4 Minuten Lesezeit 5 Juli 2020
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Ready for Day 1: Wie das Durchstarten nach der Akquisition gelingt

Von EY Deutschland

Building a better working world

4 Minuten Lesezeit 5 Juli 2020

Der erste Tag nach dem Deal wird für viele Unternehmen zur Hürde – eine Day-1-Readiness-Strategie geht mögliche Probleme früh an.

Beginnen wir mit folgendem Szenario: Der Deal ist abgeschlossen, der Vertrag unterschrieben, das Zielunternehmen akquiriert. Es ist der erste Tag als gemeinsames Unternehmen – Kunden können keine Bestellungen aufgeben und die Produktion steht still. Was ist passiert? Im Eifer des Gefechts, beziehungsweise der Transaktion, wurde vergessen, die Schnittstelle zu den Kundensystemen einzurichten und auf Fehler zu überprüfen.

Oft beginnt der Day 1 mit Problemen – das muss nicht sein

Es sind genau diese Szenarien, die es gilt zu vermeiden, da sie ernsthafte Schäden für das Unternehmen und den Erfolg der Integration anrichten können. Die Übernahme ist gelungen, der Day 1 beginnt aber mit Schwierigkeiten: Das gemeinsame Computersystem läuft nicht, Lieferanten können nicht bezahlt werden, Lkw müssen auf dem Hof bleiben oder die Gehaltsüberweisungen an die Angestellten verzögern sich.

Das sind allesamt Probleme, die Kunden verunsichern, zu höheren Ausgaben führen, der Mitarbeitermotivation schaden – und die sich zu einem bleibenden Imageschaden ausweiten können. Probleme, die sich durch eine gezielte, langfristige Vorbereitung umgehen lassen.

Bei der Akquisition haben Unternehmen in der Regel am meisten Respekt vor dem Day 1. Das oberste Ziel ist daher ein reibungsloser Tag ohne Störung des Geschäftsablaufs.

Der Day 1 ist ohne Zweifel ein kritischer Tag, denn mit ihm ändert sich die Unternehmensstruktur je nach Transaktionstyp – ob Joint Venture, Voll- oder Teilintegration. Das System wird umgestellt, eine neue Firma nimmt ihren Betrieb auf. Die Sicherstellung, dass die Geschäfte ab dieser juristischen Minute störungsfrei laufen, ist jedoch eine Herausforderung. Fragt man Unternehmen, wovor sie bei der Akquisition am meisten Respekt haben, dann ist es in der Regel der Day 1. Das oberste Ziel ist daher ein reibungsloser Ablauf ab Tag 1, ohne Störung der Geschäftsprozesse.

Der Gesamtprozess steht im Fokus

Eine End-to-End-Betrachtung ermöglicht, Interdependenzen zwischen den betroffenen Funktionen direkt zu erkennen. Dieser ganzheitliche Ansatz stellt sicher, dass vom Anfang bis zum Ende alle Abläufe bestmöglich abgestimmt und auf den gemeinsamen Zweck – die erfolgreiche Integration – optimiert sind.

Kein Deal gleicht dem anderen, jedes Unternehmen hat bei der Akquisition unterschiedliche Ziele und Vorstellungen: Deshalb muss der Käufer zunächst definieren, wie das gemeinsame Day 1 Operating Model aussehen soll. Dafür sollte man als ersten Schritt die Current Operating Models beider Seiten analysieren und die Prozesse des Zielunternehmens so gut wie möglich vorab beleuchten – soweit das die Wettbewerbshüter zulassen. Relevante Fragen sind beispielsweise:

  • Wie sieht der jeweilige Prozess des Targets am Tag 1 aus? Wer führt den Prozess aus?
  • Wird das Zielunternehmen mit den IT-Systemen des Käufers, den eigenen oder ganz neuen Anwendungen arbeiten?
  • Welche Key Player sollen welche Positionen bekommen? Oder bleibt im Personalaufbau alles wie bisher?
  • Welche vertraglichen Bindungen könnten zu zeitlichen Verzögerungen führen?
  • Welche steuerlichen oder rechtlichen Einschränkungen könnten auf beide Parteien zukommen?

