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Warum das erweiterte EU-Emissionshandelssystem Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt

Das EU-Emissionshandelssystem wird erweitert. Was Unternehmen jetzt tun müssen

Überblick

  • Ab 2027 wird das EU-Emissionshandelssystem II auch den Straßenverkehr und den Gebäudesektor einbeziehen, um die CO2-Emissionen in diesen Bereichen bis 2030 um 43 Prozent zu reduzieren.
  • Unternehmen müssen ab 2024 einen Überwachungsplan einreichen und jährlich Emissionsberichte erstellen, die ab 2025 überprüft werden.
  • Das geplante "Opt-in"-Verfahren könnte zusätzliche Sektoren wie Schienenverkehr und Forstwirtschaft in den Emissionshandel einbeziehen, was Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt.

Europa schaltet das EU-Emissionshandelssystem II scharf. Das EU ETS II ist ein weiteres Instrument zur CO2-Bepreisung – und zwar in den Bereichen Gebäude und Straßenverkehr. Es ergänzt das bestehende Handelssystem EU ETS I, das bisher die Energiewirtschaft und energieintensive Industriezweige abdeckt. Durch die Einbeziehung bislang unregulierter Sektoren sollen die EU-Klimaziele für 2030 und 2050, wie sie im „Green Deal“ und im „Fit for 55“-Paket festgelegt sind, besser erreicht werden. Damit setzt die EU stärker auf marktwirtschaftliche Maßnahmen, um Emissionen zu reduzieren und den Übergang zu klimafreundlicheren Alternativen zu fördern. Im Rahmen des EU ETS II müssen die betroffenen Unternehmen auch Überwachungspläne erstellen.

Die ersten beiden Phasen

Seit seiner Einführung im Jahr 2005 entwickelt Brüssel das EU-Emissionshandelssystem zum zentralen Instrument, um Treibhausgasemissionen zu senken. In der ersten Phase (2005–2007) richtete sich das EU ETS auf CO2-Emissionen aus energieintensiven Sektoren. Dabei wurden viele Zertifikate kostenlos vergeben. In der zweiten Phase (2008–2012) wurde die Vergabe kostenloser Zertifikate reduziert und Unternehmen konnten Emissionen durch Maßnahmen in Drittländern kompensieren.

Die dritte Phase

Seit der dritten Phase (2013–2020) gibt es ein EU-weites Emissionsbudget. Die Zertifikate wurden grundsätzlich versteigert, um ein „Carbon Leakage“ zu vermeiden. Gemeint ist die Verlagerung von treibhausgasemittierenden Industriezweigen in Länder außerhalb der EU, um die strengen europäischen Werte für Treibhausgasemissionen zu umgehen. Außerdem führte die EU-Kommission eine Marktstabilitätsreserve (MSR) ein. Die MSR passt die Menge der sich im Umlauf befindlichen Zertifikate dynamisch an die Marktsituation an, indem sie sie automatisch verknappt oder ausweitet. Dadurch soll sie zur Preisstabilität beitragen und die Widerstandsfähigkeit des EU ETS gegenüber Marktschwankungen stärken.

Die vierte Phase

In der vierten Phase (2021–2030) sollen Treibhausgasemissionen um 62 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden. Dafür wurde der Seeverkehr bereits in das System integriert. Ein Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) verlangt ab 2026, dass für Importwaren der gleiche CO2-Preis gezahlt wird. Der Anwendungsbereich des CBAM ergibt sich aus Anhang I der CBAM-Verordnung und umfasst u. a. Zement, Strom, Düngemittel, Eisen, Stahl, Aluminium und Wasserstoff. Die betroffenen Waren werden anhand der KN-Codes (Kombinierten Nomenklatur) definiert und schließen sowohl Rohformen als auch weiterverarbeitete Erzeugnisse wie Rohre, Konstruktionen, Behälter und Schrauben ein.

CBAM-Anmelder gemäß Art. 2 Nr. 1 CBAM-DVO ist der Einführer, der eine Zollanmeldung in eigenem Namen und auf eigene Rechnung abgibt. Dazu zählen auch Bewilligungsinhaber gemäß Art. 182 Abs. 1 des Zollkodex der Union sowie indirekte Zollvertreter nach Art. 18 des Zollkodex, sofern der Importeur außerhalb der EU ansässig ist oder der Vertreter den Berichtspflichten zugestimmt hat. Die Einfuhr in die EU ist nur durch einen zugelassenen CBAM-Anmelder möglich. Ab 2027 deckt das neue EU ETS II den Straßenverkehr und den Gebäudesektor ab, mit dem Ziel, dort die Emissionen bis 2030 um 43 Prozent zu reduzieren. Ein Teil der Einnahmen aus dem EU ETS II fließt in den Klima-Sozialfonds. Dieser soll einkommensschwache Haushalte und Kleinstunternehmen zwischen 2026 und 2032 unterstützen.

