5. Energiekosten
Zwar sind seit Beginn des Russland-Ukraine-Konflikts die hohen Energiepreise zuletzt wieder deutlich gesunken, jedoch haben sie noch nicht den Stand der Zeit vor Beginn des Krieges erreicht. Hohe Energiepreise sind jedoch nicht nur ein Haupttreiber der Inflation, sondern führen auch zu einem Rückgang von Produktion und Export energieintensiver Produkte. Dabei wäre aus volkswirtschaftlicher Perspektive darauf zu achten, dass die Reduktion von Energiepreisen nicht durch Einsatz von Steuergeldern erfolgt, sondern auf einer realen Kostensenkung beruht.
Extrem teuer im EU-Vergleich
Im Koalitionsvertrag scheint die Koalition allerdings einen anderen Weg zu bevorzugen. Zwar hat das Thema Energiekosten dort einen hohen Stellenwert erhalten. Die Politik setzt dabei aber weniger auf echte Kostensenkungen, sondern eher auf die staatliche Übernahme von bislang von Unternehmen und Verbrauchern getragenen Kosten. So sollte beim Strom das ausgerufene Ziel einer dauerhaften Entlastung von Unternehmen und Verbrauchern um mindestens fünf Cent pro kWh insbesondere durch eine Senkung der Stromsteuer sowie von Netzentgelten und Umlagen erreicht werden. Doch nun soll die Steuer nur für wenige Branchen sinken. Hinzutreten soll für bestimmte Unternehmen ein staatlich subventionierter Industriestrompreis. Insgesamt – mit weiteren Abgaben neben der Stromsteuer – hat Deutschland für Privathaushalte in der Europäischen Union mit 40 Cent je kWh sogar den höchsten Strompreis. Verbraucher:innen in Ungarn müssen dafür nur 11 Cent je kWh berappen. Auch für Unternehmen liegt Deutschland derzeit über dem EU-Schnitt: für sie ist der Strom nur in Irland und in Zypern teurer.
6. Bürokratie
Generalsekretär Mathias Cormann hat der Bundesregierung bei der Übergabe des OECD-Wirtschaftsberichts Deutschland 2025 in Berlin am 12. Juni ins Buch geschrieben: „Um die Unternehmensdynamik zu stärken und die Produktivität und das Wachstum zu steigern, sollte die Reform der Fiskalregeln mit ehrgeizigen Maßnahmen kombiniert werden, welche die bürokratischen Lasten für Unternehmen und regulatorische Wettbewerbshindernisse verringern und den Fachkräftemangel beheben.“
Auch aus Unternehmenssicht bleibt Bürokratieabbau das drängendste Thema in Deutschland. Allerdings zeigt der Koalitionsvertrag nur sehr wenige konkrete steuerliche Maßnahmen hierzu auf. Die geplante Einführung der Selbstveranlagung von Unternehmen wird überwiegend positiv aufgenommen, wie eine aktuelle EY-Umfrage unter Steuerfachleuten zeigt. Die geplante verstärkte Digitalisierung der Finanzverwaltung wird ebenfalls begrüßt. Doch zeigt der Fall der steuerlichen Selbstveranlagung von Unternehmen, wo das Problem liegt: Eine gleichlautende Ankündigung fand sich bereits im Koalitionsvertrag von 2013.
Zu viele Sondervorschriften und Berichtspflichten
Und der Wunsch nach weiteren Maßnahmen bleibt groß. In der EY-Umfrage zum Koalitionsvertrag fordern die Wirtschaftsbeteiligten unter anderem Reformen bei der Gewerbesteuer und deren Hinzurechnungen; beides gilt als unnötig komplex und wirtschaftsfeindlich. Auch die EU-Meldepflichten DAC6 und DAC7 werden als überreguliert kritisiert, da sie mit erheblichem Dokumentationsaufwand verbunden sind. Ein weiterer Fokus der Kritik liegt auf der globalen Mindestbesteuerung (Pillar 2), deren Umsetzung viele Unternehmen vor immense Herausforderungen stellt. Auch hinsichtlich der Themen E-Bilanz, Organschaftsregelungen und § 4k EStG wünschen sich Unternehmen Vereinfachungen.
Entrümpeln
Wichtig wäre auch ein „Decluttering“, ein Entrümpeln sich doppelnder oder gänzlich überflüssiger Vorschriften. Warum sollen Unternehmen, die der globalen Mindeststeuer unterliegen, z. B. auch noch eine mögliche Hinzurechnungsbesteuerung aus dem Außensteuergesetz berechnen? Zarte Ansätze in diese Richtung hatte Interimsfinanzminister Jörg Kukies kurz vor Weihnachten in den zweiten Diskussionsentwurf des Mindeststeueranpassungsgesetzes aufnehmen lassen. Unklar ist, wie es damit nach der Amtsübernahme durch Lars Klingbeil weitergeht – zumal nicht absehbar ist, wie die Diskussion während der zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump in der EU fortgesetzt werden wird.
