Eine weibliche Führungskraft diskutiert mit Kollegen

Zweites Führungspositionengesetz: Was Unternehmen jetzt wissen müssen

Mit weiteren Vorgaben für die Wirtschaft und den öffentlichen Sektor soll das Gesetz den Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöhen.


Überblick

  • Die Neuregelungen des FüPoG II mit erweiterten Vorgaben zur Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen wurden am 11. Juni 2021 im Bundestag verabschiedet, am 25. Juni 2021 vom Bundesrat gebilligt und am 11. August 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet.
  • Das Gesetz enthält gesonderte Regelungen für die Privatwirtschaft, Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes, Körperschaften im Bereich der Sozialversicherung sowie für den öffentlichen Dienst.
  • Für die Privatwirtschaft sieht das FüPoG II erstmals verbindliche Vorgaben für mehr Frauen in Vorständen, eine Begründungspflicht bei der Festlegung von 0-Prozent-Zielgrößen sowie die Möglichkeit einer Mandatsstilllegung von Vorstandsmitgliedern wegen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit oder Pflege eines Familienangehörigen vor.

Das Bundeskabinett hat am 6. Januar 2021 den Gesetzentwurf zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionengesetz – FüPoG II) beschlossen. 

Aus Sicht des Gesetzgebers haben die Maßnahmen des FüPoG I aus dem Jahr 2015 nicht die erhofften Effekte erzielt. Auf Vorstandsebene sind Frauen noch immer stark unterrepräsentiert. Ziel des FüPoG II ist es daher, den Anteil von Frauen in Führungspositionen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor weiter zu erhöhen, um damit die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern zu erreichen. Das FüPoG II sieht gesonderte Regelungen für die Privatwirtschaft, für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes, für Körperschaften im Bereich der Sozialversicherung und für den öffentlichen Dienst vor. 

Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 den Regierungsentwurf auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit einer wesentlichen inhaltlichen Erweiterung gegenüber dem Referentenentwurf verabschiedet. Neu hinzugekommen ist die Möglichkeit der Mandatsstilllegung für Vorstandsmitglieder aufgrund von Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit oder Pflege eines Familienangehörigen. Der Bundesrat hat das Gesetz am 25. Juni gebilligt, die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 11. August, am 12. August 2021 ist es in Kraft getreten. Im Folgenden werden die wesentlichen Neuerungen des FüPoG II dargestellt.

Neuerungen für die Privatwirtschaft

Mindestbeteiligungsgebot

Sofern der Vorstand eines börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmens aus mehr als drei Mitgliedern besteht, muss er künftig nach § 76 Abs. 3a AktG n. F. verpflichtend mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt werden (Mindestbeteiligungsgebot). 

 

DAX
Anteil paritätisch mitbestimmter Gesellschaften mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern im DAX 40 (Stand September 2021)

Solange der Vorstand bislang kein weibliches Mitglied hat, kann nach Ablauf einer Übergangsfrist von zwölf Monaten nach Inkrafttreten des FüPoG II (Stichtag: 1. August 2022) nur eine Frau wirksam als Vorstandsmitglied bestellt werden, wenn mit der Bestellung der Vorstand aus mehr als drei Mitgliedern besteht. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um die Wiederbesetzung eines bestehenden Vorstandspostens oder um die Besetzung eines neu geschaffenen Vorstandsressorts handelt. Bestehende Mandate können bis zum Ablauf der jeweiligen Vorstandsbestellung bestehen bleiben. Wann in den jeweiligen Unternehmen die Neubesetzung unter Berücksichtigung des Mindestbeteiligungsgebots ansteht, ist demnach eine Einzelfallbetrachtung.

DAX
Anteil paritätisch mitbestimmter Gesellschaften mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern und keinem weiblichen Vorstandsmitglied im DAX 40 (Stand September 2021)

Die Bestellung von Vorstandsmitgliedern ist stets nichtig, wenn die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Hierzu zählen auch die neuen Anforderungen zur Besetzung mit mindestens einer Frau und einem Mann, vgl. § 76 Abs. 3a Satz 2 AktG n. F. In diesen Fällen bleibt die entsprechende Vorstandsposition (rechtlich) unbesetzt.  

