Online-Marktplätze
Marktplätze haben sich in den letzten Jahren relativ konstant und nahezu unabhängig von exogenen Schocks entwickelt. Je nach Marktsegment, Marktphase und individueller strategischer oder taktischer Entscheidung dienen sie entweder der Neuausrichtung des Geschäftsmodells weg vom klassischen Handel hin zu einer datengetriebenen Plattform oder der opportunistischen Sortimentserweiterung bei gleichzeitiger Reduktion des Warenrisikos. Mögliche negative Effekte auf Markenwahrnehmung und Kannibalisierung der anderen Vertriebskanäle wird in letzterem Fall selten berücksichtigt und schafft erhebliche langfristige Geschäftsrisiken.
Produktwertversprechen
Die Bereitschaft der Konsumenten, zusätzliche Kosten für Convenience, die E-Commerce-Geschäftsmodelle in Form von schnellerer Produktverfügbarkeit, größerer Sortimentsbreite und -tiefe oder besserer Qualitäts- und Preisvergleichbarkeit bieten, zu tragen, hängt stark von bestimmten Faktoren ab. Dazu zählen die jeweils fokussierten Waren- und Kundengruppen (z. B. Convenience-, Experience-, Preis-Orientierung), der regionale Fokus und die Wettbewerbssituation. Dabei ändern sich die Präferenzen über die Lebens- und Einkommensphasen der Kundinnen und Kunden dynamisch.
Umsetzungsanforderungen wählen
Die jeweiligen Entwicklungen der Geschäftsmodelle gehen mit unterschiedlichen Kapitalanforderungen, Kompetenzanforderungen in Bereichen wie Sortimentssteuerung, Logistik oder Kundendaten-Management, Kundenwertversprechen und Möglichkeiten der Datensammlung und -verwertung einher. Je nach Input-Kosten und der Bereitschaft der Konsumenten, die entstehenden Zusatzkosten zu tragen, hat jedes Modell seine Existenzberechtigung. Das schafft allerdings mittelfristig unterschiedlich starke profitable Skalierungen und nachhaltige Kundenbindung, abhängig von den spezifischen Geschäftsmodellen und Marktbedingungen.
Ein Beispiel: Ein stationärer Händler, der seine Waren erstmalig auch online vertreiben möchte – beispielsweise nach dem Eintritt in einen neuen Markt – kann zunächst auf einen Quick-Commerce-Anbieter setzen. So vermeidet er den Aufbau kostspieliger Infrastruktur oder doppelter Bestände und kann schneller skalieren. Der Zugang zu den Kunden und die Kundendaten verbleiben jedoch beim Q-Com-Partner, während das Bestands- und Personalmanagement in der Filiale deutlich komplexer wird. Bei ausreichender Skalierung des Online-Geschäfts sollte daher evaluiert werden, eigene Online-Vertriebskompetenzen aufzubauen, um die Kundenbindung zu stärken und die Abhängigkeit von Q-Com-Partnern zu reduzieren.
Neubewertungen
Dies führt aktuell zur Neubewertung vieler Geschäftsmodelle. Die Folge: Auf- oder auch Abbau einzelner E-Commerce-Geschäftsmodelle, neue strategische Partnerschaften, Unternehmenskäufe und Insolvenzen. Den meisten B2C-Unternehmen mit überregionaler Präsenz und Wachstumsambition bleibt dabei klar, dass ohne E-Commerce sowohl Wachstum als auch Kundenbindung schwieriger werden, dass sich Kompetenzdefizite nur langsam und kostenintensiv ausgleichen lassen und dass sich aktuell aufgrund von Inflation und Konsumzurückhaltung kein schneller ROI realisieren lässt. Eine weniger verbreitete, aber ebenso wichtige Erkenntnis insbesondere für Multi-Kanal-Unternehmen, also Unternehmen, die sowohl stationär als auch online verkaufen, ist, dass E-Commerce in Wechselwirkung mit dem stationären Geschäft stehen kann und muss. Entgegen dem Narrativ rund um das Jahr 2020 schaffen hohe Online-Anteile am Gesamtumsatz für sich genommen noch keinen Mehrwert – insbesondere dann, wenn dies lediglich zu einem Shift in weniger profitable Preis- und Kundensegmente führt, ohne die bestehende Kundenbasis weiterzuentwickeln und insgesamt profitabel zu wachsen.
Neue Herausforderungen
Je nach Produktkategorie haben sich große Marktteilnehmer in den einzelnen Branchensegmenten für unterschiedliche Modelle entschieden und diese auch in den vergangenen Jahren fortlaufend verändert. Doch dies ist nur eine Momentaufnahme. Der Eintritt internationaler, insbesondere chinesischer Wettbewerber mit anderer Kapitalausstattung oder anderem Kompetenzportfolio, neue exogene Schocks oder auch die demografische Entwicklung erzwingen eine permanente Veränderungsbereitschaft.