Das Umdenken der Mitarbeiter ist eine große Herausforderung. Nur wenn ich alle Betroffenen mitnehme, schaffe ich die digitale Transformation.
Wo liegen aus Ihrer Erfahrung die größten Schwierigkeiten bei der digitalen Transformation?
Viele Unternehmen sind ja heute schon in der einen oder anderen Art und Weise digital unterwegs. Trotzdem stehen viele von ihnen vor der Frage, wie sie ihre digitalen Erfahrungen und innovativen Ideen sinnvoll in andere Unternehmensbereiche übertragen können oder – falls sie noch nicht so weit sind – wo sie überhaupt beginnen sollen. Eine andere, große Herausforderung ist das Umdenken der Mitarbeiter. Nur wenn ich alle Betroffenen mitnehme, schaffe ich die digitale Transformation.
Eine letzte große Herausforderung besteht darin, sich bei der Digitalisierung konsequent daran zu orientieren, welchen Nutzen sie fürs Unternehmen bringt und vor allen Dingen, was der Kunde will. Dafür muss ich auch einmal den Mut zum Scheitern haben, Ideen verwerfen können und wieder von vorne anfangen. Es geht nicht darum, sofort eine 150-Prozent-Lösung zu schaffen, die Jahre dauert. Es geht darum, zu beginnen und mit dem Kunden gemeinsam eine Lösung zu entwickeln, die ihm wirklich hilft und somit zukünftigen Umsatz generiert und sichert. Digitalisierung ist kein kreativer Selbstzweck, sondern sie dient dazu, das Wachstum voranzubringen und effizienter zu werden.
Einige Unternehmen sind schon relativ weit mit der Digitalisierung, andere stehen noch am Anfang. Wird die Zeit knapp?
Das hängt von der Branche ab. Im Maschinenbau oder in der Konsumgüterindustrie herrscht aktuell noch nicht der gleiche immense Druck, sich mit disruptiven Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen – wie beispielsweise in der Medien-, Telekommunikations-, Finanz- oder Reisebranche. Deren Geschäftsmodelle unterliegen bereits seit geraumer Zeit einem radikalen Wandel oder sind sogar schon überholt – wie das Aus vieler Zeitungen, Sparkassen- und Bankfilialen oder auch Reisebüros zeigt.
Trotzdem rate ich jedem Unternehmen, sich so schnell wie möglich die Potenziale und auch die Risiken anzuschauen, die die digitalen Technologien für seine Branche, sein Geschäftsmodell und seine Unternehmensprozesse bereithalten. Das Schlimmste wäre, nichts zu tun und passiv abzuwarten.
Wo sollte ein Mittelständler ansetzen, um die digitale Transformation erfolgreich zu schaffen?
Er sollte eine Bestandsaufnahme vornehmen und sich fragen: Wo stehe ich und wo will ich hin? Welche digitalen Möglichkeiten kann ich beispielsweise im Finanzbereich, im Vertrieb oder im Marketing einsetzen, um besser zu werden? Wie tragfähig und vor allem wie zukunftsfähig ist mein aktuelles Geschäftsmodell?
Wir haben ein Readyness-Assessment entwickelt, auf dessen Basis wir für das Unternehmen eine digitale Roadmap entwickeln.
Dann sollte er mit einigen kleinen digitalen Leuchtturm-Projekten beginnen, am besten im Bereich des ersten Horizonts, in dem es um die Verbesserung der Unternehmensprozesse geht. Hier lassen sich die schnellsten fassbaren Erfolge erzielen, mit denen auch die Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistert werden können.
Sie haben ein spezielles Angebot für den Mittelstand entwickelt, mit dem Sie ihn bei der digitalen Transformation unterstützen. Welche Vorteile haben die Unternehmen?
Wir haben für den Mittelstand ein digitales Readyness-Assessment entwickelt. Hierbei analysieren wir innerhalb kürzester Zeit das Unternehmen und schauen, wo es steht und wo es am sinnvollsten ist, zu digitalisieren. Auf dieser Basis entwickeln wir dann eine digitale Roadmap, die Schritt für Schritt festlegt, welche digitalen Themen wann angegangen werden sollten.
Mit dieser Roadmap hat das Unternehmen einen sicheren Fahrplan für die digitale Transformation, mit dem es auch die Fortschritte skalieren kann. Darüber hinaus begleiten wir das Unternehmen beim Kulturwandel, der mit der Digitalisierung einhergeht. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit dem Mittelständler eine Digitalstrategie zu entwickeln und auch umzusetzen, die sein Wachstum nachhaltig voranbringt und sichert.
Fazit
Im Interview erläutert Stephan Biallas, Partner bei EY, sein Drei-Horizonte-Prinzip, das sich auf mittelständische Unternehmen und deren digitale Transformation übertragen lässt. Es bildet die Grundlage einer Roadmap, die Firmen durch diesen Prozess begleitet und am Ende nachhaltiges Wachstum sichert.