Unverändert bleiben die Pflicht zur Einhaltung der Geschlechterquote im Aufsichtsrat nach §§ 96 Abs. 2, 3 AktG von 30 Prozent für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen sowie die Festlegung von (selbstbestimmten) Zielgrößen nach §§ 111 Abs. 5, 76 Abs. 4 AktG n. F. für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand sowie den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands in allen börsennotierten oder (paritätisch/drittelparitätisch) mitbestimmten Unternehmen nach DrittelbG bzw. MitbestG – soweit keine strengeren Anforderungen zu beachten sind.

Relative vs. absolute Angaben bei der Festlegung von Zielgrößen

Bei der Festlegung der (selbstbestimmten) Zielgrößen haben Aufsichtsrat und Vorstand mit Inkrafttreten des FüPoG II nun zu beachten, dass der angestrebte Frauenanteil beschrieben wird und bei einer relativen Angabe die Zielgrößen in Prozent jeweils einer vollen Personenzahl entsprechen. Anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen ist keine zwingende Doppelangabe einer absoluten und relativen Zielgröße erforderlich. Die Neuregelung soll insbesondere die Zielgröße null verhindern. So ist es künftig unzulässig, den angestrebten Frauenanteil als eine Prozentangabe größer als null festzulegen, die nach mathematischem Abrunden de facto zu einer Festlegung einer angestrebten Frauenanzahl von null führt. Diese Formulierung findet sich analog auch für Leitungs- und Überwachungsgremien von GmbH und Genossenschaft: vgl. §§ 76 Abs. 4 Satz 2, 111 Abs. 5 Satz 2 AktG n. F., §§ 36 Satz 2, 52 Abs. 2 Satz 2 GmbHG n. F. sowie §§ 9 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GenG n. F.

Erweiterte Berichtspflichten im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung

Die seit dem FüPoG I bestehenden Berichtspflichten im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung werden für nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahre um neue Anforderungen ergänzt. 

Mindestbeteiligungsgebot

Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte AGs und SEs, die mindestens eine Frau und mindestens einen Mann als Vorstandsmitglied bestellen müssen, haben gem. § 289f Abs. 2 Nr. 5a HGB in der Erklärung zur Unternehmensführung anzugeben, ob die Gesellschaft im Bezugszeitraum das Mindestbeteiligungsgebot eingehalten hat, und wenn nicht, die Gründe hierfür zu nennen. Über § 289f Abs. 3 HGB gilt diese Vorschrift auch für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte KGaAs.

Null-Zielgröße

Mit Inkrafttreten des FüPoG II muss die Festlegung einer Zielgröße von null begründet werden (§§ 289f Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4 HGB n. F.). Eine Zielgröße von null bleibt – unter Beachtung des Verschlechterungsgebots des FüPoG I – grundsätzlich weiterhin zulässig, soll allerdings nach Meinung des Gesetzgebers die absolute Ausnahme darstellen. Die Begründung einer Null-Zielgröße kann in Umfang und Detaillierungsgrad variieren, soll aber der interessierten Öffentlichkeit verständlich machen, dass sich Vorstand und/oder Aufsichtsrat sorgfältig mit der Festlegung befasst und Möglichkeiten abgewogen haben. Die Gesetzesbegründung führt aus, dass die Begründung in der jährlichen Berichterstattung erkennen lassen muss, welche Umstände Vorstand bzw. Aufsichtsrat gewürdigt haben und wie sie gewichtet wurden. Eine Darlegung im Umfang von 100 bis 150 Wörtern sei hierfür im Regelfall ausreichend. Es wird ferner angeregt, in der Begründung Bezug auf die Personalstruktur und -strategie, Maßnahmen zur Personalgewinnung und die Beteiligung von Personalvertretern, insbesondere aus dem Bereich Gleichstellung, zu nehmen und/oder die Null-Zielgröße in das Gesamtkonzept der Frauenförderung im Unternehmen einzuordnen. Entsprechende Angaben sind jedoch optional und sollen lediglich als Hilfestellung dienen.

