Kapitel 1
Die Elektrifizierung des Transportsektors
Der Transportsektor verursacht in der EU 27 % der Emissionen und in den USA 29 %
Der Anteil von Elektrofahrzeugen wächst mit zunehmenden Tempo; um Netto-null-Verpflichtungen erfüllen zu können, muss der gesamte Straßenverkehr dekarbonisiert werden.
Die Chance
EY-Teams untersuchten in einer Studie 29 Profit-Pools daraufhin, welches die acht attraktivsten Bereiche für Versorgungsunternehmen sind. Sie fanden heraus: Am bedeutendsten ist der Verkauf von Strom zum Aufladen von Elektromobilen – „Eletric Vehicles“ (EVs) – einschließlich Stromlieferungen an private und gewerbliche Lade- und Batteriewechselstationen.
Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs verursacht eine enorme neue Nachfrage nach Energie. Laut der International Energy Agency (IEA)3 wird der Strombedarf für die Versorgung von Elektromobilen in einem konservativen Szenario bis 2030 weltweit auf fast 640 Terawattstunden (TWh) ansteigen, im EV30@30-Szenario, das bis zu diesem Jahr von einem Marktanteil von E-Mobilen von 30 % ausgeht, sogar auf 1.110 TWh – das ist mehr als dreimal so viel, wie der gesamte Stromverbrauch Großbritanniens im Jahr 2018 betrug.
EY-Teams untersuchten in einer Studie 29 Profit-Pools daraufhin, welches die acht attraktivsten Bereiche für Versorgungsunternehmen sind. Sie fanden heraus: Am bedeutendsten ist der Verkauf von Strom zum Aufladen von Elektromobilen – „Eletric Vehicles“ (EV) – einschließlich Stromlieferungen an private und gewerbliche Lade- und Batteriewechselstationen.
Der zweitgrößte Profit-Pool sind öffentliche Ladestationen: schlüsselfertige Lösungen für die Installation öffentlicher EV-Ladestationen, Bewertungen und Auswahl von Standorten und Ladegeräten sowie Betrieb und Wartung der Stationen.
Elektrofahrzeuge, genauer gesagt: ihre Batterien, könnten auch Teil der Lösung für die Probleme sein, die bei der Versorgung durch sogenannte flukturierende Energien entstehen: erneuerbare Energien, die nicht dauerhaft zur Verfügung stehen. Smarte Netze – sogenannte Smart Grids – und flexible, nach Nutzungszeiten gestaffelte Tarife könnten durch erneuerbare Energien produzierte Überschüsse aufnehmen und die Nachfrage zu Spitzenzeiten zu senken. Wenn die Vehicle-to-Grid-(V2G-)Technologie marktfähig wird, könnten Millionen parkende EVs zu einem riesigen virtuellen Kraftwerk zusammengeschaltet werden, um die Nachfrage in Zeiten abzudecken, in denen kaum erneuerbare Energie produziert wird, beispielsweise an windstillen Winterabenden.
Die Entwicklung einer EV-Infrastruktur bietet auch Chancen für Energieversorger. So hat beispielsweise SSE Enterprise, eine Tochter des britischen Energieversorgers SSE, eine Reihe von Lösungen für die Elektrifizierung von Fahrzeugflotten von Unternehmen und Behörden im Programm.
„Wir bauen, betreiben, warten und optimieren lokale Energieinfrastrukturen für Elektromobile“, sagt Kevin Welstead, Sector Director Elektrofahrzeuge bei SSE Enterprise.
Die Herausforderung
Die größte Herausforderung besteht darin sicherzustellen, dass diese Infrastruktur den erwarteten Strombedarf abdecken kann. Dieser wird sich vermutlich auf bestimmte Tagesabschnitte konzentrieren, wie die schon jetzt üblichen Spitzen am Abend, wenn die Pendler nach Hause kommen.
