26 Minuten Lesezeit 16 Mai 2023
Blitze und Wolken am Nachthimmel

Wie Unternehmen auf Krisenwellen und neue Regulatorik reagieren können

Von Tax & Law Magazine

Das Kundenmagazin von EY Deutschland zu aktuellen Steuer- und Rechtsthemen.

26 Minuten Lesezeit 16 Mai 2023

Geopolitische Risiken und regulatorische Faktoren, Zinsen und Inflation, Technologiesprünge und ESG zwingen Unternehmenslenker zu strategischen Entscheidungen. M&A-Transaktionen rücken verstärkt in den Fokus. Ob Zukäufe, Abspaltungen, Carve-outs, Joint Ventures oder andere Transaktionen – es gibt viele steuerliche und rechtliche Implikationen.

Überblick

  • In massiven Krisenwellen gehören sämtliche Unternehmensprozesse auf den Prüfstand.
  • Unternehmen müssen ihr Target Operating Model überprüfen, kurzfristig reagieren und strategische Entscheidungen über Wohl und Wehe des Unternehmens treffen.
  • Bei Anpassungen im Zuge von geopolitischen Risiken, Inflation, Zinsen oder ESG-Anforderungen und schneller erforderlichen Technologiesprüngen kommt auch die Steuerabteilung ins Spiel.

Welcher Unternehmer oder Manager hätte gedacht, dass es nach Corona noch schwieriger werden könnte? Schlag auf Schlag müssen die Unternehmensverantwortlichen mit neuen Herausforderungen umgehen. Es geht nicht nur um kurzfristiges Reagieren, sondern um strategische Entscheidungen über Wohl und Wehe des Unternehmens. Hohe Zinsen, rasant gestiegene Rohstoffpreise und Energiekosten strapazieren den Cashflow. Geopolitische Risiken gefährden ganze Geschäftsmodelle. Staatliche Förderprogramme und technologische Entwicklungen fordern neue Investitions- und Standortentscheidungen. Near- oder Friendshoring, Green Deal oder IRA, ESG und CBAM, Decoupling oder Derisking – Unternehmensverantwortliche werden geradezu bombardiert mit neuen Begrifflichkeiten, Empfindlichkeiten und Sachlichkeiten.

Unternehmen müssen in diesen volatilen, krisengeprägten Zeiten ihr Target Operating Model (TOM) überprüfen. Sie haben über Sparten und Produkte zu befinden, sie müssen über Standortschließungen, -verlagerungen und -eröffnungen, über Unternehmenszukäufe, Abspaltungen und sonstige Transaktionen entscheiden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Mergers & Acquisitions (M&A) ein ausgesprochen komplexes Geschäft bedeuten. Viele Unternehmensfunktionen spielen hinein und zahlreiche steuerliche, rechtliche und personelle Implikationen sind zu beachten. Die Bereiche Tax, Law und HR entscheiden maßgeblich über den Erfolg von M&A. Diese Abteilungen gehören unmittelbar an den Tisch, wenn aktuelle Herausforderungen bewältigt werden müssen. Dazu gehören wichtige Auslöser von Transaktionen und häufig beratungsintensive Aspekte, deren Berücksichtigung sich zwingend lohnt.

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Mitten im Sturm steuern

Inflation und Zinsen treiben Carve-outs

Der dramatische Anstieg der Zinsen und Inflation, insbesondere bei den Energie- und Rohstoffpreisen, setzt derzeit Tausende Unternehmen unter Stress.

Geld ist nicht mehr leicht und unbegrenzt verfügbar. Wer jetzt refinanzieren muss, steckt tief in der Zwickmühle. Gerade bei scharf kalkulierenden Private-Equity-Unternehmen sind massive Kostensenkungsprogramme zu beobachten, um insbesondere die Cash-Situation zu verbessern. Stand in den vergangenen Jahren die Rendite allein im Vordergrund, geht es nun um Liquidität first! Der Cashflow-Forecast für die nächsten drei bis sechs Monate wird zum unverzichtbaren Führungsinstrument. Ganze Geschäftsmodelle werden infrage gestellt, ertragsschwache Sparten geraten unter existenzgefährdenden Druck.

