4 Minuten Lesezeit 1 September 2022
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NPL: Warum die Sorge wegen Kreditrisiken wächst und Transfers steigen

Von Tobias Stockstrom

Partner, EMEIA Financial Services - Strategy and Transactions - Restructuring, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Über 20 Jahre Erfahrung im Finanzdienstleistungssektor, einschließlich Private Equity; Familienmensch, der Sport und Grillabende liebt und begeistert davon ist, mit seinem Team neue Wege zu gehen

4 Minuten Lesezeit 1 September 2022

Weitere Materialien

  • NPL in Krisenzeiten: Sorge wegen Kreditrisiken wächst, Transfers steigen

Kurz- bis mittelfristig erwarten wieder deutlich mehr Bankmanager einen Anstieg der NPL-Quoten in ihren Kreditvolumina.

Überblick
  • Die Mehrzahl der Banking Professionals erwartet in der aktuellen EY-Kurzumfrage steigende NPL-Quoten und einen Zuwachs an NPL-Transaktionen.
  • Konjunkturflaute, Inflation und die einsetzende Tilgung von Corona-Hilfsdarlehen schüren die Sorge vor Kreditausfällen.
  • Trendwende am Kreditmarkt: Drei Viertel der Bankmanager erwarten eine rückläufige Neukreditvergabe in den nächsten zwölf Monaten. 

Die noch nicht ausgestandene Corona-Pandemie und neue geopolitische Krisen wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine lassen die Sorge der deutschen Bankmanager vor möglichen Kreditausfällen wieder steigen. Wesentliche Unsicherheitsfaktoren sind die Rekordinflation im Euroraum und die einsetzenden Tilgungen der Corona-Hilfsdarlehen. Im zweiten Quartal 2022 rechnen 90 Prozent der befragten Entscheider mit einem Anstieg der NPL-Quote in ihren Kreditvolumina – dies stellt erstmals wieder ein deutliches Plus im Vergleich zur vorherigen Umfrage (80 Prozent) sowie zum Vorjahreszeitraum (84 Prozent) dar.

Weitere Materialien

  • EY-Spotlight zum NPL-Markt, August 2022 │ NPL: Warum die Sorge wegen Kreditrisiken wächst und Transfers steigen

Wie das aktuelle EY-Spotlight zum deutschen NPL-Markt zeigt, rechnen derzeit 40 Prozent der Befragten mit einem „mittelschweren“ Effekt der Pandemie und des Ukraine-Krieges auf die NPL-Anteile in den Kreditvolumina, weitere 3 Prozent sehen erhebliche Folgen. Damit legt die Intensität der Befürchtungen erstmals wieder zu, nachdem sie sich seit Ende 2020 kontinuierlich abgeschwächt hatte.

EY Spotlight NPL-Markt

90 %

der Befragten erwarten eine steigende NPL-Quote – ein deutliches Plus im Vergleich zum vierten Quartal 2021.

Inflation bremst Neukreditgeschäft

Vor dem Hintergrund der schwächeren Konjunktur und der hohen Inflation verdichten sich auch die Anzeichen für eine bevorstehende Trendwende am Kreditmarkt: Drei Viertel der befragten Bankmanager (75 Prozent) erwarten infolge der anhaltenden COVID-19-Pandemie und des Ukraine-Krieges in den kommenden zwölf Monaten eine rückläufige Kreditvergabe. Ende vergangenen Jahres waren es erst 27 Prozent.

Lediglich 11 Prozent sind der Ansicht, dass sich diese Faktoren nicht auf die Neukreditvergabe auswirken werden – dies sind deutlich weniger als in der vorherigen Umfrage (25 Prozent). Im Jahresverlauf 2021 hatte sich noch die Einschätzung verfestigt, dass die Pandemie die Neukreditvergabe nicht beeinflussen sollte.

