5 Minuten Lesezeit 6 Mai 2019
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Wie kann die digitale Transformation gelingen?

Von EY Deutschland

Building a better working world

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5 Minuten Lesezeit 6 Mai 2019

Die Digitalisierung im Mittelstand ist unterschiedlich weit fortgeschritten. Stephan Biallas gibt Tipps, was man besser machen kann. 

Was steckt hinter dem Buzz-Word „Digitalisierung“? Und wo sollte ein Mittelständler am besten ansetzen, wenn er sich auf die digitale Reise macht? Im Interview spricht Stephan Biallas, Partner bei EY, über die „drei Horizonte“ der Digitalisierung, gewollte Disruption und die notwendige digitale Roadmap.

EY: Alle Welt redet von Digitalisierung. Was verbirgt sich hinter diesem Buzz-Word?

Stephan Biallas: Digitalisierung ist in der Tat ein Buzz-Word, unter dem jeder etwas anderes versteht. Das ist nicht verwunderlich. Je nachdem, wie und wofür ich „Digitalisierung“ einsetze, kann ich damit ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Und damit ändert sich jedes Mal auch das Verständnis davon, was Digitalisierung für ein Unternehmen bedeutet. Allerdings lassen sich drei grundsätzliche Horizonte der Digitalisierung unterscheiden. Wenn man dieser Struktur folgt, kommt Licht ins Dunkel.

Was sind diese drei wichtigsten Horizonte der Digitalisierung?

Im ersten Horizont geht es darum, die Effizienz und Sicherheit der Unternehmensprozesse zu erhöhen. Im zweiten Horizont geht es darum, mit Hilfe digitaler Technologien das bestehende Geschäftsmodell sowie die aktuellen Produkte und Services zu erweitern, beispielsweise indem ich neue, digital basierte Services anbiete.

Im dritten Horizont schließlich setze ich die Digitalisierung dazu ein, um mein bestehendes Geschäftsmodell radikal umzubauen bzw. ein neues Geschäftsmodell aufzusetzen. So könnte sich beispielsweise ein Fahrzeughersteller zu einem Mobilitätsanbieter disruptieren: Aus seinem ehemals analogen und anlagenbasierten würde er jetzt ein digitales und servicebasiertes Geschäftsmodell machen.

Welche Bereiche sollte ein Mittelständler zuerst digitalisieren?

Meines Erachtens sollte er sich zunächst damit beschäftigen, was das Thema Digitalisierung für sein Unternehmen bedeutet. Dazu sollte er eine digitale Roadmap entwickeln, die alle drei Horizonte umfasst und sein digitaler Fahrplan für die nächsten drei bis fünf Jahre ist. Aufgrund des schnellen technologischen Wandels sollte der Mittelständler diese Roadmap aber kontinuierlich auf den Prüfstand stellen.

Viele Mittelständler legen dabei ihren Fokus zunächst auf den ersten Horizont, das heißt, sie digitalisieren ihre Wertschöpfungskette, um damit die Effizienz ihrer internen Unternehmens- und Produktionsprozesse zu steigern. Den daraus freigesetzten Cashflow können sie dann darin investieren, das bestehende Geschäftsmodell zu erweitern oder sogar radikal umzubauen. Der Mittelständler würde also in dem von mir sogenannten „ersten Horizont“ starten, um dann den zweiten und eventuell auch den dritten Horizont der Digitalisierung in Angriff zu nehmen.

Das Umdenken der Mitarbeiter ist eine große Herausforderung. Nur wenn ich alle Betroffenen mitnehme, schaffe ich die digitale Transformation.

Wo liegen aus Ihrer Erfahrung die größten Schwierigkeiten bei der digitalen Transformation?

Viele Unternehmen sind ja heute schon in der einen oder anderen Art und Weise digital unterwegs. Trotzdem stehen viele von ihnen vor der Frage, wie sie ihre digitalen Erfahrungen und innovativen Ideen sinnvoll in andere Unternehmensbereiche übertragen können oder – falls sie noch nicht so weit sind – wo sie überhaupt beginnen sollen. Eine andere, große Herausforderung ist das Umdenken der Mitarbeiter. Nur wenn ich alle Betroffenen mitnehme, schaffe ich die digitale Transformation.