Schnelles Geld lässt sich in gewissen Maßen durch Factoring generieren, durch ein besseres Management von Forderungen und Verbindlichkeiten oder in der Lagerhaltung. Es geht um die Optimierung von Working Capital, ein Aspekt, der in den fetten Zeiten der vergangenen Jahre zu oft vernachlässigt wurde. Zum Instrumentarium zählen etwa auch Patronatserklärungen, Rangrücktritte, Forderungsverzichte mit Besserungsschein bis hin zu Debt-Equity-Swaps oder Debt-Mezzanine-Swaps. Im globalen Sturm kommt es auch vermehrt zu Distressed-M&A-Deals. „Welche Sparten kann ich schnell abstoßen, um Cash zu generieren?“, so lautet in einigen Vorstands- und Geschäftsführungsetagen die brennende Frage.

Was den Umgang mit defizitären Geschäftsbereichen angeht, gilt der altbekannte Grundsatz: „Fix it, close it or sell it!“ Wichtig ist eine frühzeitige Kosten-Nutzen-Abwägung. Meist geht es darum, einen drohenden Verlust zu minimieren. Hierzu ein plakatives Beispiel: Eine Restrukturierung würde 100 Millionen Euro kosten, eine Liquidation 140 Millionen, eine geregelte Insolvenz 90 Millionen und ein Verkauf brächte einen Verlust von 60 bis 70 Millionen Euro. Damit läge ein Carve-out, ob intern oder extern separiert, auf der Hand, der mit einem parallel laufenden Kostensenkungsprogramm vorzubereiten wäre. Dabei bleibt zu beachten, dass es in der Beratungspraxis häufig eine entscheidende Rolle spielt, ob es sich um ein Unternehmen handelt, welches kapitalmarktorientiert agiert oder nicht. Erstere müssen sich im Interesse der Anteilseigner eher von defizitären Bereichen trennen („Sell it or close it“), Letztere bemühen sich aus persönlichen Gründen stärker um ein „Fix it“.

Ein Carve-out ist ein komplexes Projekt. Ungenügende Vorbereitung und fehlendes Know-how bergen hohe Risiken bei der Durchführung der Transaktion. Sämtliche M&A-Prozesse müssen zielgenau und effizient ablaufen. Bei EY beispielsweise würde ein Team aus verschiedenen Services und Fachleuten zusammenarbeiten: M&A, Tax & Legal, Real Estate, ESG, Strukturierung, Arbeitsrecht, Branchenkenner, Dealmaker, Haircut-Profis und Fachleute aus allen betroffenen Ländern, die die jeweilige Rechtslage kennen.

Dabei gilt es insbesondere, steuerliche Fragestellungen frühzeitig in die Planungen einzubinden. Denn einerseits kann bei einem Carve-out steuerliches Optimierungspotenzial gehoben werden, andererseits ist es wichtig, steuerliche Fallstricke zu kennen. Trennt man sich von einem Verlustgeschäft, geht es insbesondere um die steuerlich effiziente Verlustnutzung. Ist profitables Geschäft Gegenstand des Carve-outs, geht es insbesondere darum, steuerpflichtige Umstrukturierungen, die zur Aufdeckung stiller Reserven führen, von vornherein zu vermeiden. Das heißt, ein besonderes Augenmerk muss möglichen stillen Reserven im abzuspaltenden Vermögen gelten, die bei einem Verkauf zu versteuern wären. Während ein Asset-Deal regelmäßig steuerpflichtig ist, kann durch bestimmte vorangestellte Umwandlungsvorgänge wie beispielsweise eine Ab- oder Aufspaltung möglicherweise eine steuerneutrale Übertragung gelingen. Denn unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen und im Geltungsbereich des Umwandlungsteuergesetzes ist es möglich, Geschäftsbereiche zu separieren und steuerneutral auf andere Rechtsträger zu übertragen.

Wesentliche Voraussetzung für eine steuerneutrale Abspaltung ist, dass ein „Teilbetrieb“ übertragen wird und ein (weiterer) Teilbetrieb bei der Gesellschaft verbleibt. Es müssen also mindestens zwei Teilbetriebe vor der Abspaltung vorliegen (sog. doppeltes Teilbetriebserfordernis). In der Praxis ist es häufig – insbesondere aufgrund von Sachverhaltsunschärfen – umstritten und auch regelmäßig Gegenstand von Diskussionen in Betriebsprüfungen, ob die strikten Anforderungen an einen Teilbetrieb erfüllt sind.

