Bei einem komplexen Schnittstellenthema wie der Dekarbonisierung müssen Unternehmen nicht nur viele Mitarbeitende weiterbilden, es braucht auch andere Ansätze. Wie steht es um das nötige Bewusstsein dafür in den Unternehmen?
Florian Huber: Das Bewusstsein ist auf jeden Fall vorhanden. Wir sehen, dass der Transformationsdruck für Unternehmen immer größer wird und dass immer mehr Unternehmen erkennen, dass es dafür auch neue Kompetenzen braucht. Auf der einen Seite drängt die Klimakrise, auf der anderen Seite fordern rasante technologische Entwicklungen die Unternehmen heraus. Es gilt, die Belegschaft für diese Themen und den damit verbundenen grundlegenden Wandel fit zu machen.
Die Umsetzung ist aber immer noch eine große Herausforderung. Auch nach Jahren der gesellschaftlichen Debatte über die Klimakrise ist fehlendes Know-how eine der größten Hürden bei der Dekarbonisierung in Unternehmen. Noch immer setzen nicht alle flächendeckend auf Trainings und Weiterbildung für ihre Belegschaft.
Wie viele Unternehmen haben Weiterbildungsmaßnahmen zur Dekarbonisierung in der Breite angestoßen?
Florian Huber: Das World Economic Forum hat in seinem „Future of Jobs Report“aus dem Jahr 2020 die These aufgestellt, dass 50 Prozent aller Beschäftigten bis 2025 neue Fähigkeiten brauchen, um mit den aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt Schritt zu halten. Das bedeutet, dass jede:r Zweite innerhalb der letzten fünf Jahre ein Up- oder Reskilling hätte durchlaufen müssen.
Soweit die Theorie. Wir haben im Rahmen unseres Dekarbonisierungsbarometers ermittelt, dass erst zwei Drittel der Unternehmen auf Trainings und Weiterbildung setzen, um die Dekarbonisierung in der Unternehmenskultur zu verankern. Ein Drittel hat also noch gar keine Maßnahmen ergriffen, um die Teams fit zu machen. Hier herrscht auf jeden Fall noch Handlungsbedarf.
Bei welchen konkreten Themen gibt es besonderen Bedarf an Weiterbildung?
Florian Huber: Qualifikationsdefizite in Bezug auf die Dekarbonisierung sehen die meisten Unternehmen (64 Prozent) im regulatorischen Wissen, gefolgt von Datenmanagement und Reporting (jeweils 53 Prozent). Ein bisschen besser sieht es beim Wissen zum Management von ESG-Risiken oder beim technischen Fachwissen zu Dekarbonisierung aus. Dass die Regulatorik als Top 1 genannt wurde, überrascht mich angesichts der zunehmenden Komplexität und Volatilität nicht.
Wir sehen aber nicht nur einen Veränderungsbedarf bei den Kenntnissen der Mitarbeitenden, sondern auch bei den Steuerungsstrukturen der Unternehmen. Vielerorts fehlt es an Incentives auf allen Ebenen: Weder Abteilungen noch Führungskräfte oder Mitarbeitende erleben, dass Dekarbonisierung in ihren Zielwerten hinterlegt ist.