„Wird der Bedarf des Verkehrssektors die derzeitigen Nachfragespitzen noch verstärken? Auf diese Frage gibt es noch keine Antwort. Aber wir können nicht einfach die Kapazitäten so weit ausbauen, bis sie die größtmögliche Nachfrage befriedigen“, sagt Maria Bengtsson, Director der Transaction Advisory Services von Ernst & Young LLP.
Überschaubare Fortschritte gibt es auch bei der Einführung der V2G-Technologie, die es Netzbetreibern ermöglicht, die Batterien von Elektrofahrzeugen als riesige Stromquelle zu nutzen.
Die Finanzierung der EV-Infrastruktur ist auch in Sachen Gerechtigkeit eine Herausforderung, insbesondere in der Anfangsphase. Sollen Versorger und Netzbetreiber – wie heute üblich – die Investitionen unter allen Stromkunden aufteilen? Oder sollten diejenigen den größten Teil der Kosten übernehmen, die davon profitieren: die kaufkräftigen Early Adopters?
Wird der Bedarf des Verkehrssektors die derzeitigen Nachfragespitzen noch verstärken? Auf diese Frage gibt es noch keine Antwort. Aber wir können nicht einfach die Kapazitäten so weit ausbauen, bis sie die größtmögliche Nachfrage befriedigen.
Was muss passieren?
Laut der Bloomberg-Studie New Energy Finance werden ab 2022 die Kaufpreise für E-Mobile unter denen von Autos mit Verbrennungsmotoren liegen. 4 Staatlich geförderte finanzielle Anreize können die Marktdurchdringung weiter beschleunigen: In Norwegen, das attraktive Steuervergünstigungen und Mautermäßigungen bietet, war fast jeder zweite im ersten Halbjahr 2019 verkaufte Neuwagen ein E-Mobil.
Gleichzeitig müssen Regierungen tätig werden, um den Aufbau einer Elektro-Ladeinfrastruktur zu koordinieren, sagt Kevin Welstead von SSE. Wird hier eine Vielzahl von Bürokratieebenen involviert, kann dies nach seiner Erfahrung Planungen und Genehmigungsverfahren verkomplizieren.
Im selben Tempo, in dem sich Elektrofahrzeuge durchsetzen, müssen sich Verhalten und Einstellung von Fahrzeugbesitzern ändern, sagt Maria Bengtsson. Sie müssten sich daran gewöhnen, dass ein Fremder den Strom ihrer Batterie nutzt. „Man gibt Kontrolle ab“, erläutert sie, „darum muss es ein klar definiertes Geschäftsmodell geben.“
Wesentlich dringender sei es, Technologien, rechtliche Rahmenbedingungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die eine V2G-Stromversorgung ermöglichen. Denn viele der derzeit installierte Ladestationen lassen keinen Stromfluss in beide Richtungen zu.
Kapitel 2
Heizen und Kühlen
Laut der International Energy Agency (IEA) entfallen derzeit rund 30 % des globalen Endenergieverbrauchs auf Gebäude
Mehr als die Hälfte der Gebäudeenergie wird aus Erdgas, Kohle oder Biomasse erzeugt und rund ein Viertel der in Wohngebäuden5 verbrauchten Energie aus Strom. Derzeit zeichnen sich typische Heiz-Verbrauchsmuster vor allem durch eine weite Streuung der Energiequellen, meist Gas-Thermostate, und – in kälteren Ländern – durch Nachfragespitzen aus.
Die Chance
So wie das Verkehrswesen bietet auch der Wärmesektor ein beträchtliches Potenzial zur Elektrifizierung. Erd- oder Luftwärmepumpen sind drei- bis viermal effizienter als andere Heizungstypen. Sie könnten in einigen Märkten einen großen Teil der konventionellen Heizungen ersetzen.
So wie der Verkehrssektor bieten auch Heizungen in Wohnungen enormes Potenzial, als riesige, verteilte Energiespeicher zu dienen. Smarte elektrische Boiler könnten so eingestellt werden, dass sie heizen, wenn die Produktion erneuerbarer Energien ansteigt, und sich abschalten, wenn die Nachfrage ansteigt.