Alternativ, bei entsprechender Vorbereitungsstrukturierung, kann eine steuerneutrale Separierung von Geschäftsbereichen auch ohne die Erfüllung des doppelten Teilbetriebserfordernisses erreicht werden. Überdies ist es möglich, dass bei einem anschließenden Verkauf etwaige Sperrfristen, ausgelöst durch eine vorangegangene Separierung, nicht verletzt werden und es somit nicht zur unerwünschten Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven kommt. Maßgeblich dafür sind insbesondere die aktuellen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 15. Juli 2021 (Az. IV R 36/18) und vom 18. August 2021 (Az. XI R 20/19). Daher ist es hier wichtig, stets auf dem neuesten Stand der Gesetzgebung und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zu sein.

Auf der Basis der ergangenen höchstfinanzgerichtlichen Rechtsprechung kann beispielsweise aus dem Gesamtbetrieb zunächst ein (fiktiver) Teilbetrieb gebildet werden. Dazu überträgt die Kapitalgesellschaft den zu separierenden Geschäftsbereich (der ggf. nur aus einzelnen Wirtschaftsgütern besteht) steuerneutral auf eine Tochter-Personengesellschaft unter Fortführung der Buchwerte (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG). Anschließend kann der Mitunternehmeranteil als fiktiver Teilbetrieb beispielsweise in eine Tochter-Kapitalgesellschaft unter Fortführung der Buchwerte eingebracht werden (§ 20 UmwStG). Im Fall der Einbringung bleibt es ebenfalls bei der Steuerneutralität, weil der Bundesfinanzhof anerkannt hat, dass es mangels eines Wechsels der stillen Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime nicht zu einer Sperrfristverletzung kommt.

Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Anteile an der Tochter-Kapitalgesellschaft für sieben Jahre sperrfristbehaftet sind, sodass die vorherige Einbringung im Falle einer Veräußerung innerhalb von sieben Jahren rückwirkend steuerpflichtig wird. Ein eventueller Veräußerungsgewinn schmilzt aber über die Siebenjahresfrist ab, sodass beispielsweise bei einer Veräußerung nach zwei Jahren nur fünf Siebtel der stillen Reserven zu versteuern wären. Rechtzeitige Planung und Vorbereitung lohnt sich daher. Weiterhin würde die Sperrfrist nicht verletzt, wenn man die Anteile nicht an den potenziellen Erwerber veräußert, sondern diesen über eine Kapitalerhöhung als Joint-Venture-Partner ins Boot holt.

Auch wenn es nicht zu Carve-outs und anderen M&A kommt, sollte die Steuerfunktion die Erhöhung von Inflation und Zinsen genau im Blick behalten. Zwischen Konzerngesellschaften könnte es geboten sein, die Verrechnungspreise zu ändern, um den geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Auch gewinnt die sog. Zinsschranke, also die beschränkte steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen, an Bedeutung. Betroffene Unternehmen könnten reagieren, indem sie die Zinshöhe steuereffizient ausgestalten, Sachdarlehen einsetzen, den Zinsaufwand im Konzern geschickt verteilen und andere Maßnahmen, wie die Justierung von Eigenkapitalquoten bei einzelnen Konzerngesellschaften, ergreifen.

Vertrockneter Schlamm
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Mitten im Sturm steuern

Technologiesprünge mit Fokus auf Joint Ventures

Digitalisierung, Fortschritte bei der E-Mobilität und Softwareentwicklungen stehen für technologische Sprünge, auf die sich Unternehmen einstellen und die richtigen Fragen stellen müssen.

Baut man eine eigene Produktion auf, kauft man sich Know-how ein oder verfolgt man strategische Partnerschaften? EY zum Beispiel geht bei der Verarbeitung und Nutzung von Daten strategische Allianzen mit SAP oder Microsoft ein. Man nutzt also Technologien Dritter als Basis und reichert sie mit eigenem Know-how an. Dies ermöglicht oft auch eine leichtere Integration in die bestehende Systemlandschaft beim Kunden.