Neues Ministerium
Beim Bürokratieabbau stehen die Bundesregierung und das neu geschaffene Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung vor großen Herausforderungen. In ihrem Sofortprogramm sagt die Koalition dem bürokratischen Übermaß den Kampf an. Genehmigungsverfahren für Wasserstoffinfrastruktur und Windenergie sollen beschleunigt werden, auch im Vergaberecht soll es schneller und digitaler zugehen. Vor Zivilgerichten und bei Notaren sollen Online-Verfahren möglich sein, Arbeitszeiten sollen flexibilisiert werden.
Mehr Digitalisierung, weniger Papier
Die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens ist ein zentrales Thema für die Effizienz der Verwaltung und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und CSU werden zwar einige Vorhaben und Ziele wie die Stärkung der Finanzverwaltung durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz skizziert, die wenigen Passagen wirken aber eher wie ein Weiter-so der steuerlichen Modernisierung, anstatt konkrete Fortschritte zu versprechen. Immerhin ist seit dem 1. Januar 2025 Papier nicht mehr das Leitmedium der Rechnungsstellung und die elektronische Rechnung wurde zum Normalfall erhoben. Dies hatten der damalige Finanzminister Christian Lindner und die Ampelregierung durchgesetzt.
Auch hier gilt, nicht kleckern …
Während der Koalitionsvertrag greifbare Einzelmaßnahmen zur Digitalisierung und zum Bürokratieabbau oft schuldig bleibt, nennt er immerhin ein konkretes Ziel: Um 25 Prozent, das sind rund 16 Milliarden Euro, will die Koalition für die Wirtschaft die Bürokratiekosten reduzieren. Daneben soll der Erfüllungsaufwand um mindestens zehn Milliarden Euro sinken. Jedes Ressort soll zu diesen Zielen entsprechend seinem jeweiligen Verursachungsbeitrag beitragen. Die Abbaumaßnahmen sollen in mindestens einem Bürokratierückbaugesetz pro Jahr gebündelt werden.
…, sondern klotzen
Die Zielsetzung stimmt also durchaus. Jetzt kommt es darauf an, dass die Regierung und ihr neuer Digitalminister den Fokus klar setzen und „einfach mal machen“. Ansätze für mehr Digitalisierung und Bürokratieabbau gibt es schon länger. So schlägt die ‚Initiative für einen handlungsfähigen Staat‘ neben dem nunmehr eingeführten eigenen Digitalministerium vor allem auch neue Regelungen für die digitale Bund-Länder-Zusammenarbeit vor. Es fehlt für viele Verwaltungsleistungen an einheitlichen IT-Verfahren und zentralen Plattformen. In der Steuerverwaltung ist mit der zentralen Software-Entwicklung KONSENS zwar ein wichtiges Digitalisierungsprojekt angestoßen, jedoch in der Umsetzung noch nicht genügend vorangeschritten. Dies bemängelt auch der Bundesrechnungshof in seinem Bericht vom April 2025 und weist zudem darauf hin, dass auch neue Steuergesetze oftmals den Zielen der Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens entgegenlaufen. Dies ist der Fall, wenn neue Belegvorlagepflichten und Verfahrensschritte eingeführt werden, die eine automatisierte Bearbeitung der Steuererklärung verhindern. Es gelte also, den digitalen Steuervollzug bereits bei der Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen mitzudenken.
Auch in anderen Ländern laufen Initiativen zur Digitalisierung und Reduzierung von Verwaltungsaufwand, von denen wir nachfolgend einige nennen (aber nicht bewerten) möchten.
Vereinigtes Königreich, Australien, Kanada
Nach dem Brexit hat das Vereinigte Königreich gezielt steuerliche Vorschriften vereinfacht, um Investitionen anzuziehen. Ein zentrales Element ist die Einführung von „Making Tax Digital“, einer Initiative, die eine verpflichtende digitale Buchführung für Unternehmen vorsieht. Dies soll Fehler und Verwaltungsaufwand reduzieren. Zudem wurden bestimmte EU-bedingte Meldepflichten wie die DAC6 stark reduziert. Im angelsächsisch geprägten Raum hat Australien ein „Justified Trust“-Programm eingeführt. Es ermöglicht Großunternehmen, durch transparente Steuerstrategien vereinfachte Prüfungen zu erhalten. Der Fokus liegt auf Kooperation statt Kontrolle.