Versorgungsunternehmen bietet sich ein beträchtliches Potenzial, Produkte und Dienstleistungen rund um das Energiemanagement zu entwickeln und auszubauen. Dazu gehören smarte Haustechnologie, smarte Tarife, Gebäudemanagement samt Zusatzleistungen, Anlagenwartung und Gebäudeenergiemanagementsysteme.
Auch Fernwärmesysteme, die industrielle Abwärme, Großwärmepumpen oder Biomasse nutzen, bergen ein erhebliches Potenzial zur Emissionsminderung.
Staaten und Unternehmen untersuchen Alternativen, etwa die Substitution von Erdgas durch CO2-neutrales Biogas oder grünen Wasserstoff. Die Entscheidung für den richtigen Weg ist komplex, aber die hohe Verfügbarkeit und die wettbewerbsfähigen Kosten CO2-freier Elektrizität werden voraussichtlich zu einer deutlichen Erhöhung des Elektrizitätsanteils im Wärmemix führen.
Versorgungsunternehmen bietet sich ein beträchtliches Potenzial, Produkte und Dienstleistungen rund um das Energiemanagement zu entwickeln und auszubauen. Dazu gehören smarte Haustechnologie, smarte Tarife, Gebäudemanagement samt Zusatzleistungen, Anlagenwartung und Gebäudeenergiemanagementsysteme.
Die Herausforderung
„Regierungen müssen energische politische Maßnahmen ergreifen: CO2-armes Heizen und Kühlen muss für Neubauten Pflicht werden“, sagt Joseph Dutton von E3G.
Wärmepumpen haben in gut isolierten Häusern den größten Effekt. Daher sind bei Bestandswohnungen radikale Vorschriften zur Isolierung notwendig, insbesondere bei älteren Objekten. Richard Lowes, Research Fellow und Mitglied der Energy Policy Group an der britischen Universität Exeter, sagt: „Solche Initiativen müssen unter staatlicher Führung stehen und sicherstellen, dass die notwendige Expertise für fachgerechtes Nachrüsten zu mehr Energieeffizienz vorhanden ist.“
Um den Heizsektor zu dekarbonisieren, seien einschneidende politische Eingriffe notwendig. Neben der Finanzierung gehöre dazu, Verantwortung an lokale Behörden zu übertragen und Gebäudeeigentümern attraktive finanzielle Anreize zu bieten, ihre Gas-Boiler auszutauschen, sowie möglicherweise eine CO2-Steuer auf Gas, das zum Heizen verwendet wird. Aber auch private Unternehmen könnten Angebote entwickeln, die nachfragebasierte Stromtarife mit Finanzierungsmodellen kombinieren, um Hausbesitzer den Kauf von Wärmepumpen ermöglichen.
„Es ist möglich, ohne zusätzliche Kosten für den Verbraucher CO2-arm zu heizen […] Die Privatwirtschaft könnte es schaffen, dass dieser Wunschtraum wahr wird“, sagt Richard Lowes, Research Fellow und Mitglied der Energy Policy Group an der britischen Universität Exeter.
„Fernwärmesysteme müssen flexibel geplant werden“, sagt Stuart Allison, Head of Solutions bei Vattenfall. „Die technischen Entscheidungen, die heute getroffen werden, und die Verträge, die heute geschlossen werden, müssen bereits auf den Übergang zu einer CO2-freien Wirtschaft ausgelegt sein.“ Schon heute gebe es technische Lösungen für den Bau CO2-freier Fernwärmesysteme, doch aus Kostengründen könnten sie zunächst nur als CO2-arme Systeme betrieben werden – mit dem klaren Ziel, CO2-freie Fernwärmesysteme voranzutreiben, sobald die Gegebenheiten des Marktes es erlauben.
