4 Minuten Lesezeit 10 April 2019
Mann im lichtdurchfluteten Büro

Digitales Büro: Wie sich Immobilienanbieter für die Zukunft wappnen

Von Alexander Hellmuth

Partner Strategy and Transactions, EY Real Estate GmbH | Deutschland

Arbeitet gemeinsam mit seinem Team an der Digitalisierung der Immobilienwirtschaft. Dabei fokussiert er sich stark auf den Einsatz innovativer Technologien.

4 Minuten Lesezeit 10 April 2019

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Im Zuge der Digitalisierung konzipieren Anbieter ihre Büroimmobilien neu. Nutzer sind nicht von jeder Neuerung überzeugt. Das lässt sich ändern.

Die Immobilienwirtschaft gilt als eher konservative Branche – und sie hängt in Sachen Digitalisierung anderen Bereichen hinterher. Doch gerade bei Büroimmobilien ist der Zugzwang besonders groß. Anbieter müssen ihre bewährten Geschäftsmodelle und Prozesse überdenken, denn vermeintliche Zukunftstechnologien werden für sie schon bald zum Alltag gehören.

Die meisten Immobilienunternehmen haben mittlerweile zumindest erkannt, in welche Richtung die Entwicklung geht. Die dritte Digitalisierungsstudie von EY Real Estate und ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, zeigt: Unternehmen sind sich der Herausforderung bewusst und verstehen auch, dass sie mehr investieren müssen.

Doch welche Innovationen sind jetzt besonders wichtig, um fit für die Zukunft zu sein – und welche sind weniger zwingend notwendig?

Der digitale Wandel beschleunigt sich entsprechend. In vielen Bereichen können wir bereits beobachten, wie neue Technologien und Geschäftsmodelle die Arbeits- und Denkweise unserer Branche verändern, auch getrieben durch das veränderte Immobiliennutzer- und Investorenverhalten.
Dr. Alexander Hellmuth
Partner Strategy and Transactions, EY Real Estate GmbH | Deutschland

Büroimmobilien: „Fragt Eure Nutzer!“

Die Büroimmobilie kann als Fundament der deutschen Volkswirtschaft gelten – jeder dritte Erwerbstätige hat hier seinen Arbeitsplatz. Um ihren Nutzern ein optimales Arbeitsumfeld zu bieten, passen Anbieter ihre Konzepte ständig an. Dabei müssen sie sowohl auf die aktuellen Bedürfnisse Rücksicht nehmen als auch den Blick in die Zukunft richten, damit ihre Immobilien gut vorbereitet für künftige Entwicklungen sind.

„Fragt Eure Nutzer!“ ist die Prämisse. Wer seine Kunden konsequent in die Planung miteinbezieht und auf ihre Wünsche reagiert, wird seine Flächen langfristig besser vermieten.

Elektromobilität

66%

der Immobiliennutzer legen kaum oder gar keinen Wert auf Angebote rund um Elektromobilität. Dennoch wollen 60 Prozent der befragten Immobilienunternehmen in den kommenden fünf Jahren in entsprechende Infrastruktur investieren.

Wenn Angebot und Nachfrage nicht zusammenpassen

Bei vielen Büroimmobilien besteht eine Kluft zwischen dem, in was Anbieter investieren, und dem, was Nutzer nachfragen. Das zeigt die Studie, für die ZIA und EY 300 Immobilienunternehmen und mehr als 3.000 Büronutzer befragt haben.

  • Fast neun von zehn Anbietern gehen von einer hohen Nachfrage nach Ladestationen für Elektrofahrzeuge aus. Teure Investitionen in die entsprechende Infrastruktur sind die Folge. Doch fast zwei Drittel der befragten Nutzer finden solche Angebote zur E-Mobilität unwichtig.
  • Unternehmen investieren seit Jahren in Nachhaltigkeitszertifikate, um zum Beispiel die Energieeffizienz ihrer Gebäude unter Beweis zu stellen. Doch für mehr als die Hälfte der befragten Nutzer sind solche Zertifikate bei der Standortwahl eher unwichtig.
  • Die meisten Anbieter glauben, dass ihre Kunden sich digitale Türschlösser und „Smart Metering“, also Verbrauchsabrechnung in Echtzeit, wünschen. Doch weniger als die Hälfte investiert tatsächlich in diese Technologien.

Setzen Unternehmen also oft unpassende Prioritäten, die nicht mit den Kundenwünschen übereinstimmen?

Digitale Technologien als Helfer im Büroalltag

Nutzer finden Digitalisierung offenbar vor allem dort sinnvoll, wo sie ihre Arbeit direkt unterstützt oder ermöglicht – und nicht dort, wo sie nur als „nice to have“ wahrgenommen wird. Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Nachhaltigkeitszertifikate eignen sich derzeit also offenbar wenig als Vermarktungsargumente. Gleiches gilt für Convenience-Angebote wie Post-Packstationen.

