10 Minuten Lesezeit 24 April 2023
Zwei junge Leute sitzen auf den Treppen

Wieso ein Joint Venture häufig die richtige Wahl sein könnte

Von Malte Wunderlich

Partner EY Strategy & Transactions GmbH | Europe West

Ist gebürtiger Hanseat, Berater und „Umsetzer“ aus Leidenschaft. Findet Ausgleich mit seiner Frau und Tochter sowie beim Windsurfen.

10 Minuten Lesezeit 24 April 2023

Diese Erfolgsfaktoren sind entscheidend, damit Joint Ventures ihr volles Potenzial entfalten.

Überblick
  • Die Gründung von Joint Ventures (JVs) hat sich über alle Branchen und Unternehmensformen hinweg etabliert.
  • Joint Ventures bieten Unternehmen großes Potenzial, sind jedoch nicht risikofrei.
  • Werden die kritischen Erfolgsfaktoren beachtet, bieten JVs einen Mehrwert für alle Beteiligten.

Die Umsetzung von Joint Ventures (JVs) wird häufig mit großen Unsicherheiten und Risiken assoziiert. Daher empfiehlt es sich, die mit einem JV einhergehenden Risiken und Erfolgsfaktoren genauer zu betrachten. Denn ein JV kann den Beteiligten bei zielgerichteter Umsetzung einen ökonomischen Mehrwert bei gleichzeitig minimiertem Risiko ermöglichen. So erzielten 2021 Unternehmen wie Volkswagen, Vodafone und Airbus zirka 20 Prozent ihres Gewinns über Minderheitsbeteiligungen an JVs. Außerdem bieten JVs die Möglichkeit, Auswirkungen von Wirtschaftskrisen abzufedern und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Es ist daher nachvollziehbar, dass die Anzahl der beendeten JV-Kooperationen während wirtschaftlicher Krisen, wie in der Grafik dargestellt, häufig rückläufig ist.

zahl der joint venture terminierungen

Die Gründung von JVs hat sich in allen Branchen und Unternehmensformen fest etabliert. Die Ziele, die mit JVs verfolgt werden, variieren je nach Branche und der Unternehmensstrategie der jeweiligen beteiligten Partner. Um die unten genannten Vorteile eines JV voll ausschöpfen zu können, bringen JV-Partner in der Regel Vermögenswerte, Kapital, einzigartiges Fachwissen oder Arbeitskräfte ein. Dabei ist es empfehlenswert, die JVs so zu konzipieren, dass die Stärken der beiden Muttergesellschaften optimal verknüpft sind und somit die resultierenden Synergien genutzt werden können.

Warum ein Joint Venture in Betracht ziehen?

Ein JV bietet die Vorteile einer Fusion, birgt aber im Unterschied zu einer solchen (oder einer anderen Form des Unternehmenszusammenschlusses) ein geringeres wirtschaftliches und politisches Risiko. Die Hauptgründe für ein JV sind die Kapital- und Assetintensität, die Risikominderung, der Zugang zu Technologie und Ressourcen sowie die politische Sensibilität.

  1. Kapital und Assetintensität
  2. Risikominderung
  3. Zugang zu Technologien & Märkten
  4. Zugang zu Ressourcen
  5. Politische Sensibilität

Kapital und Assetintensität

Die Kapitalanforderung eines Projekts kann die finanziellen Möglichkeiten eines einzelnen Unternehmens übersteigen. Ein bekanntes Beispiel ist das besonders kapitalintensive JV „IONITY“ mit einem Investitionsaufwand von zirka 1,5 Milliarden Euro. IONITY ist ein Zusammenschluss großer Automobilkonzerne (darunter BMW, VW, Mercedes) und BlackRock, mit dem Ziel, die E-Ladeinfrastruktur in Europa auszubauen. Möglich ist auch, dass ein Unternehmen aufgrund einer anstehenden wirtschaftlichen Rezession in seiner Liquidität eingeschränkt ist. Ein finanzstarker Partner trägt somit nicht nur zu einer finanziellen Entlastung und Stärkung der Bonität, sondern auch zu einer Risikominimierung bei. Jüngste Studien haben zudem aufgezeigt, dass JVs im Vergleich zu Unternehmensübernahmen eine höhere Kapitalrendite aufweisen.

durchschnittliche gesamtkapitalrendite ausgewahlter branchen

Risikominderung

Sofern Unternehmen das Wagnis einer alleinigen Investition vermeiden möchten, nutzen sie häufig JVs. Ein Trend besteht darin, dass der Verkäufer nach dem Verkauf einen signifikanten Anteil an dem Unternehmen für mehrere Jahre halten muss. So minimiert eine JV-Struktur das Risiko und fördert ein konstruktives Verhalten des Geschäfts-/JV-Partners.