 

Grafik: Zeitplan für die Einfuehrung des EU-ETS II

Umsetzung in deutsches Recht

Am 4. November 2024 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur nationalen Umsetzung des EU ETS II im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) beschlossen. Der Bundesrat befasste sich am 22. November 2024 mit dem Entwurf und äußerte Änderungswünsche. Die Bundesregierung hat daraufhin am 27. November 2024 eine Unterrichtung vorgelegt, die am 3. Dezember 2024 veröffentlicht wurde. Am 6. Dezember 2024 hat sich der Bundestag mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt und ihn im Anschluss an die Aussprache zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen. Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie befasste sich am 15. Januar 2025 mit dem Gesetzentwurf. Die geladenen Sachverständigen äußerten sich grundsätzlich positiv dazu. Der Entwurf sieht vor, dass Anlagen, Flugzeuge, Schiffe sowie Brenn- und Treibstoffe in einem einheitlichen Gesetz erfasst werden. Er umfasst allgemeine Regeln für alle Beteiligten sowie spezifische Regelungen für einzelne Sektoren. Aufgrund der Vorgaben der Emissionshandelsrichtlinie enthält das Gesetz nur wenige nationale Regelungen zur CO2-Bepreisung, detaillierte Bestimmungen werden auf EU-Ebene in Beschlüssen und Verordnungen geregelt.

Brennstoffemissionshandelsgesetz erweitern

Für die Jahre 2024 bis 2026 sind zusätzlich Änderungen im nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) geplant. Der Entwurf geht an einigen Stellen über die EU-Vorgaben hinaus und nutzt den Spielraum, um fossile Brennstoffe in weiteren Sektoren wie Land- und Forstwirtschaft, Schienenverkehr und Abfallverbrennung in den Emissionshandel zu integrieren. Auch Anlagen mit sehr geringen CO2-Emissionen (sogenannte Nullemissionsanlagen) werden emissionshandelspflichtig und im Flugverkehr werden die Nicht-CO2-Effekte nach den Vorgaben der EU-Kommission einbezogen.

Wer ist zur Teilnahme verpflichtet?

Laut TEHG-Entwurf sollen alle natürlichen oder juristischen Personen und Personengesellschaften, die als Schuldner der Energiesteuer in bestimmten Fällen definiert sind, zur Teilnahme am EU ETS II verpflichtet werden. Dazu gehören insbesondere Großhändler von Brennstoffen oder Hersteller von Brennstoffen mit Großhandelsvertrieb. Ebenso fallen Unternehmen darunter, die Brennstoffe nach Deutschland importieren, also im Sinne der Energiesteuer einführen. Wenn Dritte Brennstoffe in einem Lager nach § 7 Abs. 4 Satz 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) einlagern, wird der Einlagerer anstelle des Lagerinhabers als „Verantwortlicher“ betrachtet. Daher sind die meisten BEHG-pflichtigen Unternehmen auch Verpflichtete gemäß EU ETS II. Nicht erfasst vom EU ETS II sind hingegen BEHG-pflichtige Verwender steuerfreier Kohle außerhalb des EU ETS I sowie Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen. Für Betreiber von Siedlungsabfallverbrennungsanlagen besteht jedoch ab 2024 die Pflicht, die Emissionen ihrer Anlagen im EU ETS I zu melden.

Hebel beim Händler

Im Gegensatz zum EU ETS I, das auf den Betreiber von Anlagen setzt, richtet sich das EU ETS II an die Lieferanten von Kraftstoffen. Dazu zählen vor allem Brennstoffhändler und Gaslieferanten, die steigende Kosten infolge der CO2-Bepreisung an Endverbraucher weitergeben können. Das soll den Umstieg auf emissionsfreie Technologien befördern. Lieferanten, die bereits einer nationalen CO2-Steuer unterliegen, können bis 2030 von der Zertifikatsabgabe befreit werden. Das EU ETS II betrifft speziell den Brennstoffverbrauch in den Sektoren Gebäude, Straßenverkehr und etwa Energiewirtschaft und Baugewerbe. Ausgenommen sind Tätigkeiten, die unter das EU ETS I fallen, wie Luft- und Seeverkehr. Ein „Opt-in“ könnte künftig weitere Sektoren einbeziehen.

Überwachungsplan und Emissionsbericht

Ab 2024 müssen Verantwortliche im EU ETS II einen Überwachungsplan einreichen, der die Grundlage für die Emissionskontrolle durch die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt bildet. Der erste Plan muss für das Jahr 2025 eingereicht werden, gleichzeitig mit dem Antrag auf Emissionsgenehmigung. Die genaue Frist für die Einreichung wird von der DEHSt bekannt gegeben. Zudem müssen Verantwortliche bis zum 30. April eines jeden Jahres einen Emissionsbericht für das Vorjahr einreichen; der erste Bericht für 2024 ist also bis April 2025 fällig. Dieser erste Bericht basiert auf den historischen Emissionen des Jahres 2024 und wird noch nicht verifiziert. Die Überprüfung erfolgt ab 2025.

