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Wie die Digitalsteuer den E-Commerce beeinflusst


Sie kommt, sie kommt nicht … die Digitalsteuer wird kontrovers diskutiert. Doch einige Länder haben sie bereits.


Überblick

  • Die Digitalsteuer wird weltweit kontrovers diskutiert und betrifft zunehmend E-Commerce-Unternehmen.
  • Nationale Modelle schaffen rechtliche Unsicherheiten für internationale Firmen.
  • Deutschland prüft eine Digitalabgabe, während andere Länder bereits Steuern eingeführt haben.

Eine EU-weite Digitalsteuer? Oder doch nur eine deutschlandweite Digitalabgabe? Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft ist weltweit ein Thema. Da es vor allem um die US-Tech-Giganten geht, reagiert der amerikanische Präsident Donald Trump not amused – mit der Folge, dass die Digitalsteuer (DST) zu weiteren Spannungen im globalen Handelskonflikt führen kann. Das erlebte Kanada vor einigen Wochen, als dort die längst beschlossene DST scharf geschaltet wurde; nach heftiger Reaktion aus Washington legte Ottawa die Abgabe unverzüglich auf Eis. Allerdings besteuern einige Länder bereits die digitale Wirtschaft auf unterschiedliche Art. Betroffen sind nicht mehr nur klassische Tech-Konzerne. Auch Online-Plattformen oder E-Commerce-Unternehmen sind das Ziel nationaler Regelungen.

Vorstoß aus dem Kanzleramt

Traditionell ist Deutschland eher gegen eine eigene Digitalsteuer. Stattdessen wird eine internationale Lösung mithilfe der OECD bevorzugt. Dort stocken allerdings die Arbeiten wegen des sogenannten Pillar I, auch aufgrund des Widerstands der USA. Die Fortentwicklung steht in den Sternen. Nun brachte der neue, im Kanzleramt beheimatete Kulturstaatsminister Wolfram Weimer eigene Gedanken zu einer Digitalabgabe ins Spiel. Er sprach von einer Abgabe für große Tech-Konzerne nach österreichischem Vorbild. Auch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung beinhaltet einen Prüfauftrag zur Einführung einer Abgabe für Online-Plattformen, die Medieninhalte nutzen.

Erlaubt das Grundgesetz eine neue Steuer?

Mittlerweile haben sich andere Politikerinnen und Politiker, wie beispielsweise Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) und CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzender Jens Spahn, öffentlich gegen eine solche Besteuerung ausgesprochen; auch hier ist der Ausgang ungewiss. Sollte Deutschland auf nationaler Ebene einen derartigen Plan verfolgen wollen, stellen sich spannende verfassungsrechtliche Fragen. So entschied das Bundesverfassungsgericht 2017 in Sachen Brennelementesteuer, dass der Bund kein uneingeschränktes Steuererfindungsrecht habe. Er müsse für solch eine Steuer oder Abgabe auch eine Kompetenzgrundlage im Grundgesetz haben. Ob die Bundesregierung also eine Digitalabgabe ohne Grundgesetzänderung einführen könnte, ist diskutabel.

Das Wirtschafts- und Finanzministerium in Rom, aufgenommen am 25.09.2005.

Vielfalt in der EU

In mehreren anderen EU-Mitgliedstaaten sind Digitalsteuern dagegen Realität. Dabei zeigt sich eine beachtliche Vielfalt. Das von Kulturstaatsminister Weimer genannte Österreich erhebt seit 2020 eine Digitalsteuer in Höhe von 5 Prozent auf Umsätze aus digitaler Werbung – zusätzlich zur im Jahr 2000 eingeführten Werbeabgabe in Höhe von 5 Prozent des Entgelts für Print-, Rundfunk- und Außenwerbung – gewissermaßen auf „nichtdigitale“ Werbung, beispielsweise in Druckwerken oder im Fernsehen. Steuerpflichtig sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro weltweit und 25 Millionen Euro in Österreich. Im Jahr 2024 erzielte das Finanzministerium in Österreich 124,1 Millionen Euro aus der Digitalsteuer, ein Zuwachs von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2023: 103,3 Millionen Euro). Vor allem aber bedeuten 124,1 Millionen Euro Digitalsteuer den Abfluss von Werbegeld aus Österreich (sog. Werbeabgabe auf Umsätze durch Werbeeinnahmen) an internationale Online-Plattformen in Höhe von gut 2,48 Milliarden Euro.