Wohnimmobilienkredite zunehmend gefährdet

Unternehmensfinanzierungen (81 Prozent) und Verbraucherkredite (73 Prozent) sind aus Sicht der Branchenexperten besonders ausfallgefährdet. Außerdem legen die Befürchtungen vor möglichen Kreditausfällen bei Projektfinanzierungen (plus 29 Prozentpunkte) und angesichts des Zinsanstiegs auch bei Wohnimmobilienfinanzierungen (plus 17 Prozentpunkte) im Vergleich zur Vorgängerstudie besonders kräftig zu.

Analysten erwarten wieder zunehmende NPL-Transaktionen

Mit Blick auf die zunehmenden geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten sehen knapp 80 Prozent der Bankmanager die Zahl der NPL-Transaktionen in den kommenden 12 bis 18 Monaten weiter steigen. Zuletzt waren es erst 72 Prozent. Im zweiten Quartal 2021 rechneten noch 83 Prozent mit steigenden NPL-Transaktionen.

Angesichts dieser Entwicklungen planen derzeit 53 Prozent der Institute einen Risikotransfer – ein leichtes Plus gegenüber dem Jahresendquartal 2021 mit 51 Prozent. Ein Viertel präferiert dabei ein hauseigenes Work-out, gefolgt von einem Transfer über True Sale (15 Prozent).

Die meisten Banking Professionals sehen ihr Haus für die Übertragung von Kreditrisiken prozessual (66 Prozent) und personell (91 Prozent) gut aufgestellt. Dennoch haben erst 17 Prozent eine Exit-Readiness-Analyse durchgeführt oder implementieren diese gerade.

Banken schätzen Kriegsrisiken als verkraftbar ein

In der EY-Umfrage sehen sich 2 Prozent „stark“ und gut die Hälfte (51 Prozent) der Banking Professionals „wenig“ direkt oder indirekt von den bereits erhobenen Russland-Sanktionen betroffen. 47 Prozent der Bankmanager erklären, ihr Haus sei bislang nicht davon betroffen. 

EY Spotlight NPL-Markt

53 %

der Bankmanager sehen ihr Institut von den bereits erhobenen Russland-Sanktionen direkt oder indirekt betroffen.

Die deutliche Mehrheit (80 Prozent) fühlt sich gewappnet für die Folgen des Ukraine-Krieges. 36 Prozent geben an, sie sehen keinen weiteren Handlungsbedarf, um sich auf mögliche Auswirkungen vorzubereiten. Nur 7 Prozent wünschen sich eine weiterführende Unterstützung seitens der Behörden bei der Umsetzung von Sanktionen und beim Umgang mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges. Lediglich 29 Prozent haben bereits Maßnahmen ergriffen, um negative Auswirkungen durch den Ausschluss russischer Banken aus dem SWIFT-System abzufedern. Weitere 5 Prozent planen, dies zu tun.

Fazit

In der deutschen Finanzbranche wächst die Sorge vor Kreditausfällen infolge der Pandemie und des Ukraine-Krieges. Angesichts der geopolitischen und konjunkturellen Unsicherheiten, der anstehenden Tilgungen von Corona-Hilfsdarlehen und der Rekordinflation im Euroraum rechnet eine deutliche Mehrzahl der befragten Bankmanager mit steigenden Quoten von Non Performing Loans (NPL;  notleidende Kredite) in ihren Kreditvolumina. Kurz- bis mittelfristig erwarten etwas mehr Befragte einen Anstieg der NPL-Transaktionen. Darüber hinaus wollen die meisten deutschen Banken und Sparkassen im Neukreditgeschäft auf die Bremse treten: Drei Viertel der Befragten sehen die Neukreditvergabe in den kommenden zwölf Monaten sinken – eine Trendwende im Vergleich zum Jahresendquartal 2021.

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Von Tobias Stockstrom

Partner, EMEIA Financial Services - Strategy and Transactions - Restructuring, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

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