„Es ist möglich, ohne zusätzliche Kosten für den Verbraucher CO2-arm zu heizen […] Die Privatwirtschaft könnte es schaffen, dass dieser Wunschtraum wahr wird.“
Kapitel 3
Die Wasserstoffwirtschaft
Wasserstoff bietet als potenziell CO2-armer Energieträger eine Reihe von Vorteilen
Ebenso wie flüssige fossile Brennstoffe hat Wasserstoff eine hohe Energiedichte und eignet sich damit für den Antrieb von Fahrzeugen, das Beheizen von Gebäuden und sogar als Energiequelle für industrielle Anwendungen wie die Stahlproduktion. Er ist ungiftig, in Form von Wasser und Erdgas im Überfluss vorhanden – und emissionsfrei, wenn er durch Elektrolyse von Strom aus erneuerbar hergestellten Energien produziert wird oder durch Gas, das durch Kohlenstoffabscheidung und -speicherung gewonnen wird. Andererseits ist er leicht entzündlich und muss unter Druck gelagert und transportiert werden – was die Kosten erhöht.
Die Chance
Wasserstoff bietet die Perspektive, bei der Dekarbonisierung des Verkehrs-, Wärme- und Industriesektors zu helfen, und eröffnet gleichzeitig eine Nutzungsmöglichkeit für überschüssige erneuerbare Energie. Die International Renewable Energy Association (IRENA) schätzt, dass Wasserstoff im Jahr 2050 bis zu 6 % des Endenergiebedarfs abdecken könnte, der Branchenverband Hydrogen Council glaubt sogar, dass es bis zu 18 % sein könnten.6
In einer Reihe von Pilotprojekten werden bereits fossile Brennstoffe durch Wasserstoff ersetzt:
- Der schwedische Energieversorger Vattenfall arbeitet zusammen mit Preem, einem schwedischen Mineralölunternehmen und Raffineriebetreiber, an einer 20-Megawatt-Wasserstoff-Pilotanlage, in der erneuerbare Energie zur Elektrolyse von Wasser eingesetzt wird.
- Der Stahlhersteller ArcelorMittal investiert 65 Millionen Euro in ein Pilotprojekt nahe Hamburg, in dem Kokskohle durch Wasserstoff ersetzt wird, der mit Strom aus Offshore-Windparks erzeugt wurde.
- In Großbritannien arbeiten das dänische Öko-Energie-Unternehmen Ørsted, das Brennstoffzellenunternehmen ITM Power und die auf erneuerbare Energien spezialisierte Entwicklungsfirma Element Power gemeinsam in einem staatlich finanzierten Projekt, um die großflächige Versorgung mit grünem Wasserstoff auszutesten.
- Die Regierung des australischen Bundesstaates Südaustralien hat einen Wasserstoff-Aktionsplan (PDF)7 entwickelt, der den Bundesstaat zu einem der bedeutendsten Produzenten und Exporteure von grünem Wasserstoff machen könnte, aufbauend auf einem erheblichen Ausbau seiner Kapazitäten an erneuerbaren Energien.
Für Energieversorger könnte die Wasserstoffproduktion insbesondere in Szenarien, in denen ein großer Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien stammt und periodisch große Überschüsse produziert werden, eine große Rolle bei dessen saisonaler Speicherung spielen, sagt IRENA.
Die Herausforderung
Die größte Herausforderung sind die mit der Herstellung von grünem Wasserstoff verbundenen Kosten und die enormen Investitionen in die Infrastruktur, die für seine flächendeckende Nutzung erforderlich sind. Die Kosten sinken bereits, dennoch kann Wasserstoff derzeit nicht wirtschaftlich produziert werden, außer für einige wenige hochwertige Nischenanwendungen.
Kostenvergleiche mit fossilen Brennstoffquellen müssen jedoch in das richtige Verhältnis gesetzt werden, sagt Tim Calver, Associate Partner der Advisory bei EY: „Wasserstoff schafft auch Werte, weil er als Energieträger Strom- und Gasnetze miteinander verknüpfen kann, das langfristige Speichern großer Volumina fluktuierender Leistung ermöglicht und die Funktionalität eines brennbaren Gases statt der von Elektronen besitzt.
