8 Minuten Lesezeit 18 Juni 2018
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Wie man das Versicherungsunternehmen der Zukunft aufbaut

Autoren
Shaun Crawford

EY Global Vice Chair – Industry

Driving solutions designed to reshape global markets and industry through convergence and disruption.

David Hollander

EY Global Insurance Leader

Transformation leader in insurance. Committed to help strategically reshape the industry’s business model for today’s digital age.

8 Minuten Lesezeit 18 Juni 2018

Die Transformation der Branche stellt Geschäftsmodelle infrage, ermöglicht Kunden über neue Kanäle zu finden und kreiert vielfältige Nutzererfahrungen.

Viele Entwicklungen treiben Versicherungen an, sich digitaler aufzustellen. Neue Technologien und die damit verbundene Datenflut verschieben das Angebot zu maßgeschneiderten Produkten und Dienstleistungen. Gleichzeitig müssen diese Daten über alle Systeme, Prozesse und Abläufe hinweg geschützt werden. Zunehmende Kundenwünsche, neue Markttrends und der Wandel in der Belegschaft treiben den Weg ins Digitale ebenfalls an.

Doch worauf sollten sich Versicherer konzentrieren? Wir haben neun Strategien für die Transformation zum Versicherer der Zukunft identifiziert:

  • Innovation
  • Agilität
  • Mitarbeiter und digitale Kultur
  • Kundenaktivierung
  • Cybersicherheit und Risiko
  • Erfahrungsdesign
  • Daten und Analytics
  • Digitale Architektur
  • Digitale Governance
  • Innovation

    Innovation ist die Basis aller Strategien, Abläufe und der Kultur von digitalen Versicherern.

    Ausgangslage

    • Versicherer, die sich nicht an neue Kundenerwartungen, der Marktdynamik und disruptiven Kräften anpassen können, riskieren, in Vergessenheit zu geraten.
    • Wettbewerbsvorteile durch die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen
    • Schnellere Marktreife von Produkten und „Fail Fast“-Mentalität im Unternehmen

    Handlungsbedarf

    • Aufbau einer Innovationsfunktion für die Finanzierung, Förderung und Lancierung neuer Fähigkeiten
    • Schaffung eigener Innovationsräume und -sessions zur Förderung der Zusammenarbeit
    • Teams aus Design-, Entwicklungs- und Fachexperten zur schnellen Prüfung von Prototypen und neuer Ideen zusammenstellen
    • Konzentration auf Minimally Viable Products (MVPs)
  • Agilität

    Agilität setzt auf dynamische, funktionsübergreifende Kollaborationen, um neue Produkte, Erlebnisse und Technologien schnell zu entwickeln, effizient einzuführen und kontinuierlich zu verbessern.

    Ausgangslage

    • Sinkende Relevanz mehrjähriger Initiativen – oft noch, bevor sie den Kunden erreichen
    • Hohe Kosten, lange Timelines und verschwendete Anstrengungen in der traditionellen Entwicklung
    • Erfolgreiches Management digitaler Wissenslücken durch funktionsübergreifende Teams
    • Schnellere Markteinführung und Amortisierung

    Handlungsbedarf

    • Stärkung agiler Teams, sodass diese die digitale Vision und alle Aktivitäten vollständig mittragen
    • Herunterbrechen von Produkteigenschaften in Komponenten mit hoher Priorität
    • Organisation um multidisziplinäre Teams mit der richtigen digitalen Expertise
    • Identifizierung und Stärkung der Produktverantwortlichen, die die unternehmerischen Herausforderungen und die Kundenbedürfnisse kennen
  • Mitarbeiter und digitale Kultur

    Die Transformation der Belegschaft als strategische Priorität schafft eine höchst agile Kultur die sich an den permanenten Wandel anpassen kann.

    Ausgangslage

    • Mangelndes Interesse der jungen Generation an der traditionellen Versicherungsbranche
    • Kulturelle und organisatorische Schwierigkeiten mit digitalem Denken, digitalen Verhaltensweisen oder Strategien
    • Bedarf an digital orientierten Mitarbeitern und neuen Fähigkeiten

    Handlungsbedarf

    • Digitale Vordenker im Unternehmen identifizieren und diese Mitarbeiter in digitaler Innovation weiterbilden
    • Innovativer digitale Erfolge kommunizieren
    • Multiplikatoren im Unternehmen etablieren, die digitale Maßnahmen vermitteln und moderieren
    • Strategien entwickeln, um digitale Fähigkeiten bzw. Millennials anzuziehen und ans Unternehmen zu binden
    • Digitale Weiterbildungsstrategien für das Personal aufbauen und beschleunigen
    • Den digitalen Wandel im Unternehmen durch Umfragen zur Unternehmenskultur kontinuierlich beobachten
  • Kundenaktivierung

    Digitale Versicherer setzen auf digitale und soziale Instrumente, um Wertversprechen zu kommunizieren. Durch personalisierte Botschaften und individuelle Angebote aktivieren sie Kunden.