Dänische Kulturabgabe

Die dänische Version ist anders ausgestaltet, darauf lässt schon der Name „Kulturbeitrag“ schließen. Inhaltlich ist die Abgabe an die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste angedockt. Diese soll der digitalen Transformation und den veränderten Mediennutzungsgewohnheiten Rechnung tragen – unter anderem durch den Schutz von Minderjährigen auf Video-Sharing-Plattformen, barrierefreie Inhalte und die Förderung europäischer Inhalte. Konkret sieht die dänische Kulturabgabe vor, dass Mediendienstleister in Dänemark sowie in anderen EU-Mitgliedstaaten, die sich an ein Publikum in Dänemark richten, eine Abgabe leisten müssen, die an ihren Umsatz gekoppelt ist. Das Gesetz gilt nicht für Unternehmen mit weniger als umgerechnet zwei Millionen Euro Jahresumsatz. Betroffene Mediendienstleister müssen seit dem 01.01.2024 2 Prozent ihres dänischen Umsatzes für die Kulturförderung zahlen. Erwirtschaften Mediendienstleister weniger als 5 Prozent ihrer Umsätze in Dänemark, fällt ein zusätzlicher Beitrag in Höhe von 3 Prozent an.

Abb.: Fünf Jahre Digitalsteuer in Österreich
eine Gegenüberstellung der Entwicklung im Vergleich zur Werbeabgabe (in Mio. Euro)

Grafik: Fünf Jahre Digitalsteuer in Oesterreich

Schwierigkeiten bei Vorreiter Frankreich

Frankreich hat bereits 2019 eine Digitalsteuer in Höhe von 3 Prozent auf Umsätze aus digitaler Werbung, Vermittlungsdiensten und dem Verkauf von Nutzerdaten eingeführt. Betroffen sind Unternehmen mit einem jährlichen Digitalumsatz auf Konzernebene von mindestens 750 Millionen Euro weltweit und 50 Millionen Euro in Frankreich. Die betroffenen Unternehmen müssen jährlich eine Digitalsteuererklärung als Teil des Anhangs ihrer Umsatzsteuererklärung elektronisch abgeben. Bei Konzerngesellschaften besteht die Möglichkeit der konsolidierten Gruppenbesteuerung, d. h. der Digitalsteuererklärung und Zahlung durch eine Gruppenträgergesellschaft (Head of DST Group). Bei Verstoß gegen Erklärungs- oder Dokumentationspflichten können französische Steuerbehörden Strafzahlungen in Höhe von 80 Prozent der geschätzten Digitalsteuer festsetzen. Für Unternehmen hat die bisherige Erfahrung in Frankreich gezeigt, dass die Digitalbesteuerung Schwierigkeiten bei der Datenbeschaffung und der Identifikation digitalsteuerpflichtiger Konzerngesellschaften in komplex strukturierten Konzernen mit sich bringt. Der administrative Aufwand und das Risiko der Doppelbesteuerung sind beträchtlich.

Ein Gräuel für Konzerne

Bis dato haben acht EU-Mitgliedstaaten eine Art Digitalsteuer eingeführt. Dabei unterscheiden sich die nationalen Modelle insbesondere im Hinblick auf Steuergegenstand, Steuersatz (1,5 bis 7,5 Prozent) und Schwellenwert. Solche Abweichungen erhöhen den administrativen Aufwand international tätiger Unternehmen. Darüber hinaus beeinträchtigen nationale Auslegungsspielräume die Rechtsklarheit. Beispielsweise unterliegen entgeltliche Onlinewerbeleistungen in Österreich der Digitalsteuer, soweit sie im Inland erbracht werden, wobei die Bedeutung der IP-Adresse für die Bestimmung der Inlandseigenschaft streitig ist. In diesem Zusammenhang gibt es technische Manipulationsrisiken, z. B. durch Schaltung von Proxy-Kaskaden.