Zugang zu Technologien und Märkten

Die Erschließung eines neuen Marktes ermöglicht Unternehmen regelmäßig wirtschaftliches Wachstum, zum Beispiel durch die Erhöhung der Absatzmenge. Verschiedene Hürden erschweren jedoch den Einstieg in einen neuen Markt. Unternehmen mit proprietären Technologien können beispielsweise den Zugang von Marktteilnehmern beschränken, aber auch staatliche Regulierungen können den Marktzugang für ausländische Unternehmen erschweren. JVs sind eine etablierte Option, um bislang verschlossene Märkte zu durchdringen. Prominente Beispiele hierfür sind die Märkte in China und Indien.

Zugang zu Ressourcen

Der rechtmäßige Eigentümer von Ressourcen kann, mithilfe der Expertise und des Kapitals des JV-Partners, diese Ressourcen gewinnbringend nutzen. Beispiele hierfür ist die Öl- und Gasindustrie. In diesen Branchen werden rund 80 Prozent der Fördermenge durch JVs ermöglicht.

Prozentsatz der vorgelagerten Erzeugung

80 %

der Fördermenge in der Öl- und Gasindustrie wird durch Joint Ventures ermöglicht.

Politische Sensibilität

JVs werden von Regierungen, Arbeitnehmergruppen und Gemeinden oft positiver wahrgenommen als Akquisitionen oder Übernahmen. Beispielhaft hierfür ist das Partikeltherapiezentrum in Kiel, eine Kooperation des Landes Schleswig-Holstein mit den Partnern Siemens und Bilfinger Berger mit einem Investitionsvolumen von zirka 250 Millionen Euro. Insbesondere im internationalen Kontext erleichtert die Organisationsform eines JV das operative Vorgehen in einem ausländischen Markt. Mit internationalen JVs können verschiedenste Herausforderungen bewältigt und beispielweise ein Zugang zu neuen Produkten oder Märkten erschlossen werden. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist der Eintritt deutscher Automobilkonzerne in den chinesischen Markt.

Die Erhöhung des Leitzinses könnte die Verfügbarkeit von günstigem Kapital negativ beeinflussen. Joint Ventures bieten hier eine gute Alternative, um gesetzte Wachstumsziele von Unternehmen dennoch zu erreichen.

Risiken eines Joint Venture

Auch wenn Unternehmen JVs eingehen, um Risiken zu verringern, beinhaltet ein solches Vorhaben auch Faktoren, die den Erfolg des Vorhabens beeinträchtigen können. Die zentralen Risiken sind: Der JV Partner als potenzieller Risikofaktor, Komplikationen bei der Zusammenarbeit zwischen den Partnern, fehlende Kompetenz und der Verlust von Wettbewerbsvorteilen.

  1. JV Partner als potenzieller Risikofaktor
  2. Komplikationen bei der Zusammenarbeit zwischen den Partnern
  3. Fehlende Kompetenz
  4. Verlust von Wettbewerbsvorteilen

 JV-Partner als potenzieller Risikofaktor

Da die Wahl des Partners alle weiteren Schritte des JV beeinflusst, sollte genau geprüft werden, ob der gewählte Partner geeignet ist, die gemeinsam festgelegten Ziele zu erreichen. Interne Probleme des Partnerunternehmens können negative Quereffekte auf das JV auslösen. Ein besonderes Risiko stellt hier die finanzielle Situation des Partners dar, aber auch Aspekte wie die Unternehmenskultur und Unternehmensvision sind nicht außer Acht zu lassen. Um das Risiko durch den Faktor „Partner“ zu verringern, sollte die Partnerwahl von einem sorgfältigen Auswahlprozess begleitet werden. Dies könnte zum Beispiel durch eine intensive Due Diligence des Partnerunternehmens sichergestellt werden.

Komplikationen bei der Zusammenarbeit zwischen den Partnern

Allein die Gründung eines JV ist aufgrund der Erstellung komplexer Vertragsdokumente mit einem hohen Organisationsaufwand verbunden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es bei allen unternehmerischen Entscheidungen eines intensiven Koordinations- und Entscheidungsfindungsprozesses zwischen den beiden Muttergesellschaften bedarf. Im Zuge dieses Prozesses können Informationsasymmetrien zwischen den beiden Partnern entstehen, was zu einem Vertrauensverlust führen kann. In besonders kritischen Fällen wird das Verhältnis der beiden Partner so stark beeinträchtigt, dass das JV handlungsunfähig wird – ein sogenannter Deadlock. Um dies zu verhindern, sind eine klar vereinbarte Governance, Grenzen der Zuständigkeiten und Beitragsleistungen sowie mögliche Ausstiegsszenarien bereits im Vorfeld zu definieren. Ein weiteres entscheidendes Element ist die Kommunikation zwischen den JV-Partnern. Sämtliche Informationen sind zeitgleich, transparent und ehrlich beiden Parteien zur Verfügung zu stellen. Nur hierdurch wir das Vertrauen der beiden Partner ineinander gestärkt.

