6 Minuten Lesezeit 3 Juli 2022
Älterer Mann mit Laptop

Wie Finanzdienstleister den Zenit in ihrer Kundenbeziehung erreichen

Autoren
Dr. Natalie Neumann

Senior Manager for Customer Centric Strategies and Transformation, EY Consulting GmbH | Deutschland

Beraterin mit Leidenschaft für die Schaffung einzigartiger und nachhaltiger Kundenerlebnisse; empathisch – ehrgeizig – echt.

Fabian Meier

Director for Customer Centric Strategies and Transformation, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Passioniert für großartige Kundenerlebnisse, realistisch bei der Transformation, optimistisch hinsichtlich der Fähigkeiten von Menschen.

6 Minuten Lesezeit 3 Juli 2022

Eine erfolgreiche CX-Transformation meistert die Herausforderungen liquider Kundenerwartungen, schafft einzigartige Erlebnisse und erfüllt das Leistungsversprechen.

Überblick
  • Die Erwartungen der Kunden an die Interaktion mit ihrem Finanzdienstleister sind so hoch wie nie – getrieben durch ihre Erfahrungen aus anderen Branchen.
  • Die Bedienung der liquiden Kundenerwartungen und die Schaffung einzigartiger Customer Experiences hat mittlerweile Top-Priorität bei den Produktgebern – ein Plan zur konsequenten Ausrichtung am Kunden fehlt jedoch meist.
  • Eine holistische CX-Transformation berücksichtigt alle relevanten Schlüsselbereiche und befähigt Unternehmen, ihr Leistungsversprechen über alle Kundenkontaktpunkte und Kanäle einzulösen – und so den „Zenit“ in der Kundenbeziehung und ­bindung erreichen.

Die meisten Unternehmen haben mittlerweile verstanden, dass Customer Experience (CX) eine zentrale Rolle im Wettbewerb um den Kunden spielt. Etliche wissenschaftliche und praxisnahe Studien belegen den Einfluss positiver Kundenerlebnisse auf relevante Zielgrößen. Demnach steigert eine gute CX die Kundenzufriedenheit, führt zu höheren Umsätzen und ist die Basis für eine Kundenbarwertsteigerung in Form des Customer Lifetime Value (CLV). Denn zufriedene Kunden sind loyaler, bereit, einen Premiumpreis zu bezahlen, und empfänglicher für gezielte Up- und Cross-Selling-Maßnahmen.

Customer Experience hat Top-Priorität

Vor diesem Hintergrund ist CX die entscheidende Grundlage für ein langfristiges organisches Wachstum von Unternehmen. In den letzten Jahren hat sie Preis und Produkt als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal für die Marke abgelöst und wird häufig als letztes verbleibendes Alleinstellungsmerkmal („unique selling proposition“, kurz USP) für eine nachhaltige Differenzierung gesehen. Kein Wunder, dass sich viele Unternehmen die Gestaltung einzigartiger Kundenerlebnisse zur höchsten Priorität gemacht haben.

Während CX-Pioniere das Thema bereits sehr erfolgreich managen, tun sich insbesondere Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor schwer, ihre Organisation konsequent auf CX zu trimmen. Ein Grund ist die nach wie vor hohe Produktzentrierung der Finanzdienstleister. Agiert wird nach dem Motto „Wie können wir unsere Kunden überzeugen, unsere Produkte zu kaufen?“, statt sich zu fragen: „Wie können wir sinnvolle und unvergessliche Erlebnisse für unsere Kunden schaffen, damit sie mehr von unseren Angeboten nachfragen?“ Verantwortlich dafür ist eine stark Silo-Sichtweise, in der CX-Initiativen in einzelnen Abteilungen unabhängig voneinander und ohne Orchestrierung auf ein gemeinsames Ziel initiiert werden, statt abteilungsübergreifend Lösungen zu gestalten, die dem Kunden einen echten Mehrwert bieten. Um diesen Mehrwert zu generieren, fehlt es jedoch an einem grundsätzlichen Verständnis der Kundenerwartungen. Relevante Informationen über die Kunden und deren Bedürfnisse liegen häufig bei Drittanbietern oder, im Fall von Versicherungen, beim Makler. Eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden und die Möglichkeit, ihn mit personalisierten Angeboten zielgerichtet anzusprechen, ist aufgrund der mangelhaften Datenverfügbarkeit und fehlender Integration der Kundendaten zu einem eindeutigen Kundenprofil in einer übergreifenden Plattform daher kaum vorhanden. Darüber hinaus laufen viele Prozesse noch manuell über den Schreibtisch der Mitarbeiter. Digitale Lösungen sind zwar meist implementiert, Systeme jedoch oft nicht verknüpft, sodass eine vollständige Digitalisierung und Automatisierung der Kundenreise nicht stattfinden kann. Brüche im Omnichannel-Kundenerlebnis sind damit eher die Regel als die Ausnahme.

