7 Minuten Lesezeit 28 März 2018
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Warum Familienunternehmen und Innovationen untrennbar miteinander verbunden sind

Von EY Global

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7 Minuten Lesezeit 28 März 2018

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Den Innovationsgeist ihrer Gründer am Leben zu erhalten hilft Familienunternehmen, erfolgreich zu sein. Was können wir von ihnen lernen?

Familienunternehmen, die über Generationen hinweg Erfolge verzeichnen, haben oft eine Unternehmenskultur, die von Innovation geprägt ist. So können sie in einer Welt, die sich rasch ändert, Schritt halten und Chancen nicht nur schaffen, sondern auch nutzen.

„Innovationsgeist“ lässt sich nur schwer messen. Es gibt jedoch drei Schlüsselelemente, die erfolgreiche Familienunternehmen verbinden. Von ihnen könnten auch Unternehmen, die nicht familiengeführt sind, profitieren:

  • Unternehmergeist ist Teil der Unternehmenskultur: Das beginnt ganz am Anfang, wenn Tüftler und Modernisierer Familienunternehmen gründen, um neue Ideen und fortschrittliche Erfindungen in nachhaltigen Geschäftserfolg zu verwandeln. Zwei Beispiele sind der Däne Mads Clausen von Danfoss, der in den 1930er-Jahren Ventile und andere Komponenten für Kühlschränke entwarf, und Bill Gallagher aus Neuseeland, der einen neuartigen elektrischen Zaun für Viehbetriebe entwickelte.
  • Um innovativ zu sein, reichen Ideen und Erfindungen allein jedoch nicht aus. Es ist außerdem wichtig, auf Marktveränderungen zu reagieren sowie Veränderungen und Chancen offen gegenüberzustehen. Die erfolgreichsten Familienunternehmen gehen nicht immer den Weg des geringsten Widerstandes. Sie verfolgen frische, neue Ideen und suchen nach Marktlücken, die sie für sich nutzen können.
  • Eine für Familienunternehmen wichtige Qualität ist die Fähigkeit, schnell zu reagieren. Wichtig ist jedoch auch ein längerfristiges Denken mit Investitionen in Forschung und Entwicklung. Innovation ist häufig mit Widerständen verbunden. Unternehmen müssen mit Rückschlägen und Fehlentwicklungen rechnen. Bei der Investition von Zeit und Geld sind deshalb Geduld und Ausdauer gefragt. Genau diese Geduld unterscheidet Familienunternehmen oft von anderen.

Für unser Family Business Yearbook 2017 haben wir mit einigen der weltweit erfolgreichsten Familienunternehmen gesprochen. Wie schaffen es diese Unternehmen, den Geist der Erneuerung aufrecht zu erhalten?

1. Unternehmergeist

Die gewachsene Unternehmenskultur kann ein Wettbewerbsvorteil für Familienunternehmen sein. Davon ist auch Georges Bougaud, Chef der kolumbianischen Kosmetikfirma Recamier, überzeugt: „Als Familie können wir schnelle Entscheidungen treffen und Innovationen selbstbewusst vorantreiben.“

Guido Vanherpe, CEO der La Lorraine Bakery Group, bestätigt das: „Unternehmergeist und Innovation gehen Hand in Hand. Das eine ohne das andere gibt es nicht.“

In vielen jungen Unternehmen ist Unternehmergeist die treibende Kraft. Ihn langfristig zu einem Teil der Unternehmenskultur zu machen, kann jedoch eine große Herausforderung sein.

Gerade in diesem Bereich können Familienunternehmen im Vorteil sein, da die folgenden Generationen in der Familie schon früh von einer Kultur des unternehmerischen Denkens umgeben sind.

Der beste Beweis dafür ist Vesa Mäenpää, heute kaufmännischer Leiter des finnischen Handelsunternehmens Tammer-Tukku. „Seit meinem siebten Lebensjahr arbeite ich im Unternehmen mit. Mein erster Job war die Reinigung des Lagers. Von da an arbeitete ich abends und an Wochenenden im Familienbetrieb, bis ich schließlich in Vollzeit für die Firma tätig wurde.“

Ähnlich war es bei Trisha Lemery von Winsert, Familienmitglied der dritten Generation und CEO von Winsert, einem Unternehmen, das sich auf Metalllegierungen spezialisiert hat. Bereits als sie noch zur Schule und später zur Universität ging, arbeitete sie als Teilzeitkraft in der Produktion.

