Weniger stark reguliert ist dagegen die Produktion von kultiviertem Fisch. Was in den USA bereits ein großer Trend ist, wird in Deutschland u.a. durch die Berliner Startups Bluu Biosciences und Planetary Foods ins Rollen gebracht. Kultivierter Fisch hat gegenüber kultiviertem Fleisch aber auch andere Vorteile, die den Produktionsprozess vereinfachen: Die erzeugten Zellen sind temperaturresistenter und das Muskelfleisch des Fisches ist weniger komplex, sodass die Weiterverarbeitung zu strukturierten Lebensmitteln einfacher ist als bei Fleisch. „Das Beste daran: Es schmeckt wie echter Fisch“, findet Bluus Co-Gründer Simon Fabich, der den Labor-Fisch selbst probiert hat. „Außerdem können kultivierte Zellen an den Menschen und dessen Bedürfnisse angepasst werden. Wir können beispielsweise den Omega3-Gehalt des Fisches maximieren und damit die gesundheitlichen Vorzüge von Fisch gegenüber Fleisch noch verstärken.“ Auch die regionale Bindung an bestimmte Fischarten kann durch zellbasierte Verfahren aufgelöst werden. Jede Fischart kann an jedem Ort hergestellt werden – unabhängig davon, wie weit dessen heimisches Gewässer entfernt liegt. Aus der Sicht des Gründers sei es nicht mehr länger vertretbar, Fisch und Fleisch auf traditionelle Art zu erzeugen, wenn die Herstellung im Labor so viel nachhaltiger und gesünder sei. Außerhalb des Reagenzglases schwimmen auch pflanzliche Fisch-Imitate im Innovationsmeer der FoodTech-Szene mit. Diese Produkte sind bereits marktreif und darum schon jetzt eine greifbare Alternative für den Verbraucher. Happy Ocean Foods aus München und Wunderfish aus Berlin wollen mit ihren Produkten gegen die Überfischung der Weltmeere vorgehen und der Fischerei gleichzeitig eine Erwerbsalternative bieten. Denn: ihre pflanzlichen Sea Foods bestehen zu wesentlichen Teilen aus Meeresalgen.
Kaum am hiesigen Markt durchgesetzt haben sich bislang Insekten-Proteine, wie sie beispielsweise von der Bug Foundation (Osnabrück), Wicked Cricket (München) oder Swarm Protein (Köln) hergestellt werden. Die Nachfrage der Verbraucher nach diesen Produkten ist in den westlichen Teilen der Bevölkerung eher verhalten.5 In anderen Regionen haben sich Insekten auf der Speisekarte dagegen längst etabliert. So wird der krabbelige Markt bis 2023 voraussichtlich einen globalen Wert von einer Milliarde Euro erreichen.6 Einsatz finden die Protein-Bomben in Deutschland aber dennoch: Als Futter für Tiere innerhalb der fleischverarbeitenden Industrie.
Am internationalen Markt existieren weitere Lösungsansätze für eine nachhaltigere und umweltschonendere traditionelle Fleischproduktion. So forscht das schwedische Startup Volta Green beispielsweise an der Verwendung von Rotalgen als Futtermittel für Kühe. Die dabei freigesetzten Stoffe können den Methanausstoß der Kühe um bis zu 80 % reduzieren. Strittig ist bislang jedoch noch, ob weitere Inhaltsstoffe Langzeitschäden bei Tier und Konsument verursachen können.7
Eine gesunde Ernährung besteht natürlich nicht nur aus Fleisch und Fisch. Um Abwechslung auf den tierfreien Teller zu zaubern, widmen sich einige Startups auch der Herstellung von alternativen Milchprodukten. Auch das gelingt bislang entweder auf pflanzlicher oder auf zellulärer Basis. In Berlin brodeln die Kochtöpfe dabei besonders laut: Während das Startup Legendairy Foods in seinen Laboren veganen Mozzarella aus künstlichen Milcheiweißen kultiviert, entwickeln und vertreiben VlyFoods pflanzliche Milchalternativen auf Basis von Spalterbsenprotein. In München setzt man dagegen auf Leistungsfähigkeit: Die Yfood Labs werben mit einem veganen Power-Drink als kompletten Mahlzeitenersatz. Und im Allgäu hat sich Simply V auf die Herstellung einer pflanzlichen Käse-Alternative fokussiert.