In Nordamerika hat die Canada Revenue Agency (CRA) digitale Plattformen, darunter „My Business Account“, um Unternehmen eine zentrale Steuerkommunikation zu bieten. Ziele sind die Reduktion von Papieraufwand und eine schnellere Bearbeitung im Gleichschritt mit einer Effizienzsteigerung für beide Seiten. Mit dieser Umstellung können Unternehmen ihre Steuerangelegenheiten, einschließlich Goods and Services Tax, Lohnsteuer und Körperschaftsteuern, nun digital verwalten. Das Portal dient als zentrale Plattform für alle geschäftlichen Korrespondenzen der CRA. Neue Funktionen wie die Dokumentenverifizierung in Echtzeit und eine vereinfachte Anmeldung verbessern den Prozess zusätzlich.
Italien, Rumänien, Schweden, Spanien
Ein „Pre-filled VAT return“-System ermöglicht es Unternehmen in Italien oder Rumänien, automatisch vorausgefüllte Umsatzsteuererklärungen zu erhalten, was Zeit spart und Fehler vermeidet. Beide Länder sind nur zwei Beispiele dafür, dass die Chance im Rahmen des e-Invoicings für B2C Transaktionen Vorteile für Unternehmen und Finanzverwaltung hat. Vorausgefüllte Steuererklärungen geben Unternehmen einen besseren Einblick in die Umsatzsteuererwartungen der Steuerbehörden, die wiederum dadurch eine Transparenz der Einnahmen aus diesen erhalten. Ähnliche Systeme existieren auch außerhalb europäischer Grenzen, bspw. in Ländern wie China, Argentinien oder Brasilien. In Schweden ist die digitale Finanzverwaltung sehr weit entwickelt, sodass Unternehmen viele Steuerprozesse vollständig online abwickeln können. Für Privatpersonen geht’s sogar mit einer App. Spanien hat ein elektronisches Meldesystem für Umsatzsteuerdaten („Suministro Inmediato de Información“, SII) errichtet, mit dessen Hilfe Unternehmen Rechnungsdaten nahezu in Echtzeit an die Steuerbehörde übermitteln, was zu weniger Prüfungen und schnelleren Rückerstattungen führt.
Polen, Belgien, Mexiko …
Das „JPK_VAT“-Format ersetzt in Polen viele manuelle Meldungen durch die elektronische Übermittlung strukturierter Daten. Belgiens „Tax-on-web“-Portal bietet eine zentrale Plattform für alle steuerlichen Pflichten, einschließlich vorausgefüllter Erklärungen. Belgien operiert bei der dann ab 2028 elektronischen Rechnungsstellung in Echtzeit mit steuerlichen Anreizen für early adopter. Seit Jahresbeginn werden Investitionen in die elektronische Rechnungsstellung mit einem Steuerabzug von 120 % belegt. In Mexiko erfordert die elektronische Rechnungsstellungspflicht (CFDI) die Echtzeitmeldung aller Transaktionen an die Steuerbehörde. Brasilien hat trotz eines komplexen Steuersystems das öffentliche digitale Buchhaltungssystem „SPED“ eingeführt, das die Zentralisierung und Digitalisierung aller steuerlichen Buchführungs- und Berichtspflichten fördert.
Vergesst die Start-ups nicht!
Alles in allem zeigen sowohl der Koalitionsvertrag als auch die angestoßenen Sofortprogramme, dass der neuen Bundesregierung der Ernst der wirtschaftlichen Lage in Deutschland bewusst ist. Die Ansätze für einen Konjunkturaufschwung sind zahlreich und vielversprechend. Nur reicht dies für einen wirklichen Boom? Wir sind in Deutschland für unsere exzellente Grundlagenforschung bekannt, wir entwickeln Technologien, die weltweit zur Spitzenklasse gehören, und auch unsere Industrieprodukte genießen einen exzellenten Ruf – was unsere weiterhin hohe Exportquote beweist. Was jedoch nach wie vor unterentwickelt ist, ist die Fähigkeit, diese Assets auch umfassend in eine Prosperität des Landes umzuwandeln. Die Rolle besonders innovativer Start-ups wird auch von Wirtschaftsforschungsinstituten immer wieder betont. Diese gilt es noch viel massiver und unbürokratischer zu fördern. Dazu zählen auch regulatorische und steuerliche Rahmenbedingungen. Ansatzpunkte, insbesondere für die kritische Phase der Unternehmensgründung, sind bekannt:
Um einen wirklichen Umschwung zu erreichen, lohnt es sich, in diesem Bereich einen Fokus zu setzen.