4 Minuten Lesezeit 20 April 2022
Kontrast zwischen neuen und historischen Gebäuden in NYC

Warum wir eine nachhaltige Reformation der Grunderwerbsteuer brauchen

Von Tax & Law Magazine

Das Kundenmagazin von EY Deutschland zu aktuellen Steuer- und Rechtsthemen.

4 Minuten Lesezeit 20 April 2022

Die Grunderwerbsteuer steht im Fokus der Politik. Eine ökologische Ausrichtung fehlt bislang jedoch.

Überblick
  • Am 1. Juli 2021 trat eine neue Novelle des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in Kraft.
  • Die Grunderwerbsteuer steht zwar im Fokus der Politik, allerdings fehlt hier bislang eine ökologische Ausrichtung.
  • Der Anwendungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes wird durch Neuregelungen fortlaufend erweitert, jedoch ohne besondere Rücksicht auf rechtssystematische Erwägungen.

Seit 1997 ist der Gesetzgeber unentwegt bestrebt, unerwünschte Strukturen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer mittels Ergänzung und Erweiterung der grunderwerbsteuerbaren Tatbestände einzudämmen. Zu diesem Zweck trat zuletzt am 1. Juli 2021 eine neue Novelle des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in Kraft, die jedoch weder für den Wirtschaftsstandort Deutschland noch für eine systematische Gesetzesanwendung hilfreich ist. Die Neuregelungen haben zum einen den Anwendungsbereich des GrEStG unverhältnismäßig ausgeweitet und zum anderen neue Zweifelsfragen hervorgebracht, die für jede Veränderung der Gesellschafterstruktur bzw. der Beteiligungsverhältnisse in Unternehmen steuerliche Risiken bergen. Insbesondere fehlt es immer noch an einer praxistauglichen Konzernklausel, die Unternehmen wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen unter Beteiligung von grundbesitzenden Gesellschaften ermöglicht.

Weitaus bedeutsamer als die Eindämmung von Share Deals ist im Jahr 2022 jedoch das Anliegen seitens der Politik und auch der Bürger am Klimaschutz. Mit dem im Dezember 2019 vorgestellten „European Green Deal“ hat die Europäische Kommission angekündigt, Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Europäische Rat einer Anhebung des Klimaziels der EU für 2030 auf eine Treibhausgasreduktion um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zugestimmt.

Die hierfür erforderliche Senkung der Emissionen trifft insbesondere den Gebäudesektor, der mit 16 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland als einer der Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen gilt und 2020 als einziger Sektor die zulässige Jahresemissionsmenge überschritt. Im Jahr 2030 soll der gesamte Gebäudesektor nur noch höchstens 70 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittieren dürfen. Dies entspricht einem Rückgang um rund 67 Prozent gegenüber 1990 (210 Millionen Tonnen).

Allerdings wird die ökologische Transformation des Gebäudesektors nur gelingen, wenn zum einen den erhöhten Anforderungen monetäre Anreize in Form von Vergünstigungen gegenüberstehen und zum anderen Investitionen nicht unnötig erschwert werden. Jedenfalls sollten energieeffizientes Bauen bzw. energetische Sanierungen nicht durch eine höhere Grunderwerbsteuer sanktioniert werden. Denn Gebäude mit einer hohen Energieeffizienz sind durchschnittlich 23 Prozent teurer als unsanierte Vergleichsobjekte und die Bemessungsgrundlage damit entsprechend höher. Die Einführung eines sog. Green Discounts in Form eines Freibetrags oder eines ermäßigten Steuersatzes könnte dem unmittelbar und effektiv entgegenwirken.

Insoweit ist der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP jedoch ernüchternd. Die neue Ampel-Koalition kündigt zwar in dem Abschnitt Klimaschutz im Gebäudebereich an, die Klimaziele im Gebäudesektor durch Verschärfungen im Gebäudeenergiegesetz (GEG) erreichen zu wollen. Eine ökologische Ausrichtung des GrEStG ist hingegen nicht beabsichtigt.

Stattdessen sieht der Koalitionsvertrag lediglich vor, die Mehreinnahmen aus der Grunderwerbsteuerreform für den begünstigten Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum zu nutzen. Dabei wäre eine Begünstigung des Erwerbs nachhaltig bebauter Grundstücke, in Form von niedrigeren Steuersätzen oder Steuerbefreiungen, dringend angebracht. Denn aus steuerpolitischer Sicht lassen sich Grundstückseigentümer in der Regel eher durch Steuersparmodelle zu einer energieeffizienten Sanierung oder Bebauung ihres Grundstücks motivieren als durch eine aktiv zu beantragende Zuschuss- oder Kreditförderung. Die steuerliche Förderung von energetischen Gebäudesanierungen im Eigenheim dürfte als alleiniges Fördermittel nicht ausreichen, um die ambitionierten Klimaziele 2030 zu erreichen, zumal sie nur von Eigenheimnutzern in Anspruch genommen werden kann, deren Wohnung bzw. Wohngebäude mindestens zehn Jahre alt ist.

Steuereinnahmen aus der Grunderwerbsteuer

Vor diesem Hintergrund ist die grunderwerbsteuerliche Begünstigung des Erwerbs nachhaltig bebauter Grundstücke als weiterer Anreiz ebenso geboten wie die Privilegierung selbstgenutzten Wohneigentums und sollte daher Teil der vom Bund vorgesehenen Förderprogramme werden. Immerhin hat sich das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer aufgrund der fortlaufenden Erhöhung des Steuersatzes sowie der gesetzlichen Erweiterungen seit 2007 verdreifacht, bzw. ist allein im Jahr 2021 um mehr als 13 % gestiegen. Die gewonnenen Mehreinnahmen könnten zur Gegenfinanzierung von Steuerbegünstigungen zugunsten des Klimaschutzes verwendet werden.

Davon unabhängig sollte die mit Wirkung zum 1. Juli 2021 umgesetzte Grunderwerbsteuerreform noch einmal kritisch überdacht werden. Für die ökologische Transformation des Gebäudesektors sind Privatinvestitionen mehr denn je erforderlich. Durch überbordende und kaum noch zielgerichtete Missbrauchsverhinderungsvorschriften werden diese unnötig erschwert.

Co-Autoren: Dr. Heinrich Fleischer, Dr. Carina Koll

Dieser Artikel wurde im Rahmen eines Tax & Law Special „Green Building“ veröffentlicht. Zur Gesamtausgabe kommen Sie hier.

Fazit

Es ist nicht zu übersehen, dass der Anwendungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes durch Neuregelungen fortlaufend erweitert wird, und zwar ohne besondere Rücksicht auf rechtssystematische Erwägungen. Die Steuerlegislation würde den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Immobilienwirtschaft im Sinne der Klimaziele besser fördern, wenn sie die Steuersätze senken und/oder Freibeträge einführen, missbräuchliche Gestaltungen zielgerichtet besteuern und eine praxistaugliche Konzernklausel formulieren würde. Die Ampelkoalition sollte dieses Projekt bald angehen.

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