Fehlende Kompetenz

Insbesondere im Vorfeld der Transaktion verfügen nur wenige Unternehmen über ausreichend interne Kompetenz in Bezug auf das Aufsetzen und Führen von Joint Ventures. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen die Führungskräfte, die ein JV leiten, in das neu entstandene Unternehmen wechseln. Folglich stehen diese Führungskräfte der Muttergesellschaft nicht mehr zur Verfügung, um die erworbene Expertise in zukünftige JVs einzubringen. Sektorenspezifische JV-Erfahrung sowie ein Verständnis der Herausforderungen, Praktiken und Treiber der jeweiligen Branche minimieren das Risiko des Scheiterns infolge mangelnder Kompetenz. Die Zusammenstellung eines engagierten und kompetenten Teams ist daher entscheidend für den Erfolg des JV. Hier ist besonders darauf zu achten, dass die Zuordnung der Mitarbeiter zwischen JV und Mutterunternehmen ausgeglichen ist und die Interessen beider Partner gleichermaßen vertreten werden. Die Begleitung des gesamten Prozesses durch eine erfahrene Drittpartei ist eine stabilisierende und flankierende Maßnahme, um eventuell fehlende Kompetenzen in das Team zu integrieren.

Verlust von Wettbewerbsvorteilen

Durch die Gründung eines JV erhalten die Partner tiefe Einblicke in die Prozesse und Kernkompetenzen des jeweiligen Mutterunternehmens. Durch den Abfluss von Know-how beziehungsweise dessen zweckfremde Verwendung durch den JV-Partner entsteht das Risiko des Verlusts von Wettbewerbsvorteilen. Die Relevanz dieses Risikos wurde in der Vergangenheit bei verschiedenen JVs in China deutlich. Allgemein ist dieses Risiko durch entsprechende vertragliche Regelungen im Vorfeld zu reduzieren. Weitere Maßnahmen zum Schutz von Know-how sind beispielsweise die Verschlüsselung der internen Kommunikation, die Eingrenzung des Informantenkreises und die Durchführung von Taschenkontrollen. Eigenes Wissen sollte immer mit gebotener Vorsicht in das JV eingebracht sowie das Für und Wider sorgfältig abgewogen werden.

Erfolg und Misserfolg – worauf ist zu achten?

Die Gründung eines JV ist grundsätzlich mit Vor- und Nachteilen verbunden. Daher bedarf jede Gründung eines sorgfältigen Evaluierungsprozesses. Um das Chancen-Risiko-Verhältnis zu verbessern, können Risiken durch gezielte Maßnahmen mindestens gemindert oder abgeschwächt werden. Neben diesen Maßnahmen ist die konsequente Umsetzung des Vorhabens der Schlüssel zum Erfolg. Daher fassen wir die wichtigsten Aspekte entlang des Lebenszyklus nochmals für Sie zusammen:

Im Vorfeld der Gründung liegt der Fokus darauf, einen geeigneten Partner zu finden. Im darauf folgenden Prozess der Gründung sind die zentralen Themen die frühzeitige Definition von Zielen und Abläufen für die Führung des neu formierten Unternehmens, die Koordination von Interessenkonflikten und die Festlegung möglicher Ausstiegsstrategien. Um potenzielle Vorteile eines JV bestmöglich zu nutzen, sollte der Deal so gestaltet werden, dass die individuellen Fähigkeiten der eingebundenen Unternehmen optimal kombiniert und so entstehende Synergien genutzt werden können. Während des Bestehens des JV tragen eine transparente Kommunikation und die Zusammenstellung eines eingespielten Teams maßgeblich zur Agilität und damit zum Erfolg der Unternehmung bei. Die richtige Gewichtung, Kombination und Interaktion der oben genannten Faktoren bildet die Basis eines für alle Partner wertstiftenden Joint Venture.

Joint Venture: die zehn kritischen Erfolgsfaktoren

Unternehmen sollten sich vor allem auf die folgenden zehn kritischen Erfolgsfaktoren eines JV konzentrieren:

  1. Auswahl des richtigen Partners
  2. Ausgestaltung einer klaren und konsequenten Governance
  3. klare Definition der JV-Grenzen, sowohl aus Asset- als auch aus operativer Sicht
  4. Klarstellung der Beitragsleistungen der Parteien und der damit verbundenen vereinbarten Metriken zur Kontrolle des JV-Erfolgs
  5. Einleitung von frühzeitiger operativer Planung und Ausführung
  6. Berücksichtigung möglicher Ausstiegsszenarien
  7. Bereitstellung einer soliden Vereinbarung für alle oben genannten Punkte
  8. Zeitnahe und konsequente Realisierung von Synergien
  9. Gewährleistung von Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit unter den Teilnehmern
  10. Zusammenstellung eines engagierten Teams, um die Umsetzung des JV zu beaufsichtigen

Joint Ventures bieten allen Beteiligten einen außergewöhnlichen Mehrwert, sofern sie gut geplant, umgesetzt und geführt werden.

Fazit

Die Gründung von Joint Ventures hat sich branchenübergreifend durchgesetzt. JVs bieten die Vorteile einer Fusion, beispielsweise erweiterten Marktzugang, sind im Vergleich dazu jedoch risikoarm. Jedoch kann die Umsetzung von Joint Ventures auch mit nicht unerheblichen Unsicherheiten und Wagnissen verknüpft sein. Wichtig sind daher eine umsichtige Planung und die richtige Strategie. 

Über diesen Artikel

Von Malte Wunderlich

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