Nur weil Dinge heute schon möglich sind, heißt es nicht, dass die auch nachgefragt werden. Für Büronutzer ist Digitalisierung ebenso ein Lernprozess wie für Bürovermieter.
Martin Rodeck
Innovationsbeauftragter des ZIA und Executive Managing Director EDGE Technologies

Dennoch sollten Unternehmen sich bei ihren Entscheidungen nicht nur von den aktuellen Vorlieben der Nutzer leiten lassen. Das zeigt auch ein weiterer Bereich, in dem die Prioritäten auf Angebots- und Nachfrageseite derzeit scheinbar nicht zusammenpassen: Moderne, flexible Büroraumkonzepte.

Skepsis gegenüber flexibler Raumaufteilung

Freie Arbeitsplatzwahl, offen gestaltete Kreativ- und Allgemeinräume und Telefonkabinen für ungestörte Gespräche: Derlei moderne Flächenkonzepte sind in deutschen Büroimmobilien längst Normalität. Das gilt vor allem für Neubauten, aber auch für sanierte Bestandsgebäude.

Ausgerechnet diese Angebote scheinen bei Nutzern aber auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Mehr als die Hälfte der 3000 Befragten gab zu Protokoll, flexible Raumkonzepte seien ihnen weniger oder gar nicht wichtig. 

Smart Office

88%

der befragten Immobilienunternehmen denken, ihre Kunden bestehen auf Smart Office. Doch nur 32 Prozent der Büronutzer legen tatsächlich Wert darauf.

Jüngere haben andere Anforderungen

Die Bereitschaft, sich auf solche neuen Konzepte einzulassen, hängt offenbar wesentlich vom Alter ab. Jüngere Nutzer bewerteten innovative Angebote im Schnitt positiver als ältere. Über kurz oder lang werden „Digital Natives“ die Mehrheit der Gesellschaft und damit auch der Büronutzer stellen – Menschen also, die in einer digitalen Welt aufgewachsen sind und versiert mit digitalen Technologien und Anwendungen umgehen können. Damit dürfte auch die Bedeutung von Angeboten wie flexiblen Raumkonzepten tendenziell weiter steigen.

Coolness-Faktor: Fintech-Mitarbeiter haben hohe Ansprüche

In besonders jungen Bereichen wie der Fintech-Branche hat sich diese Einsicht bereits durchgesetzt. Die Mitarbeiter dort erwarten und schätzen „coole“, also flexible und moderne Arbeitsumgebungen ohne fest zugewiesene Schreibtische. Ganz sicher wollen sie nicht mehr in als langweilig empfundenen Raumkonzepten aus den 1980er-Jahren arbeiten. Auch in anderen Branchen wird sich die Nachfrage weiter in diese Richtung verschieben.

Analog gilt das für Bereiche wie Elektromobilität. Wer jetzt in Ladestationen oder andere Infrastruktur investiert, die auch mittelfristig noch nutzbar ist, handelt also nicht verkehrt – selbst wenn eine Mehrheit der befragten Nutzer noch andere Prioritäten hat.

Bislang nutzen die wenigsten Büronutzer Elektroautos. Dennoch müssen wir uns als Branche heute schon damit beschäftigen, um die künftige Nachfrage bedienen zu können.
Martin Rodeck
Innovationsbeauftragter des ZIA und Executive Managing Director EDGE Technologies

Unternehmen müssen ihre Kunden überzeugen

Um Desinteresse oder Skepsis auf Kundenseite zu überwinden, sollten Immobilienanbieter sich gezielt an ältere Nutzer wenden und ihnen die Möglichkeiten des digitalen Wandels aufzeigen. Dabei müssen sie die Vorteile neuer Konzepte je nach Zielgruppe unterschiedlich kommunizieren. Hier ist „Change Management“ gefragt.

Besonders vorsichtig sind deutsche Nutzer in Sachen Datenschutz. Um Vorbehalte etwa gegen Arbeitsplatz-Monitoring durch Sensoren zu überwinden, sollten Anbieter auch solche Bereiche in der Kommunikation gezielt ansprechen – und nicht voraussetzen, dass ein Umdenken sowieso früher oder später stattfindet.

Neben „Fragt Eure Nutzer!“ gilt demnach die Prämisse: „Überzeugt Eure Nutzer!“

Fazit

Im Zuge der Digitalisierung konzipieren Anbieter von Büroimmobilien ihre Objekte neu –die Nutzer müssen teilweise noch überzeugt werden. Unternehmen sollten aktiv agieren, um ihre Kunden auch von den Vorteilen zu überzeugen.

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Von Alexander Hellmuth

Partner Strategy and Transactions, EY Real Estate GmbH | Deutschland

Arbeitet gemeinsam mit seinem Team an der Digitalisierung der Immobilienwirtschaft. Dabei fokussiert er sich stark auf den Einsatz innovativer Technologien.

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