Viele Mitglieder von Unternehmerfamilien wachsen in unmittelbarer Nähe des Unternehmens auf. Sie erleben Unternehmergeist hautnah und bauen so eine emotionale Verbindung zum Betrieb auf. Oft sehen sie es als ihre Pflicht, die Werte des Gründers zu wahren.

Schon früh lernen sie das Unternehmen kennen und kommen dadurch oft auf neue, frische Ideen. Gleichzeitig entwickeln sie den Mut und die Motivation, die nötig sind, um diese neuen Ideen auch umzusetzen.

Peter Rejlers vom schwedischen IT-Dienstleister Rejlers meint: „Man darf keine Angst davor haben, etwas zu tun, an das man glaubt. Man muss alles daransetzen und einfach alles geben.“ Rejlers glaubt an Energieeffizienz und Nachhaltigkeit und genau in diesem Bereich bringt sein Unternehmen laufend neue Innovationen auf den Markt.

2. Offenheit für Veränderungen

Für Innovation muss man offen sein – das heißt, man muss Kunden und Lieferanten zuhören und ihre Beobachtungen einfließen lassen.

Robyn Eddy vom kanadischen Bauunternehmen Eddy Group bringt es auf den Punkt: „Wir passen unsere Prozesse ständig an und stellen so sicher, dass wir stets flexibel auf die Bedürfnisse unserer Lieferanten und Kunden eingehen können. Beziehungen sind für uns das A und O. Für Veränderungen in diesen Beziehungen müssen wir empfänglich sein.“

Offenheit braucht es auch, um das volle Potenzial neuer Technologien zu nutzen. Davon ist Ana Maria Igel vom brasilianischen Energieunternehmen Ultrapar fest überzeugt: „Innovation ist die Basis“, sagt sie. Unser Unternehmen ist immer auf der Suche nach neuen Technologien, vor allem im IT-Bereich.“

„Ohne Innovation könnten wir im weltweiten Wettbewerb nicht standhalten“, meint Barbara Strašek Mirnik von KLS Ljubno, einem slowenischen Hersteller für Antriebskomponenten. „Wir konzentrieren uns auf Produktentwicklung, Prozessinnovation und die Erneuerung unseres Geschäftsmodells. So werden wir Veränderungen am Markt gerecht und halten Produktion und IT stets auf dem neuesten Stand.“

Franci Bevci von KLS Ljubno bei der Arbeit

Die deutsche Firma Dachser optimierte ihr Unternehmen schon früh mithilfe von IT-Lösungen und wurde so zum Pionier in der Implementierung neuester Technologien in der Logistik.

Auch John Honan vom australischen Agrarunternehmen Manildra hält es für unabdingbar, auf Veränderungen am Markt zu reagieren. „Mit unserem Fokus auf Innovation und Nachhaltigkeit in der australischen Fertigungs- und Agrarindustrie haben wir uns global ausgerichtet“, meint er. „Laufende Innovationen waren dabei nicht nur ein Wettbewerbsvorteil, sondern auch notwendig, um den immer neuen Anforderungen des Exportmarktes gerecht zu werden.“

3. Forschung und Entwicklung stärken

Eine der Stärken vieler erfolgreicher Familienunternehmen ist ihre Bereitschaft, in Innovation zu investieren. Manche Unternehmen verpflichten sich informell dazu, andere wiederum – wie zum Beispiel die Schweizer Schurter Gruppe – machen diese Investitionen zum festen Teil der Unternehmensführung.

„Ich habe die Zustimmung der gesamten Familie dafür eingeholt, dass jährlich ein bestimmter Teil der Unternehmensumsätze für Innovation beiseitegelegt wird. Innovation muss Teil der Satzung unseres Unternehmens sein“, sagt CEO und Verwaltungsratspräsident Hans-Rudolf Schurter. „Ich würde sogar sagen, dass es der wichtigste Teil unserer Satzung ist. Wenn wir uns Innovation nicht mehr leisten können, werden wir vom Markt verschwinden.“

Auf Investitionen in Forschung und Entwicklung (F & E) setzt auch Anton Paar, ein österreichischer Hersteller von Präzisionsgeräten. Wie die Schurter Gruppe hat auch Anton Paar die verpflichtende Finanzierung des Innovationsbereichs in seiner Unternehmenssatzung festgehalten.