Doppelte Berichterstattungspflichten

Ein detaillierter Leitfaden zur Erstellung des Überwachungsplans steht im Formular-Management-System der DEHSt bereit. Um Dopplungen zu vermeiden, wird die Datenerfassung für das EU ETS II auf der Struktur des nationalen Emissionshandelsystems (nEHS) basieren. Allerdings bleiben bis 2026 die Berichts- und Abgabepflichten im nEHS bestehen. Außerdem müssen Unternehmen die geänderten Abgabefristen im neuen TEHG beachten. Schließlich wird der Emissionsbericht komplexer als im BEHG.

Von Schleppern begleitet transportiert der LNG Tanker Hellas Diana eine Ladung LNG zum Energie-Terminal Deutsche Ostsee
Von Schleppern begleitet transportiert der LNG Tanker Hellas Diana eine Ladung LNG zum Energie-Terminal Deutsche Ostsee.

Neue Bescheide

Die Ampel-Regierung vertrat die Auffassung, dass Feststellungsbescheide zur Emissionshandelspflicht nicht auf die geänderte Rechtslage des TEHG übertragen werden. Unternehmen müssen sich selbstständig an die Behörden wenden, um ihre Emissionshandelspflicht zu klären. Das kann eine Neuvergabe von Bescheiden zur Folge haben. Die ehemalige Bundesregierung stellte im Entwurf des TEHG-Europarechtsanpassungsgesetzes 2024 klar, dass bestehende Feststellungsbescheide zur Emissionshandelspflicht nicht automatisch auf die neue Rechtslage übertragen werden. Unternehmen müssen daher eigenständig prüfen, ob neue Bescheide erforderlich sind, was den Verwaltungsaufwand erhöht und Unsicherheiten mit sich bringt. Versäumnisse können rechtliche und finanzielle Folgen haben, weshalb eine frühzeitige Klärung entscheidend ist. Zudem könnte die Anpassung den Anwendungsbereich erweitern, sodass weitere Anlagen oder Tätigkeiten unter die Emissionshandelspflicht fallen – insbesondere für bislang nicht oder nur teilweise betroffene Unternehmen. Immerhin sollen Biomasseanlagen, die mehr als 95 Prozent nachhaltige Biomasse verbrennen, künftig nicht mehr unter die Berichtspflicht des EU ETS I fallen. Einige bislang nicht erfasste Anlagen sollen dagegen den TEHG-Pflichten unterworfen werden. So sollen Siedlungsabfallverbrennungsanlagen dem EU ETS I unterliegen, wodurch die Ausnahmebestimmung entfällt. Für die Abgabepflicht und die Zuteilung von Emissionsberechtigungen wird ein Opt-in-Verfahren eingeführt, das bis zum 1. Januar 2027 von der Europäischen Kommission genehmigt werden muss. Mitgliedstaaten können den Anwendungsbereich des EU ETS auf zusätzliche Sektoren ausweiten. Lehnt die Europäische Kommission ein Opt-in ab, bleibt der Sektor im nEHS. Unternehmen sollten daher beobachten, ob und für welche Sektoren die Bundesregierung ein Opt-in plant. Geplant ist die Einbeziehung des Schienenverkehrs, des privaten nichtgewerblichen Luft- und Schiffsverkehrs sowie der Land- und Forstwirtschaft.


Kritik an nationaler Zwischenlösung

Derzeit ist der nationale Emissionshandel für Gebäude und Verkehr eher symbolisch, da keine echten Marktpreise entstehen und stattdessen Festpreise festgelegt wurden. Zudem gibt es keine Obergrenze für die Zertifikate. Ab 2026 will der Gesetzgeber einen Preiskorridor einführen und ab 2027 ist ein echter Markt geplant. Doch hier ergibt sich eine Schwierigkeit: Ab 2027 wird für diese Sektoren das ETS II umgesetzt, bei dem Zertifikate europaweit gehandelt werden – ohne feste Obergrenze, sondern mit wenigen Steuerungsmechanismen durch die Kommission. Es erscheint daher wenig sinnvoll, 2026 einen rein deutschen Markt zu schaffen, dessen Teilnehmer ein Jahr später wieder ausscheiden. Eine bessere Lösung wäre es, § 10 Abs. 1 und 2 BEHG anzupassen und das Festpreisverfahren beizubehalten, bis das EU-System zum Tragen kommt. Überraschenderweise hat die Bundesregierung jedoch diesen Aspekt in ihrem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt. Es ist daher dringend nötig, für 2026 eine praktikable Lösung zu finden.

Ansprechpersonen: Maximilian Töllner, Alexander Löhle

Fazit

Das EU ETS II ist ein bedeutender Fortschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität, da es CO2-Emissionen aus zusätzlichen Sektoren berücksichtigt und so zu einer breiteren Reduktion von Treibhausgasen beiträgt. Die Bundesregierung will bei der nationalen Umsetzung zwar die Gesetzgebung harmonisieren, allerdings ist zu hinterfragen, ob dabei die Schaffung eines separaten deutschen Marktes durch das BEHG sinnvoll ist.

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