In anderen Fällen kann es sinnvoll sein, sich von bisher profitablem Geschäft zu trennen, um den Veräußerungserlös in den Aufbau neuer technologischer Geschäftsbereiche zu investieren, z. B. im Automobilbereich, wenn es um die Transformation vom Verbrenner zur Elektromobilität geht. Hier wäre ein Carve-out – wie beschrieben – möglicherweise das Mittel der Wahl.

Eine weitere Option besteht darin, dass Konzerne sich bei Start-ups einkaufen oder diese gleich ganz übernehmen. In der Praxis tauchen dabei jedoch häufig Probleme auf. Diese reichen von kulturellen Differenzen (kreative Anarchie trifft auf geordnete Hierarchien) bis zu Inkompatibilitäten bei der Verschmelzung der oft gegensätzlichen Geschäftsmodelle (etabliert versus visionär). Am Ende bindet eine solche Liaison oft Managementkapazitäten und knappes Kapital, während der positive Effekt aufs eigentliche Geschäft eher homöopathisch ausfällt.

Aus steuerrechtlicher Sicht ist insbesondere auf Anfangsverluste in der Gründungsphase eines jungen Unternehmens zu achten. Zu vermeiden ist, dass diese durch eine Übernahme untergehen und in Folgejahren nicht mehr zur Verrechnung mit Gewinnen zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund wurden mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften 2016 die Möglichkeiten zur Verlustnutzung erweitert und der sog. fortführungsgebundene Verlustvortrag (§ 8d KStG) geschaffen. Ziel war es, betriebswirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen nicht durch steuerliche Restriktionen zu behindern. Dieser besondere Verlustvortrag ist so lange nutzbar, wie derselbe Geschäftsbetrieb fortgeführt wird. Trotz eines Gesellschafterwechsels bleibt der Verlustvortrag also erhalten und nutzbar, wenn und solange sich der den Verlust verursachende Betrieb nicht verändert.

Erfolgversprechender sind Beziehungen mit „älteren“ Jungunternehmen, deren Geschäftsmodell aus dem Entwicklungsstadium herausgewachsen ist und die sich in der Praxis bereits bewähren. Evolution und Kooperation erweisen sich im Regelfall als vorteilhaft im Vergleich zu revolutionären Ansätzen bei der Adaption technologischer Sprünge.

Für Zusammenschlüsse eignen sich hier aus steuerlicher Sicht insbesondere Joint-Venture-Strukturen. Wie bei den meisten Unternehmenstransaktionen sind Steuern auch bei der Festlegung der endgültigen Struktur und Funktionsweise eines Joint Venture eine Schlüsselkomponente. Oftmals läuft es in der Praxis leider so, dass sich zwei Unternehmen zusammenschließen und zusammenarbeiten, ohne dass genau klar ist, welche Art Joint Venture zwischen den Parteien vereinbart wurde. Im Wesentlichen gibt es die drei Fälle, dass eine Joint-Venture-Kapitalgesellschaft oder eine Joint-Venture-Personengesellschaft gegründet wird oder ein sogenanntes vertragliches Joint Venture vorliegt. Aus (steuer-)rechtlicher Sicht muss dies erst einmal bestimmt werden.

Anschließend ist insbesondere zu klären, was die Parteien jeweils eingebracht haben (beispielsweise „nur“ das Nutzungsrecht an IP vs. das IP als Wirtschaftsgut selbst; IP, steht für Intellectual Property, geistiges Eigentum) und welchen Wert die eingebrachten Leistungen oder Gegenstände haben. Ist der Rahmen abgesteckt, bleibt eine Vielzahl unterschiedlicher Themen und Aspekte der steuerlichen Behandlung zu prüfen. Dazu zählen beispielsweise die Steuerwirkung der Übertragung von Assets auf die „Joint Venture Co“ (inkl. Exit Tax, Quellensteuer, Lizenzeinnahmen etc.), die laufende steuerliche Behandlung (inkl. Hinzurechnungsbesteuerung, Transfer Pricing etc.) und die Besteuerung der Gewinnverteilung oder Entnahmen aus dem Joint Venture. Außerdem sollten hier, wie bei sämtlichen M&A-Transaktionen, kartellrechtliche Verstöße unbedingt ausgeschlossen werden, um hohe Bußgelder zu vermeiden.