Bei einem gemeinsamen Workshop, dem Day 1 Summit, sollten sich Käufer und Verkäufer nach dem Bearbeiten der Themen mit ihren jeweiligen Antworten und Gegenfragen an einen Tisch setzen. Das kann intensiv sein, hilft aber beiden Seiten ein gleiches Verständnis zu erlangen. Vor allem erhält man hierdurch eine 360-Grad-Sicht über das Geschäft. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass die Zusammenarbeit für den erfolgreichen Transaktionsabschluss durch das Kennenlernen verbessert wird.

Das Ziel: Grüne Häkchen auf der Day-1-Checklist

Selbst wenn durch Vorgaben der Wettbewerbshüter nicht alle Themen frei vorab diskutiert werden können, lassen sich beim Workshop zur Gewährleistung der Day-1-Readiness große und kleine Probleme angehen oder zumindest erkennen. Häufig werden Prozesslücken ersichtlich, aber auch Stellen, an denen Klarheit fehlt. Daraus entsteht die sogenannte Day-1-Checklist mit Problemstellungen in allen Bereichen und Funktionen, die bis zum Transaktionsschluss bewältigt sein sollten.

Je näher der Day 1 kommt, desto stärker rückt das Thema „Cut-over“ in den Fokus. Damit ist die enge Periode kurz vor und nach dem Deal gemeint. Hierfür hilft es, Worst-Case-Szenarien und Fehlerquellen durchzuspielen und beispielsweise zu fragen:

  • Wie lange sind die Systeme in der Downtime, also der technischen Übergangsphase von der alten zur neuen Systemlandschaft, nicht verfügbar?
  • Sind die Schnittstellen zu den Systemen der Kunden und Lieferanten vorbereitet?
  • An wen können sich Mitarbeiter wenden, wenn der E-Mail-Zugang hängt oder die Einlasskarte nicht funktioniert?
  • Gibt es für jeden Bereich eine Notfallnummer oder einen Ansprechpartner für alles
  • Wurde diese Notfallnummer flächendeckend und für alle zugänglich kommuniziert
  • Welche regionalen Bestimmungen gelten – beispielsweise zum Thema Feiertage?

Unbedingt vermeiden: Unsicherheiten, Panik und Gerüchte

Das wirkt zunächst vielleicht wie Kleinigkeiten, aber deren Klärung ermöglicht von der ersten Minute an einen reibungslosen Arbeitsablauf. Vorausschauend ist beispielsweise, Personal für einen Helpdesk mit einer 24-Stunden-Bereitschaft zu garantieren. Darüber hinaus sollten interne und externe Stakeholder regelmäßig über den Projektstatus und zu erwartende Neuerungen informiert werden.

Mit diesen Hilfsmitteln vermeidet man Unsicherheiten, Panik und Gerüchte. Denn vor allem Gerüchte in der Belegschaft sind Killer fürs Betriebsklima, die im Ernstfall zur Abwanderung von Mitarbeitern führen können.

Day 1 bedeutet: weiterdenken als nur bis zum Überstehen des ersten Tages.

Läuft der erste Tag wiederum reibungslos, sind die Weichen für ein Langzeit-Erfolgsszenario der Transaktion gestellt. Unternehmen sollten deshalb immer im Blickfeld haben, dass der Day 1 nicht nur mit einer reinen Überlebenseinstellung angegangen werden kann. Day 1 bedeutet: immer ein bisschen weiterdenken als nur bis zum Überstehen des ersten Tages.

Fazit

Fehlende Vorbereitung für die Zeit nach dem Closing kann zu höheren Ausgaben, Zeitverzögerungen oder Mitarbeiterunzufriedenheit führen. Eine Day-1-Readiness-Strategie sichert die Geschäftstätigkeit nach dem Closing ab. Anhand von End-to-End-Prozessen werden kritische Themen bei Käufer wie Zielunternehmen identifiziert.  Eine entsprechende Checkliste hilft, die kritischen Punkte systematisch abzuarbeiten.

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