes- und landesspezifische Stiftungsgesetze mit verschiedenen Aufsichtsbehörden, die diese Regelungen völlig unterschiedlich bewerten. Das fängt bei der Bestimmung der Höhe des notwendigen Stiftungskapitals an und hört bei den Möglichkeiten, Stiftungen zu ändern, auf – die sind tatsächlich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Bundesweit einheitliche Regeln würden vieles erleichtern.

Am 1. Oktober war der „Tag der Stiftungen“. Welches Signal sollte er setzen? Was erhoffen Sie sich persönlich von diesem Tag?

Der „Tag der Stiftungen“ ist ein europaweiter Aktionstag, an dem die Vielfalt und das große, gesellschaftliche Wirken der gemeinnützigen Stiftungen sichtbar gemacht werden sollen. Ich wünsche mir, dass die Öffentlichkeit mehr über Stiftungen und die Menschen dahinter erfährt, weil sie wahrhaftig zu einer ‚better working world‘ beitragen.

Lara Piechulla

Fazit

Stiftungen leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag für das Gemeinwohl, sondern können auch eine sinnvolle Lösung für die Nachfolgeregelung von Unternehmen darstellen. Lara Veronique Piechulla, Director bei EY und für den Bereich Stiftungen zuständig, erklärt die Motivation von Stiftern und warum sich Stiftungen durch Dynamik und Vielfalt auszeichnen.

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