Kostenfrei! Aber auch entgeltfrei?

Ob nun Digitalsteuer oder Digitalabgabe – das Ziel bleibt in der Regel gleich: die Tech-Giganten. Gemeinsam haben diese Unternehmen oftmals das Nichtvorhandensein einer physischen Präsenz im Marktstaat. Das ist regelmäßig ein Anknüpfungspunkt im Steuerrecht, aber nicht unbedingt bei der Umsatzsteuer. So wird in der umsatzsteuerlichen Fachliteratur schon seit fast 15 Jahren diskutiert, ob „kostenfreie“ Leistungen vielleicht doch nicht „entgeltfrei“ sind – und somit mit Umsatzsteuer zu belegen sind. Wie sähe so etwas konkret aus? Ein Endnutzer verwendet beispielsweise einen „kostenfreien“ Navigationsdienst an seinem Handy. Die eine Rechtsauslegung sieht hierin einen entgeltlosen Vorgang, der somit keine Relevanz für die Umsatzsteuer hat. Eine andere Rechtsauslegung sieht jedoch in der Bereitstellung von Daten ein Entgelt, im konkreten Beispiel den Standort. Schließlich nutzt der Navigationsdienst diese Daten nicht nur, um den Nutzer von A nach B zu navigieren, sondern auch, um sein Programm bzw. seine verbundenen Services zu verbessern.

Italien verlangt eine Milliarde Euro Umsatzsteuer

Die italienischen Behörden schlossen sich letztgenannter Rechtsauffassung an und wurden beim Konzern Meta vorstellig. Mit einer Umsatzsteuernachforderung von fast einer Milliarde Euro. Wie die Sache ausgeht, ist noch offen. Es zeigt sich jedoch, dass es – unter Umständen – gar keine neue Digitalsteuer braucht, um die beschriebenen Ziele zu erreichen. Doch selbst wenn man dem Grunde nach die Umsatzsteuer anwenden wollen würde, bleibt das Problem, das Entgelt zu bemessen. Was sind die Daten wert, mit denen der Nutzer oder die Nutzerin „bezahlt“?

Digitalsteuer in Polen

Die polnische Regierung kündigte bereits im März an, Digitalriesen stärker zur Kasse zu bitten. Laut dem Digitalministerium soll der Gesetzentwurf bis Jahresende erarbeitet werden, mit einer möglichen Einführung der Abgabe im Jahr 2027. Die Steuer betrifft Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz über 750 Millionen Euro und erfasst Plattformen wie Online-Marktplätze und soziale Netzwerke. Ausgenommen seien Dienste, die ausschließlich Inhalte oder Schnittstellen bereitstellen, sowie Finanzdienstleister und klassische Online-Verkäufe über die eigene Website. Angedacht ist eine Abgabe von drei Prozent des Umsatzes, mit der die Regierung die heimische Technologie- und Medienbranche stärken will.

Co-Autorin: Sandra Kim


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Tisch mit mehreren Personen am Entwickeln

Fazit

Es bleibt fraglich, ob die Einführung einer Digitalsteuer/-abgabe in Deutschland die ideale Lösung ist, um große Digitalkonzerne in die Finanzierung des Gemeinwohls einzubinden und dadurch die Steuergerechtigkeit zu fördern. Eine willkürliche Festsetzung von Steuersätzen und Umsatzschwellen könnte zur ungerechtfertigten Benachteiligung von Großkonzernen führen – und zu handelspolitischen Konflikten. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso wichtiger, eine faire Lösung für ein klares, gerechtes und modernes Steuersystem zu finden. Die Wirtschaft hat sich und wird sich weiter wandeln. Insbesondere Plattformen stellen dabei tradierte Steuersysteme vor erhebliche Herausforderungen. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob diese tradierten Systeme an die digitale Wirtschaft angepasst werden oder ob auch im Steuerbereich disruptive, neue Methoden zur Anwendung kommen.



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