Die Firma steckt 20 Prozent der jährlichen Einnahmen in Forschung und Entwicklung. „Die Forschung ist der Motor unseres Unternehmens und sichert uns einen technologischen Vorteil“, sagt CEO Friedrich Santner.

Möglich sind solch hohe Investitionen, weil die Anton Paar GmbH Eigentum einer Stiftung ist. „Dank unserer Struktur“, erklärt Friedrich Santner, „fließen alle Gewinne zurück ins Unternehmen. Es gibt keine Gesellschafter oder Aktionäre, an die wir Gewinne ausschütten und die uns verbieten könnten, einen so hohen Anteil in Forschung und Entwicklung zu investieren.“

Ähnlich sieht das Sir William Gallagher, der die neuseeländische Gallagher Group in zweiter Generation führt. Sir William glaubt, dass die hohen Investitionen der Gallagher Group nur möglich sind, weil das Unternehmen privat geführt wird. „Aktiengesellschaften würden Investitionen in dieser Höhe nicht erlauben“, sagt er. Sein Unternehmen beschäftigt aktuell 120 F & E-Experten, die helfen, die langjährige Tradition der Innovation fortzuführen und der Konkurrenz auch in Zukunft einen Schritt voraus zu sein.

Frau untersucht Motherboard in der Produktionsstätte von Gallagher

Viele andere Führungskräfte, die wir für das Family Business Yearbook 2017 befragt haben, bestätigten, wie wichtig Innovation in ihren Unternehmen ist.

Trisha Lemery erzählte, wie die Abteilung Forschung und Entwicklung von Winsert in einem Einpersonenbüro ihren Anfang nahm. Heute findet man die zwölf F & E-Mitarbeiter und deren Chef, einen bekannten Metallurgen, in einem neuen, eigens erbauten, fast 1.000 Quadratmeter großen Gebäude.

„Das ist der Grund, warum Winsert immer noch zu den Besten der Welt zählt“, sagt sie. „Innovation ist zu unserer Kernkompetenz geworden.“

Trisha Lemery, CEO von Winsert Inc., in den Räumlichkeiten der Firma

Die Verbindung zwischen F & E und Innovation ist für Denis Lambert vom französischen Familienunternehmen LDC  ganz klar. Für ihn ist Innovation seit jeher Teil der Unternehmens-DNA.

LDC hat ein 100-köpfiges F & E-Team, das jährlich 1 Prozent der Unternehmensumsätze erhält. Das Resultat: LDC generiert 30 Prozent der Unternehmensumsätze mit Produkten, die es vor fünf Jahren noch nicht gab.

Die Tradition am Leben erhalten

Leonard Lauder von Estée Lauderhat auf die Bedürfnisse seiner Kunden mit innovativen Verkaufsaktionen und Marketingkampagnen reagiert. Unter seiner Führung brachte das Unternehmen die weltbekannten Marken Aramis, Clinique und Origins auf den Markt.

Jørgen Clausen, der Enkel von Danfoss-Unternehmensgründer Mads Clausen, spricht beim Thema Unternehmenskultur vom „Mann auf dem Mond“-Konzept: Innovationen führten zur ersten Mondlandung, ohne akribische Planung wäre sie jedoch undenkbar gewesen.

„Wir sollten mit Innovation Risiken eingehen, jedoch nicht leichtsinnig werden“, meint er. „Verrückte Ideen sind in Ordnung, solange sie machbar sind.“

Dieser Realismus bringt innovative Produkte und Dienstleistungen hervor, die Kunden gerne kaufen.

Für die vielen Familienunternehmen, mit denen wir für unser Family Business Yearbook 2017 gesprochen haben, ist Innovation eine Möglichkeit, den Unternehmergeist ihres Gründers auch in nachfolgenden Generationen zu erhalten.

Wichtig ist zudem, Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten zuzuhören, auf neue Märkte und Technologien zu reagieren und in Forschung und Entwicklung sowie kreative Ideen zu investieren.

Nur so können Familienunternehmen die innovativen Strategien, Produkte und Services hervorbringen, die es ihnen ermöglichen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Indem sie sich an erfolgreichen, innovativen Familienunternehmen ein Beispiel nehmen, können auch nicht familiengeführte Unternehmen von dieser Art der gelebten Innovation profitieren.

Fazit

Gelebter Unternehmergeist, Offenheit gegenüber Veränderungen und laufende Investitionen in F & E machen Familienunternehmen zu einer treibenden Kraft für Innovation.

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