Digitale Lösungen sind zwar meist implementiert, Systeme jedoch oft nicht verknüpft, sodass eine vollständige Digitalisierung und Automatisierung der Kundenreise nicht stattfinden kann.

Die Ausführungen zeigen nur einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen Herausforderungen im CX-Kosmos. Die Komplexität ist vermutlich auch ein Grund, weshalb sich viele Produktgeber in erster Linie auf ein optimales Management der Kunden-Touchpoints fokussieren, also alle Kontaktpunkte möglichst reibungslos über unterschiedliche Kanäle aufeinander abstimmen. Darin sehen sie dann ihren CX-Auftrag bereits erfüllt. Sicherlich ist ein optimales Touchpoint-Management ein elementarer Aspekt, er greift jedoch zu kurz. Denn wirklich einzigartige Erlebnisse lassen sich auf diese Weise nicht erzeugen und man landet schnell im „Meer der Gleichartigkeit“, das keine nachhaltige Differenzierung zulässt.

Exzellente CX erfordert eine ganzheitliche Transformation

Für eine ernsthafte Ausrichtung am CX-Gedanken reicht es nicht, lediglich einzelne Abteilungen oder Kontaktpunkte zu optimieren; vielmehr ist eine ganzheitliche CX-Transformation notwendig, die weite Teile der Organisation betrifft. 

Deshalb versteht EY unter CX-Transformation die Transformation vorhandener Strategien, Strukturen, Prozesse, Technologien und Kulturen eines Unternehmens hin zu einer tatsächlich kunden- bzw. menschenzentrierten Unternehmensform. Wichtig dabei ist es, die Transformation leistungsorientiert zu gestalten und mit nachhaltigen Veränderungen Wert für alle Stakeholder zu schaffen („Transformance“).

Der CX-Transformationsansatz von EY ermöglicht es, abteilungsübergreifende Silos aufzulösen und den Kundenfokus ganzheitlich in den Mittelpunkt des unternehmerischen Denkens und Handelns aller Mitarbeiter zu stellen.

Um diesen Ansatz zu veranschaulichen, hat EY das „EY CX Transformance Wheel“ entwickelt. Als Framework berücksichtigt es ganzheitlich die Schlüsselbereiche innerhalb einer Organisation, in denen eine Transformation stattfinden muss, und leitet Organisationen an, die CX-Arbeit in diesen Bereichen zu transformieren und zu operationalisieren.

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Erfüllte Leistungsversprechen sind der Grundstein einer CX-Transformation

Eine ganzheitliche CX-Transformation erlaubt es, tatsächlich einzigartige und nachhaltige Erlebnisse über alle Kanäle und Kontaktpunkte hinweg für den Kunden zu generieren. Ausgangspunkt ist die Definition eines klaren Leistungsversprechens („value proposition“), das über die Marke propagiert wird. Dieses Leistungsversprechen sollte sich an den Unternehmenszielen orientieren und die Kundenerwartungen berücksichtigen, die es zu erfüllen und idealerweise zu übertreffen gilt.

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Kunden ihre Erwartungen heute nicht mehr nur aus dem Vergleich ihrer Erfahrungen innerhalb einer Branche formen; Kundenerwartungen sind zunehmend liquide, verschwimmen also über Branchengrenzen hinweg. So vergleichen Kunden den Service, den sie in einem Restaurant erhalten, mit dem Service, den sie bei Amazon erhalten, und mit dem Service, den sie von ihrem Finanzdienstleister erhalten. Insofern reicht eine Fokussierung auf die direkten Wettbewerber nicht mehr aus, wenn man verstehen will, was Kunden wirklich glücklich macht. Ein zukunftsfähiges Leistungsversprechen muss auf diese liquiden Erwartungen der Kunden eingehen.