Die größte Herausforderung sind die mit der Herstellung von grünem Wasserstoff verbundenen Kosten und die enormen Investitionen in die Infrastruktur, die für seine flächendeckende Nutzung erforderlich sind. Die Kosten sinken bereits, dennoch kann Wasserstoff derzeit nicht wirtschaftlich produziert werden, außer für einige wenige hochwertige Nischenanwendungen.
Was muss passieren?
„Voraussetzung für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist die schnelle Skalierung“, sagt Calver. „Regierungen können dabei helfen, indem sie groß angelegte Feldversuche fördern – nur so lassen sich mehrere Herausforderungen auf einmal angehen und Skalierungseffekte erzielen.“ Zudem sollte der Fokus vorrangig auf Projekten liegen, bei denen große Mengen nachgefragt werden, beispielsweise im industriellen Bereich, statt auf Projekten, bei denen Wasserstoff für das Heizen von Wohnungen eingesetzt wird.
Darüber hinaus müssen Gesetzgeber und Regulierungsbehörden einen systemischen Ansatz verfolgen. „Es geht darum, die Nutzung von Strom und Gas so aufeinander abzustimmen, dass sie Treiber einer tiefgehenden Dekarbonisierung sein können“, sagt Calver. „Dazu müssen Regeln geschaffen werden, die sowohl für Strom- als auch für Gasmärkte gelten.“
Kapitel 4
Infrastruktur des Stromnetzes
Eine CO2-freie Stromversorgung benötigt ein vollkommen neuartiges Verteilnetz
Wir brauchen ein Verteilnetz, das sich von zentralisierten Erzeugungsquellen wegbewegt, hin zu einem Modell Hunderttausender kleiner und kleinster Netze erneuerbarer Energie, die Angebot und Nachfrage viel dynamischer aufeinander abstimmen können und dabei auch große Speicher nutzen. Für die Übertragungs- wie auch für die Verteilsysteme werden erhebliche Investitionen erforderlich sein, nicht nur in die Leitungen selbst, sondern auch in die IT, die notwendig ist, um ein zunehmend komplexes und fluktuierendes System auszubalancieren.
Die Chance
Netzbetreibern, die kostendeckend arbeiten und zudem eine Marge der Regulierungsbehörden erhalten, bietet dies die Chance für bedeutende Investitionen. Institutionellen Investoren eröffnet die Netzmodernisierung die Möglichkeit stetiger, geregelter Einnahmen.
„Es sind massiver Einsatz von Kapital erforderlich“, sagt EY-Mitarbeiter Calver. „Derzeit verhandeln Regulierungsbehörden sehr hart über die Höhe von Vergütungen, was aus Verbrauchersicht verständlich ist. Aber Sie sollten die Netzbetreiber nicht von Investitionen abhalten.“
„Die größten Veränderungen werden an den Rändern der Netze passieren, bei der Verteilung, um eine hohe Durchdringung der variablen Ressourcen zu ermöglichen“, sagt Juan Torres, stellvertretender Laborleiter für die Integration von Energiesystemen beim US-amerikanischen National Renewable Energy Laboratory (NREL). „Wir müssen wesentlich intelligentere Technik einsetzen, um Netzschwankungen zu bewältigen.“
„Die größten Veränderungen werden an den Rändern der Netze passieren, bei der Verteilung, um eine hohe Durchdringung der variablen Ressourcen zu ermöglichen“, sagt Juan Torres, stellvertretender Laborleiter für die Integration von Energiesystemen am US-amerikanischen National Renewable Energy Laboratory (NREL).
„Netzbetreiber überlegen, wie sie künstliche Intelligenz und Big Data nutzen können, um Netze zuverlässiger zu machen. Wir haben die Chance, dass sich Technologien, mit denen Netze gemanagt werden, rasch fortentwickeln."
Wir haben die Chance, dass sich Technologien, mit denen Netze gemanagt werden, rasch fortentwickeln.