Und was ist gesünder?
So lecker und umweltschonend eine vegetarische oder vegane Ernährung ist, so heftig wird sie auch seit jeher diskutiert. Unklarheiten und Kontroversen heizen insbesondere öffentliche Auseinandersetzungen mit dem Thema immer wieder an. Der griechische Arzt Hippokrates sagte seinerzeit: „Eure Nahrung sei eure Medizin und eure Medizin sei eure Nahrung“ und meinte damit nichts anderes, als dass Krankheit und Gesundheit unmittelbar mit unserer Ernährung zusammenhängen. Nach Ansicht der Academy of Nutrition and Dietetics,8 ist eine gut gestaltete vegan-vegetarische Ernährung für alle Alters- und Lebensphasen geeignet. Zurückhaltender ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die sich nicht klar für eine vegane Ernährung in allen Lebensphasen ausspricht.9 Erwiesen ist dagegen, dass Vegetarier*innen und Veganer*innen seltener an „Volkskrankheiten“ wie Herzerkrankungen, Typ-2-Diabetes und Übergewicht erkranken als Menschen, die viele Fleischprodukte konsumieren. Auch die Cholesterinwerte im Blut unterscheiden sich deutlich zu Gunsten der nicht-fleischverzehrenden Bevölkerung, da pflanzliche Lebensmittel einen sehr geringen Cholesterol-Anteil aufweisen.10 Ein starker Zusammenhang besteht Studien zufolge zudem zwischen der Erkrankung an Darmkrebs und dem übermäßigen Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch.11 Allerdings beschäftigen sich vegan oder vegetarisch lebende Menschen häufig generell sehr viel mit Themen wie Ernährung, Inhaltsstoffen und Nährwerten und pflegen einen insgesamt gesünderen, von körperlicher Aktivität geprägten Lebensstil, sodass die positiven Auswirkungen auf Körpergewicht und Herzgesundheit natürlich zusätzlich verstärkt werden und nicht allein auf die fleischlose Komponente in der Ernährung zurückgeführt werden können.
Neben möglichen Auswirkungen des Fleischkonsums auf unsere Gesundheit per se, haben auch externe Faktoren in der Fleischproduktion einen Einfluss auf uns. Der hohe Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung kann beispielsweise zu Antibiotikaresistenzen beim Konsumenten führen, die eine Behandlung von Erkrankungen zunehmend erschweren. Rund 733 Tonnen Antibiotika werden in Deutschland pro Jahr an Tierärzte abgegeben.12 Im Freiland gehaltene Tiere weisen darüber hinaus eine hohe Dioxinbelastung auf,13 die unserer Leber erheblich schadet.14 Aufgrund dieser externen Umstände ist bislang unklar, ob auch der Verzehr von Fleisch-Imitaten aus dem Reagenzglas dieselben gesundheitlichen Risiken mit sich bringt wie der Verzehr von traditionellem Fleisch. Oder anders gesagt: So lange nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, ob die negativen Folgen für unsere Gesundheit aus dem Fleischverzehr an sich resultieren oder ob sie im Wesentlichen auf die Tierhaltung und Weiterverarbeitung zurückzuführen sind, kann keine valide Aussage darüber getroffen werden, ob zellbasiertes Fleisch gesünder als herkömmliches Fleisch ist. Zudem ist bislang nicht vollständig erforscht, ob zellbasiertes Fleisch seinerseits noch ganz andere, negative Auswirkungen auf unseren Organismus haben kann.
Auch bei pflanzenbasierten Fleisch- und Milchalternativen ist nicht alles Gold, was glänzt. Insbesondere zwischen konventionellen Erzeugnissen und solchen aus ökologischer Erzeugung bestehen zum Teil große Unterschiede hinsichtlich ihrer enthaltenen Zusatz- und Nährstoffe.