    Ausgangslage

    • Digitale Kanäle ausbreiten, die Anbieter mit Kundensupport rund um Produkte und Dienstleistungen abdecken müssen
    • Unzufriedenheit der Kunden mit Marken, die nur Content verbreiten statt aktiv, persönlich und sinnvoll zu interagieren
    • Soziale Netzwerke werden zum einzigen Kanal, in dem sich Kunden über neue Produkte und Features informieren.

    Handlungsbedarf

    • Zweck des Unternehmens definieren und aufbauen, Anreize schaffen, um die Community zu pflegen
    • Echtes Interesse an Kundenbedürfnissen durch ansprechende Erlebnisse und Dienstleistungen bekunden
    • Abteilungsübergreifende Fähigkeiten und Ressourcen zur Befriedigung aller Kundenbedürfnisse bereitstellen
    • Erkenntnisse über den Kunden und die beste Ansprache aus Daten sammeln
    • UX durch Social Netzwerke verbessern, „Super-Nutzer“ als Berater einsetzen
  • Cybersicherheit und Risiko

    Eine umfassende Cybersecurity kann die Sicherheit an allen Integrations- und Zugangspunkten gewährleisten – doch die Verteidigung ist nur so stark wie das schwächste Glied.

    Ausgangslage

    • Schutz der Kundendaten als wertvolles Asset
    • Erhebliche finanzielle Auswirkungen und Reputationsrisiken, falls Kundendaten gefährdet sind
    • Zunehmende Raffinesse der Cyberkriminellen beim Angriff auf digitale Geräte und Integrationspunkte

    Handlungsbedarf

    • Identifizierung und Dokumentation aller Datenströme mit Drittparteien sowie über alle Systeme und Anwendungen hinweg
    • Sicherheits- und Schwachstellenprüfung aller internen und externen Anwendungen, die zur Sammlung, Verarbeitung, Speicherung und Übertragung von Kundendaten genutzt werden
    • Definition von Anforderungen an Dritte, Einbettung vertraglicher Verpflichtungen, Etablierung klarer SLAs und regelmäßige Überprüfung aller Kontrollmechanismen
    • Implementierung und Tests ganzheitlicher Notfallpläne für Datenlecks
  • Erfahrungsdesign

    Ansprechende Multichannel-Erfahrungen sind eine entscheidende Grundsäule, um Kundenerwartungen zu erfüllen.

    Ausgangslage

    • Schlechte digitale Touchpoints oder Nutzererfahrungen schädigen die Kundenbeziehung und sorgen für einen Wertverlust der Marke.
    • Qualität und Einheitlichkeit über alle Kanäle hinweg ist nicht gegeben.
    • Kostensenkung durch vereinfachte Prozesse
    • Höhere Konversionsraten und geringere Kundenabwanderung

    Handlungsbedarf

    • Innovative Erfahrungen mit operativen Prozessen und entsprechenden Technologien verbinden
    • Design von emotionalen Erfahrungen, um mit den Kunden an den wichtigsten Berührungspunkten im Kundenerlebnis effektiv zu interagieren
    • Analytics anwenden, um Erkenntnisse über den Kunden auf Basis seiner Bedürfnisse zu gewinnen
    • Tracking von digitalen und technologischen Trends, die das Konsumentenverhalten beeinflussen Kontinuierlich Kundenerfahrung verbessern und neu ausrichten
  • Daten und Analytics

    Traditionelle und digitale Analysemethoden können in der gesamten Wertschöpfungskette genutzt werden, um relevante Echtzeitinformationen zu erhalten und konkrete Aktivitäten auszulösen.

    Ausgangslage

    • Kunden erwarten personalisierte Erlebnisse auf Basis ihrer individuellen Bedürfnisse.
    • Wettbewerbsvorteile für jeden Versicherer, der den Datenpool für sich nutzt
    • Notwendigkeit eines besseren, schnelleren und informierteren Entscheidungsfindungsprozesses in allen Bereichen des Unternehmens

    Handlungsbedarf

    • Datenpool für die Sammlung und das Management aller Datentypen mit Echtzeit-Zugang für alle relevanten Analysten etablieren
    • Integration von Analytics in Entscheidungen und Einbeziehung von Kontextfaktoren in die Analyse
    • Bessere Voraussetzungen für die Nutzung und Übernahme durch Anwendung intuitiver Designprinzipien
    • Automatisches Tracking und Feedback zu den Ergebnissen jeder Entscheidung oder Aktivität
  • Digitale Architektur

    Um die steigenden Bedürfnisse technikaffiner Kunden zu erfüllen, brauchen digitale Versicherer flexible und moderne Architekturen und Plattformen.

    Ausgangslage

    • Technologie, die Geschwindigkeit und Wachstum ermöglicht und Innovationszyklen beschleunigt
    • Überragende Echtzeit-Erfahrungen mit nahtloser Integration unterstützender Technologien
    • Die Bedeutung von Technologien nach dem Baukastenprinzip schwindet.

