Unsere Vision ist, dass es deutlich einfacher wird: Daten werden auf den Quantencomputer geladen, über einen bestimmten Quantenalgorithmus erfolgt die Berechnung und schließlich werden die Daten zurück in die klassischen Systeme geführt und weiterverarbeitet.
Aber die Entwicklung geht auch hier weiter: Wir haben seitens IBM beispielsweise im Februar 2021 die sogenannte IBM Development Roadmap, die parallel zur Hardwareentwicklung läuft, veröffentlicht. Darin haben wir uns auf die Fahne geschrieben, dass wir den Zugang von Programmierern zum Quantencomputer und dessen Möglichkeiten wesentlich vereinfachen wollen. Wir sprechen immer von „Frictionless Computing“: Wir wollen das Abstraktionslevel so entwickeln, dass wir einen sogenannten „Modulentwicklerstatus“ haben. An der Schnittstelle zwischen den klassischen Problemen, bei denen wir Quantum Computing einsetzen können, und der Quantum-Technologie sollte nicht mehr so ein tiefgreifendes Wissen wie das eines Algorithmusentwicklers benötigt werden. Unsere Vision ist, dass es deutlich einfacher wird: Daten werden auf den Quantencomputer geladen, über einen bestimmten Quantenalgorithmus erfolgt die Berechnung und schließlich werden die Daten zurück in die klassischen Systeme geführt und weiterverarbeitet. Wir wollen es einfacher machen. Aktuell ist aber noch sehr viel Expertenwissen notwendig, um gute Fortschritte bei einem industriespezifischen Problem erzielen zu können.
Rosam: Vielen Dank, Stefan, für Deine Ausführungen. Das zeigt, dass in diesem Feld noch sehr viel Forschungsaufwand betrieben werden muss. Daher zum Schluss die Frage an euch beide: Wie sollten Banken und institutionelle Finanzdienstleister, zum Beispiel Versicherungen oder Asset Manager, sich auf das Thema Quantum Computing vorbereiten?
Hegemann: Unternehmen sollten sich intern fragen, bei welchen Problemen Quantencomputer eingesetzt werden könnten, bevor sie in die Theorie und dann auch in die Praxis eintauchen. Dabei sind besonders langlaufende Prozesse interessant oder Modelle, bei denen viele Annahmen oder Vereinfachungen getroffen werden, damit man sie überhaupt berechnen kann. Ein Beispiel hierfür ist die Tagesendverarbeitung eines Handelssystems. Hier sollte analysiert werden, welche Schritte die meiste Rechenzeit beanspruchen und damit Verzögerungen verursachen. Zum anderen könnte eine Risikoabteilung langlaufende Simulationen dahingehend untersuchen, ob und bei welchen Modellen stärkere Vereinfachungen getätigt werden können, um Reporting-Prozesse einzuhalten. Auch Monte-Carlo-Simulationen eignen sich meist für Quantenalgorithmen.
Unternehmen sollten sich intern fragen, bei welchen Problemen Quantencomputer eingesetzt werden könnten, bevor sie in die Theorie und dann auch in die Praxis eintauchen.
Es sollte eine Liste an potenziellen Anwendungsfällen erstellt werden, um diese dann zum Beispiel mit uns zu validieren, mögliche Speed-ups zu evaluieren sowie kleine Prototypen zu bauen und zu testen. Daraus können dann Hardwareanforderungen abgeleitet werden, um eine erste Einschätzung zu geben, in welcher Zeitspanne diese Anwendungsfälle in der Zukunft produktiv eingesetzt werden könnten. Hieraus lässt sich dann eine Strategie-Roadmap für die nächsten fünf bis zehn Jahre ableiten. Denn das ist das wichtigste Thema im Moment: Wie positioniere ich mich als Unternehmen strategisch zu diesem Thema?
Kister: Da schließe ich mich Dir auf jeden Fall an, Niklas. Das ist besonders hinsichtlich der fachlichen Themen relevant. Wir unterteilen die Bereiche, in denen Quantenalgorithmen nach heutiger Forschung gerade im Finanzsektor zukünftig Vorteile – den sogenannten „Quantum Advantage“ – ausspielen können, in drei Kategorien: Optimierung, Simulation und Machine Learning. Deshalb sollte man sich auf jeden Fall mit der Technologie auseinandersetzen und vorausschauend handeln, das heißt Kompetenzaufbau zu betreiben und die Mitarbeiter entsprechend auszubilden. Schon kleine, agil arbeitende Teams reichen aus und – wie bereits erwähnt wurde – sollte Intellectual Property (Geistiges Eigentum) aufgebaut und Research betrieben werden, um genauer zu analysieren, wo der Quantencomputer für die jeweilige Industrie wichtig sein könnte.
Auch wenn wir als IBM noch in der Research-getriebenen Phase sind, machen wir große Fortschritte. 2016 haben wir den ersten Quantencomputer für die Cloud mit 5 Qbits bei IBM angekündigt und 2023 wollen wir laut unserer Roadmap schon über 1.000 Qbits darstellen. Parallel dazu verfolgen wir die weitere Stakes-Entwicklung im Kernelbereich sowie in der Laufzeit und die Vereinfachung der Algorithmusnutzung für den Endverbraucher. Hier entwickelt sich unheimlich vieles unheimlich schnell. Daher empfehle ich auch, sich in die Analyse zu begeben und die ersten Schritte gemeinsam mit einem Startup wie JoS Quantum oder aber auch mit IBM zu gehen. So kann man erst einmal die freien Zugänge nutzen und sich ein Bild von unserem Open-Source-Softwareentwicklungskit Qiskit, machen.
Fazit
Quantum Computing ist zwar noch eine Nische, aber derzeit der Megatrend im Bereich Datenverarbeitung.
Quantencomputer verarbeiten Informationen in Form von Quantenbits (Qbits). Der Vorteil: Qbits können im Vergleich zu klassischen Bits viel mehr Informationen gleichzeitig repräsentieren. Damit können Qbits in jeder einzelnen Rechenoperation mehr Daten verarbeiten. Für eine Vielzahl praktisch relevanter Anwendungen ergeben sich drastisch beschleunigte Algorithmen. Sie ermöglichen es, Probleme anzugehen, die so komplex sind, dass sie bisher nur näherungsweise oder gar nicht lösbar waren.
Deshalb werden Quantencomputer als die Problemlöser der Zukunft gehandelt.