Sanktionen

Um den Regelungen Nachdruck zu verleihen, wird der Sanktionsmechanismus bei Verletzung von Berichtspflichten im Zusammenhang mit der Festlegung von Zielgrößen verschärft und wirksamer gestaltet. Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft, die unvollständige oder fehlerhafte Angaben in der Erklärung zur Unternehmensführung machen, handeln nach § 334 Abs. 1 HGB n. F. ordnungswidrig und müssen ab nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahre mit einem Bußgeld rechnen. Unvollständige oder fehlerhafte Angaben liegen etwa vor, wenn keine Zielgrößen festgelegt (und dann nicht veröffentlicht) wurden oder bei der Zielgröße null keine Begründung angegeben wird.


#stayonboard

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat zudem die außerparlamentarische Initiative #stayonboard aufgegriffen und eine Empfehlung zur Aufnahme eines vorübergehenden Widerrufs der Bestellung eines Vorstandsmitglieds formuliert. Der Bundestag hat diese Neuregelung in das finale Gesetz übernommen. Auf Antrag kann nach § 84 Abs. 3 AktG n. F. nun ein Vorstandsmitglied eines Unternehmens mit einem mit mehreren Personen besetzten Vorstand ungeachtet der Börsennotierung oder der Anwendbarkeit der Mitbestimmung den Aufsichtsrat um Widerruf der Bestellung ersuchen, wenn es wegen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit oder Pflege eines Familienangehörigen den mit Bestellung einhergehenden Pflichten nicht mehr nachkommen kann. Im Falle von Mutterschutz hat der Aufsichtsrat dem Verlangen nachzugeben und eine Wiederbestellung nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfristen zu garantieren. In den übrigen Fällen können ein Widerruf und eine gesicherte Wiederbestellung nach bis zu drei Monaten erfolgen. Eine Ausweitung der „Auszeit“ auf bis zu zwölf Monate ist nach dem Ermessen der Gründe durch den Aufsichtsrat möglich. Der Aufsichtsrat darf den Antrag auf Widerruf durch das Vorstandsmitglied nur aus wichtigem Grund verweigern. Der Zeitraum der Mandatsstilllegung hat dabei keine Auswirkungen auf das Ende der ursprünglich vereinbarten Amtszeit. Gleiches gilt für die Rechtsformen GmbH und SE (§ 40 Abs. 6 SEAG n. F., § 38 Abs. 3 GmbHG n. F.).

Während der „Auszeit“ gelten die gesetzlichen und satzungsmäßigen Anforderungen an die Mindestzahl an Vorstandsmitgliedern weiterhin als erfüllt (§ 84 Abs. 3 Satz 6 f. AktG n. F.), sofern diese Vorgaben ohne den Widerruf eingehalten wären. Auch das Beteiligungsgebot von mindestens einem weiblichem und einem männlichen Vorstandsmitglied nach §§ 76 Abs. 3a, 393a Abs. 2 Nr. 1 AktG n. F. findet keine Anwendung, sofern es ohne Widerruf erfüllt wäre (§ 84 Abs. 3 Satz 8 AktG n. F.).

Änderungen für den öffentlichen Sektor

Fazit

Das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) ist am 12. August in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist die weitere Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft sowie im Einflussbereich des Bundes und der öffentlichen Verwaltung. Im Fokus der Neuregelung stehen eine Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen, die Erhöhung der Barrieren für die Festlegung von Null-Zielgrößen durch eine Begründungspflicht sowie die Möglichkeit einer Mandatsstilllegung von Vorstandsmitgliedern wegen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit oder Pflege eines Familienangehörigen.

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