    Handlungsbedarf

    • „Platform-as-a-Service“ statt Baukastenprinzip
    • Team für die Unternehmensplattform aufbauen, das sich auf Message Broker, die Plattformwahl und DevOps konzentriert
    • Anwendungen in unabhängige Mikroservices nach dem Twelve Factor App-Prinzip aufbrechen
    • Strategie für die Architekturtransformation formulieren, die den Weg von aktuellen zu zukünftigen Komponenten freimacht
  • Digitale Governance

    Eine effektive digitale Transformation ist eine großangelegte Unternehmensaufgabe und muss deshalb umsichtig gesteuert werden. Die Rollen müssen klar verteilt und die Prozesse stringent auf Innovation ausgerichtet werden.

    Ausgangslage

    • Selbst agile Teams laufen Gefahr, unbrauchbare Ergebnisse zu erzielen, wenn sie nicht adäquat koordiniert und integriert werden.
    • Im schnellen Takt des Digitalen benötigen Teams einen einfachen Zugang zu Entscheidungsträgern, damit sie Konflikte schnell lösen können.
    • Eine umfassende digitale Transformation mit einer optimalen Supportstruktur und entsprechender Vernetzung entscheidet über den Erfolg.

    Handlungsbedarf

    • Solide aber flexible Governance-Strukturen etablieren, um sich schnell an neue Bedürfnisse oder Ziele anzupassen
    • Eindeutige Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, Verhaltensrichtlinien für Konflikte definieren
    • Digitale Governance-Strukturen in allen Prozessen umsetzen, damit dieser Ansatz schnell zum Alltag wird
    • Entscheidungskompetenzen für unterschiedliche Hierarchieebenen zur Vermeidung bürokratischer Staus festlegen
    • Aufbau funktionsübergreifender Management-Komitees für strategische Kern-Assets und Stärkung von Kollaboration und digitaler Ausrichtung

Der Versicherer der Zukunft

Der Versicherer der Zukunft unterscheidet sich in seinem Auftreten, seinen Handlungen und seiner Struktur deutlich von heutigen Unternehmen. Versicherer agieren nicht mehr produktorientiert, sondern kundenorientiert. Sie konzentrieren sich auf Erfahrungen statt auf die Kosten-Nutzen-Rechnung. Sie beruhen nicht auf Tradition und Erbe, sondern auf Innovation. Und sie sind agil und anpassungsfähig, statt sich dem Wandel zu widersetzen.

Diese Veränderungen werden sich besonders deutlich in folgenden fünf Bereichen äußern.

  • Produkt und Versicherung

    Traditioneller Versicherer

    Komplizierte Features, lange Einführungszyklen, unternehmens- und wirtschaftsgetriebene Angebote, vorab festgelegter Preis, abhängig von manuellen Vorarbeiten

    Digitaler Versicherer

    Schnelle Markteinführung, Lifestyle-orientierte und an Kundenbedürfnissen ausgerichtete Angebote, intern und extern geschaffene Funktionen, maßgeschneiderte und präzisere Preisbildung, Unterstützung durch Technologien wie Drohnen

  • Marketing und Vertrieb

    Traditioneller Versicherer

    Maklerbasiert, klassische Marketingstrategien mit Massenwerbung auf klassischen Kanälen

    Digitaler Versicherer

    Gezielte digitale, personalisierte und kontextualisierte Kundenansprache. Social-Media-basiert mit hohen Interaktions-Quoten

  • Kundenservice und Abläufe

    Traditioneller Versicherer

    Produktzentriert, Makler, Telefon und Papier, arbeitsintensiv und umständlich

    Digitaler Versicherer

    Kundenzentriert mit Omnichannel-Präsenz, einfach und nahtlos, problemloser Self-Service

  • Versicherungsfälle

    Traditioneller Versicherer

    Manuelle Bearbeitung, lange Wartezeiten, abhängig von subjektiven Informationen und Selbstauskünften

    Digitaler Versicherer

    Automatische Bearbeitung, schnelle Rückmeldung, objektiv gemessene und gesammelte Daten

  • Risikomanagement

    Traditioneller Versicherer

    Reaktiv, konzentriert sich auf die Minimierung der Folgen von Risiken, verlässt sich auf breite demografische und historische Informationen

    Digitaler Versicherer

    Aktiv, überwacht Wahrscheinlichkeiten von Risiken, ist vermeidungsorientiert, verlässt sich auf umfassende Echtzeitdaten

Fazit

Der digitale Versicherer unterscheidet sich in seinem Auftreten, seinen Handlungen und seiner Struktur deutlich vom traditionellen Unternehmen. Zum Glück erzielen Versicherer mit digitalen Transformationsprogrammen häufig sehr rasch einen Mehrwert und fördern dabei nicht nur die künftige Innovation, sondern sorgen langfristig für Flexibilität im Unternehmen.

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Shaun Crawford

EY Global Vice Chair – Industry

Driving solutions designed to reshape global markets and industry through convergence and disruption.

David Hollander

EY Global Insurance Leader

Transformation leader in insurance. Committed to help strategically reshape the industry’s business model for today’s digital age.