Eine letzte große Herausforderung besteht darin, sich bei der Digitalisierung konsequent daran zu orientieren, welchen Nutzen sie fürs Unternehmen bringt und vor allen Dingen, was der Kunde will. Dafür muss ich auch einmal den Mut zum Scheitern haben, Ideen verwerfen können und wieder von vorne anfangen. Es geht nicht darum, sofort eine 150-Prozent-Lösung zu schaffen, die Jahre dauert. Es geht darum, zu beginnen und mit dem Kunden gemeinsam eine Lösung zu entwickeln, die ihm wirklich hilft und somit zukünftigen Umsatz generiert und sichert. Digitalisierung ist kein kreativer Selbstzweck, sondern sie dient dazu, das Wachstum voranzubringen und effizienter zu werden.

Einige Unternehmen sind schon relativ weit mit der Digitalisierung, andere stehen noch am Anfang. Wird die Zeit knapp?

Das hängt von der Branche ab. Im Maschinenbau oder in der Konsumgüterindustrie herrscht aktuell noch nicht der gleiche immense Druck, sich mit disruptiven Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen – wie beispielsweise in der Medien-, Telekommunikations-, Finanz- oder Reisebranche. Deren Geschäftsmodelle unterliegen bereits seit geraumer Zeit einem radikalen Wandel oder sind sogar schon überholt – wie das Aus vieler Zeitungen, Sparkassen- und Bankfilialen oder auch Reisebüros zeigt.

Trotzdem rate ich jedem Unternehmen, sich so schnell wie möglich die Potenziale und auch die Risiken anzuschauen, die die digitalen Technologien für seine Branche, sein Geschäftsmodell und seine Unternehmensprozesse bereithalten. Das Schlimmste wäre, nichts zu tun und passiv abzuwarten.

Wo sollte ein Mittelständler ansetzen, um die digitale Transformation erfolgreich zu schaffen?

Er sollte eine Bestandsaufnahme vornehmen und sich fragen: Wo stehe ich und wo will ich hin? Welche digitalen Möglichkeiten kann ich beispielsweise im Finanzbereich, im Vertrieb oder im Marketing einsetzen, um besser zu werden? Wie tragfähig und vor allem wie zukunftsfähig ist mein aktuelles Geschäftsmodell?

Wir haben ein Readyness-Assessment entwickelt, auf dessen Basis wir für das Unternehmen eine digitale Roadmap entwickeln.

Dann sollte er mit einigen kleinen digitalen Leuchtturm-Projekten beginnen, am besten im Bereich des ersten Horizonts, in dem es um die Verbesserung der Unternehmensprozesse geht. Hier lassen sich die schnellsten fassbaren Erfolge erzielen, mit denen auch die Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistert werden können.

Sie haben ein spezielles Angebot für den Mittelstand entwickelt, mit dem Sie ihn bei der digitalen Transformation unterstützen. Welche Vorteile haben die Unternehmen?

Wir haben für den Mittelstand ein digitales Readyness-Assessment entwickelt. Hierbei analysieren wir innerhalb kürzester Zeit das Unternehmen und schauen, wo es steht und wo es am sinnvollsten ist, zu digitalisieren. Auf dieser Basis entwickeln wir dann eine digitale Roadmap, die Schritt für Schritt festlegt, welche digitalen Themen wann angegangen werden sollten.

Mit dieser Roadmap hat das Unternehmen einen sicheren Fahrplan für die digitale Transformation, mit dem es auch die Fortschritte skalieren kann. Darüber hinaus begleiten wir das Unternehmen beim Kulturwandel, der mit der Digitalisierung einhergeht. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit dem Mittelständler eine Digitalstrategie zu entwickeln und auch umzusetzen, die sein Wachstum nachhaltig voranbringt und sichert. 

Fazit

Im Interview erläutert Stephan Biallas, Partner bei EY, sein Drei-Horizonte-Prinzip, das sich auf mittelständische Unternehmen und deren digitale Transformation übertragen lässt. Es bildet die Grundlage einer Roadmap, die Firmen durch diesen Prozess begleitet und am Ende nachhaltiges Wachstum sichert.

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