Das alles hilft jedoch nicht viel, wenn das Leistungsversprechen dann nicht umgesetzt wird. Entscheidend ist es, die Lücke zwischen dem Versprochenen und den tatsächlichen Erlebnissen zu schließen, also eine konsequente „value proposition delivery“. Diese Einlösung in Richtung Kunde ist die relevante „must-win battle“ – nicht nur für Finanzdienstleister. Dabei geht es nicht nur darum, wie das Unternehmen kommuniziert, sondern vor allem darum, wie es handelt und wie die Handlungen auf den Kunden wirken. Es geht darum, Probleme auf fundamental neue Weise zu lösen. Dabei sollten auch innovative Wege der Kommunikation und Vermarktung von Produkten und Services beschritten werden, die dem Kunden wirklich einzigartige Erlebnisse bieten und ihn überraschen – also eine echte „experience innovation“ – sei es über den Einsatz von KI, Robotics oder auch im Metaverse.

Dabei gilt es, das Leistungsversprechen nicht nur in der Anbahnungs- und Verkaufsphase hochzuhalten, sondern auch in allen nachfolgenden Leistungsphasen, vom Aftersales bis hin zur Reklamation. Erst dadurch werden Momentum und Wert für den Kunden greifbar.

Um dies zu erreichen, müssen relevante Aufbau- und Ablaufprozesse an der Schnittstelle zwischen Vertrieb, Service und Backoffice auf die Einhaltung der propagierten Markenbotschaften und Produkteigenschaften ausgerichtet und kontinuierlich gemessen werden. Aber auch Vergütungs- und Zielsysteme sollten eng aufeinander abgestimmt werden, um Kunden in den Mittelpunkt aller Bestrebungen zu stellen. Unterstützt wird dies durch eine gute UI/UX und barrierefreie Systeme, sowohl für Kunden als auch für Mitarbeiter und Partner. Eine CX Governance und ein CX Operating Model bilden hierbei die obligatorische Grundlage für den nachhaltigen Erfolg.

In drei Schritten zu einer erfolgreichen CX-Transformation

Doch wo beginnen? Wie den aktuellen Reifegrad bestimmen? Wie die tatsächlichen Kundenbedürfnisse ableiten und operationalisieren?

Der integrierte End-to-End-Ansatz von EY für eine erfolgreiche CX-Transformation folgt drei Phasen und ist flexibel auf die jeweiligen Klientenanforderungen skalierbar. Er orientiert sich am individuellen Reifegrad des Unternehmens, stellt den Menschen (Kunde und Mitarbeiter) in den Mittelpunkt, ist motivierend und bedient sich neuester agiler Methoden.

Über eine gesamtheitliche CX-Transformation gelingt die Schaffung eines einzigartigen Erlebnispfades für den Kunden und die Umsetzung des Customer Lifetime Value (CLV) kann Realität werden. Sie ist die Basis für eine hohe Kundenloyalisierung und bietet die Möglichkeit von gezieltem Up- und Cross-Selling über den gesamten Lebenszyklus.

Fazit

Die Erwartungen von Kunden an ihre Finanzdienstleister verändern sich in rasantem Tempo und werden zunehmend durch Erfahrungen aus anderen Branchen geprägt.

Diese liquiden Kundenerwartungen zu bedienen und über alle Kanäle und Kontaktpunkte einzigartige Customer Experiences (CX) zu generieren ist die Basis für wertvolle Kundenbeziehungen und nachhaltige Wettbewerbsvorteile.

Das EY CX Transformance Wheel ermöglicht eine ganzheitliche CX-Transformation in allen Schlüsselbereichen und befähigt Unternehmen, sich dieser Herausforderung erfolgreich zu stellen.

Über diesen Artikel

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Dr. Natalie Neumann

Senior Manager for Customer Centric Strategies and Transformation, EY Consulting GmbH | Deutschland

Beraterin mit Leidenschaft für die Schaffung einzigartiger und nachhaltiger Kundenerlebnisse; empathisch – ehrgeizig – echt.

Fabian Meier

Director for Customer Centric Strategies and Transformation, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Passioniert für großartige Kundenerlebnisse, realistisch bei der Transformation, optimistisch hinsichtlich der Fähigkeiten von Menschen.