Vierteljaehrliche durchschnittliche Grosshandelspreise und Preisschaetzungen
Ein Tornado bahnt sich seinen Weg vom äußersten Südosten Colorados in Richtung Oklahoma.
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Mitten im Sturm steuern

Fördermittellandschaft im Wandel

Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) ziehen die USA klimafreundliche Investitionen von Unternehmen aus aller Welt an. Weil die Förderung an einen hohen nationalen Wertschöpfungsanteil gebunden ist, überlegen Konzerne, komplette Produktionsstränge in die USA zu verlagern.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Konzerne ihre Investitionen in anderen Regionen der Welt herunterfahren. Allerdings versuchen die EU und zahlreiche Mitgliedstaaten ebenfalls, mit diversen Fördermaßnahmen zu punkten (Stichwort Green Deal).

Dabei ist es jedoch enorm wichtig, die Förderstrategie in die gesamte Unternehmensstrategie zu integrieren. Letztere hängt von einer Vielzahl von Komponenten und Faktoren ab. So spielen beispielsweise die Prozess-, Produkt- und Personalplanung oder auch Risikominimierung, Effizienzsteigerung oder Liquiditätsoptimierung eine Rolle. Alles zusammen sollte Einfluss auf Standortentscheidungen nehmen, sodass allein ein verlockendes Fördermittelangebot und eine darauf ausgerichtete Förderstrategie nicht ohne Weiteres zu einer erfolgversprechenden Standort- bzw. Produktionsverlagerung führen können. Für viele Konzerne kommt hinzu, dass sie sich Gedanken über die künftigen Energiepreise machen müssen. Hier schneidet Deutschland seit dem russischen Angriffskrieg und dem Ende der billigen Gasversorgung recht unvorteilhaft ab. Die USA punkten auch hier. Gerade in forschungs- und energieintensiven Branchen wie der Chemie, der Automobilwirtschaft und der Metallverarbeitung müssen Unternehmen deshalb ihre Standortpolitik grundlegend überarbeiten.

Aus steuerlicher Sicht bleibt hinsichtlich etwaiger Standortverlagerungen oder Sitzverlegungen festzuhalten, dass diese zunächst einmal rechtlich zulässig sein müssen. Grenzüberschreitende Umzüge von Unternehmen, die als grenzüberschreitender Formwechsel gelten, sind nach deutschem Umwandlungsrecht nur eingeschränkt möglich, auch wenn die rechtlichen Grundlagen hierfür durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze (UmRUG) erweitert wurden.

Eine Sitzverlegung in einen Drittstaat wie die USA wäre beispielsweise davon nicht abgedeckt, sodass im Worst Case eine Liquidation des Unternehmens im Inland und eine Neugründung in den USA angenommen würde. Das wäre mit einer Aufdeckung und Versteuerung sämtlicher stiller Reserven verbunden. Und selbst bei einem Umzug innerhalb der EU, der gesellschaftsrechtlich möglich ist, wäre die sog. Entstrickungsbesteuerung zu beachten, soweit die bisher im Inland steuerverhafteten Wirtschaftsgüter nicht in einer deutschen Betriebsstätte zurückbleiben. Insofern gilt auch hier, dass die Steuerfunktion für Zwecke der Förderstrategieplanung frühestmöglich eingebunden werden sollte.

Kommt es statt einer Sitzverlegung etwa zu einer Funktionsverlagerung, also einer Verlagerung betrieblicher Funktionen, die bisher im Inland ausgeübt werden, auf nahestehende Personen im Ausland, sind insbesondere die Transfer-Pricing-Kolleginnen und Kollegen einzubinden. Es bleibt der international anerkannte Fremdvergleichsgrundsatz bei der Festlegung der angemessenen Verrechnungspreise zu prüfen, wozu § 1 AStG und die Funktionsverlagerungsverordnung detaillierte gesetzliche Vorgaben enthalten.

Elektrisches Gewitter bei Sonnenuntergang
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Mitten im Sturm steuern

Wertschöpfungsketten auf dem Prüfstand

Zentralisierung entlang von Konzernwertschöpfungsketten war lange Zeit das gängige Credo.