Die Herausforderung
Laut Kevin Schneider, Chefingenieur am Pacific Northwest National Laboratory (PNNL), wird es eine besondere Herausforderung sein, die Umsatzverluste zu kompensieren, die Versorgungsunternehmen die Verteilnetze betreiben, durch die Umstellung auf günstigere erneuerbaren Energien erleiden. „Sie werden sich Einnahmequellen in Bereichen außerhalb des reinen Stromverkaufs erschließen müssen, beispielsweise in der Beratung.“
Hinzu komme, dass sich die Kommunikationsfähigkeit moderner Netze in anderen Dimensionen bewege als die herkömmlicher Netze. Darum müssten auch Netzbetreiber oder andere Akteure einbezogen werden, die wesentlich mehr Zugriff auf die Assets externer Anbieter hätten, beispielsweise auf Batterien und intelligente Heiz- und Kühlsysteme.
Ein weiterer, oft übersehener Aspekt seien die Arbeitskräfte, die für den Betrieb eines zunehmend komplexen Stromnetzes benötigt werden.
Das verursache enorme Kosten. „Vor 20 Jahren brauchte man Teams, die Lkw mit Hebebühnen bedienten, das war eine sehr handwerkliche Tätigkeit. Heute sind die Jobs technologisch wesentlich anspruchsvoller und erfordern eine bessere Ausbildung.“
Was muss passieren?
Laut Calver ist es notwendig, die Mechanismen, mit denen derzeit Angebot und Nachfrage auf der Übertragungsebene gemanagt werden, auf die Verteilebene zu übertragen, um kleine, lokale Erzeugungsquellen und Lasten aufzubauen. „Wir müssen neue, automatisierte Technologien, neue wirtschaftliche Mechanismen und neue wirtschaftliche Anreize nutzen, um Angebot und Nachfrage auf lokaler Ebene auszugleichen. Das würde dazu beitragen, Investitionen auf der Übertragungs- und Verteilebene zu verbessern.“
Eine wesentliche Rolle für den Übergang und die Gewährleistung der Netzstabilität werden dezentrale Netzbetreiber (Distributed System Operators [(DSOs]) spielen, die dafür verantwortlich sind, neue Kapazitäten ans Netz anzuschließen und die Netze so auszubauen, dass die weniger empfindlich auf Schwankungen reagieren. Diese müssen in die Lage versetzt werden, durch vorausschauende Regulierung, smarte Technologie und eine stärkere Interaktion mit den Kunden flexible Mechanismen einzusetzen, etwa nachfragegesteuerte Reaktionen und Speicherkapazität. Die EY-Teams haben gemeinsam mit Eurelectric Leitlinien (PDF)8 für dezentrale Netzbetreiber, Regulierungsbehörden und politische Entscheidungsträger erstellt, um den Aufbau der nächsten Generation von DSOs voranzubringen.
Hinzu kommen Veränderungen, die weniger greifbar sind , so Kevin Schneider vom PNNL. So müssten Regulierungsbehörden, Energieversorger und Netzbetreiber eng zusammenarbeiten, um Prozesse voranzutreiben, während die Regulierungsbehörden mehr Verständnis für die technischen Voraussetzungen aufbauen müssen. „Regulierer sind in der Regel keine Netzingenieure. Aber sie müssen in der Lage sein, an vertrauenswürdige Informationen zu gelangen, um sicherzustellen, dass das, was sie vorschlagen, Hand und Fuß hat.“
Fazit
Der Artikel gibt einen Überblick über die Chancen und Herausforderungen, denen Energieerzeuger und Energieversorger gegenüberstehen, aufgeteilt in die vier bedeutendsten Bereiche des gesamten Dekarbonisierungsspektrums: Elektrifizierung des Verkehrs, kohlenstoffarmes Heizen und Kühlen, eine grüne Wasserstoffwirtschaft und ein intelligentes Übertragungs- und Verteilnetz.