In einem gesamtwirtschaftlichen Umfeld, in dem der internationale Handel weitgehend frei von Friktionen war, konnten durch Standardisierung und Zentralisierung von Unternehmensprozessen kosteneffiziente Strukturen geschaffen werden. Diese manifestierten sich in globalen Lieferketten und Shared-Service-Center-Strukturen. Gleichzeitig wurden strategische Rollen häufig in sogenannten Prinzipal- oder Hub-Gesellschaften an einem zentralen Standort zusammengefasst, was wiederum effiziente (konzerninterne) Liefer- und Leistungsbeziehungen ermöglichte.

Doch nun geraten Wertschöpfungsketten unter Druck. Die Corona-Pandemie markierte den Anfang, der russische Krieg in der Ukraine folgte. Seit einiger Zeit nehmen die Spannungen zwischen China und den USA zu. Auch spielen ESG-Themen, also Fragen ökologischer und sozialer Natur und zur Unternehmenskultur, eine wachsende Rolle. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sorgt für immensen Kontrollaufwand und Handlungsdruck. Und auch die Einführung der globalen Mindestbesteuerung dürfte bei betroffenen Konzernen dazu führen, dass sie ihre internationalen Wertschöpfungsstrukturen auf den Prüfstand stellen – denn mit zunehmender Angleichung der Unternehmenssteuersätze verlieren Strukturen, die auf der Zentralisierung bestimmter Funktionen in den von der Mindestbesteuerung besonders betroffenen Ländern basieren, tendenziell ihren steuerlichen Vorteil. Dies kann beispielsweise passieren, wenn legale steuerliche Begünstigungen in bestimmten Ländern gegenwärtig als Investitionsanreiz gesehen und genutzt werden.

Deren Vorteilhaftigkeit muss neu bewertet werden, wenn bspw. die Inanspruchnahme steuerlicher Begüntigungen zukünftig an eine bestimmte wirtschaftliche Substanz geknüpft wird (z. B. IRA) oder sehr komplexe neue Regelungen eingeführt werden, die – wie im Rahmen der Umsetzung der Mindeststeuervorschriften im Zuge des BEPS-Projekts und speziell Pillar II – implementiert werden müssen.

Die Neujustierung der Wertschöpfungsstrukturen erfordert besondere Kenntnisse in den Bereichen Lieferkettensegmentierung, Portfolio- und Lebenszyklusmanagement, ESG und Kreislaufwirtschaft, Ökosystem-Partnering, Datenanalyse und Risikomanagement. Jede Änderung kann Anschlussfragen auslösen – etwa zu den Auswirkungen bei den direkten oder indirekten Steuern, beim Zollmanagement oder bei den internen Leistungsbeziehungen und Verrechnungspreisen (siehe Checkliste). 

  • Steuerliche Checkliste bei Änderungen von Lieferprozessen

    Ändert sich etwas bei den direkten Steuern in Bezug auf …

    … geistiges Eigentum rund um Produktdesign und Modularität?

    … Standortentscheidungen?

    … den Grad der Zentralisierung?

    … neue Werttreiber?

    … das Beschaffungsmanagement?

    … steuerliche Kontrollpflichten?

    Wurden indirekte Steuern ausreichend beleuchtet im Hinblick auf …

    … Transaktionsstrukturen inkl. Inter- und Intra-Company Beziehungen und ihre mehrwertsteuerliche Beurteilung?

    … das Retourenmanagement?

    … die Identifikation mehrwertsteuerlicher Compliance-Verpflichtungen im Ausland?

    … die Abbildung mehrwertsteuerlicher Anforderungen in der IT?

    … das aktive Cashflow- und Risikomanagement?

    Liegen alle Daten für das Zollmanagement transparent vor?

    • Rollen und Verantwortlichkeiten in der Lieferkette (z. B. Anmelder, Ausführer)
    • zuverlässige Zolltarifierung
    • Präferenzmanagement
    • Nutzung von Zollverfahren
    • Zollwertermittlung bei Inter- und Intra-Company-Transaktionen

    Sind interne Leistungsbeziehungen berücksichtigt?

    • Anpassung interner Leistungsbeziehungen und Verrechnungspreisrichtlinien

    Ist die richtige Technologie im Einsatz?

    • IT-Infrastruktur

     

Reset speziell bei Lieferketten

Beim Lieferketten-Reset sollte die Überprüfung des Produktportfolios am Anfang stehen. Sind bestimmte Produkte – unabhängig von ihrem Herstellungsort – überhaupt noch gewünscht, kostengünstig und nachhaltig herstellbar? Auf den Prüfstand gehören insbesondere billige Einweg-Kunststoffwaren und Fast-Fashion-Produkte sowie rohstoffintensive oder umweltschädigende Erzeugnisse. Eine grundsätzliche Frage lautet: Können bestimmte Waren dem Druck von ESG-Berichtspflichten, Umweltsteuern und Verbraucherbefindlichkeiten überhaupt noch standhalten?

In vielen Sektoren drücken steigende Kosten für Produkte, Logistik, Emissionsabgaben und häufige Lieferunterbrechungen auf die Bruttomargen. Viele der heutigen Lieferketten sind zu lang, zu eindimensional und zu undurchsichtig geworden, um in einer zunehmend gestörten Weltwirtschaft und einer gleichzeitig sensibilisierten Gesellschaft noch funktionieren zu können. Lag die Betonung in den letzten 20 Jahren auf Größenskalierung und Kostenminimierung, so wird das nächste Jahrzehnt von Resilienz, Nachhaltigkeit und einer breiteren Definition von Werten geprägt sein.

Vielfältigere Vertriebskanäle sind erforderlich, um den Warenstrom über die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Endkunden gegen externe Schocks abzusichern. Mehrkosten entstehen zwangsläufig, wenn zusätzliche Produktionswerke etwa in der Nähe der Absatzmärkte errichtet werden, um die Abhängigkeit von einem Produktionsbetrieb zu verringern und Lieferkettenspannungen zu minimieren. Ähnliches gilt für die Verbreiterung der Lieferantenbasis, um einzelne Ausfälle – sei es durch Pandemie, Krieg, Naturkatastrophen, Streiks oder Sanktionen – besser ausgleichen zu können. In vielen Unternehmen vollzieht sich daher ein Paradigmenwechsel: weg von „Wie können wir die Kosten in der Lieferkette minimieren?“ und hin zu „Wie können wir Kunden bestmöglich und ohne Unterbrechung beliefern?“.

In den letzten Jahren hatten verschiedene Schlüsselfaktoren gravierende Auswirkungen auf die globalen Lieferketten (siehe Grafik).

Beim großen Supply-Chain-Reset müssen sich Unternehmen von linear zu segmentiert konfigurieren, von Offshore zu Multisourcing umschwenken und auch dadurch widerstandsfähiger werden, dass sie längerfristige gegenseitige Partnerschaften eingehen (siehe Kasten zu steuerlichen Fragestellungen im Block Wertschöpfungsketten). 

Gab es in den letzten 24 Monaten in den Betriebsablaeufen/Lieferketten Ihres Unternehmens 
erhebliche Stoerungen durch einen der folgenden Faktoren?
Eine Weiterentwicklung zu Multi-Hub-Modellen kann zusaetzliche geschaeftliche Flexibilitaet 
und eine robustere Resilienz bewirken
Taifun „Fitow“ wütet an Chinas Ostküste
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Mitten im Sturm steuern

China-Business und Decoupling

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 investierten deutsche Unternehmen 10 Milliarden Euro in China. Der Halbjahreswert liegt damit höher als alle Werte für die kompletten Jahre seit 2000. Ist dies bereits eine Folge der Investitionsstrategie, um das Business in China möglichst autark aufzustellen und es vor möglichen Sanktionen zu schützen?

Der Halbjahreswert liegt damit höher als alle Werte für die kompletten Jahre seit 2000. Ist dies bereits eine Folge der Investitionsstrategie, um das Business in China möglichst autark aufzustellen und es vor möglichen Sanktionen zu schützen?

Umgekehrt ist nach einer EY-Studie festzustellen: Chinesische Käufer kamen bei Firmenübernahmen in Europa 2022 seltener zum Zug. Die Zahl der Transaktionen sank im Vergleich zum Vorjahr von 155 auf 139. Sind dies die Vorboten einer Entkopplungsstrategie Chinas von Deutschland und damit auch von Europa (Decoupling) und einer Entkopplung Deutschlands von China zur Risikominimierung (Derisking)?

Aus M&A-Sicht gilt es, die Perspektiven bei der Beurteilung des Chinageschäfts um geostrategische Erwägungen zu erweitern. Unternehmen müssen sich auf wachsende Spannungen zwischen den USA, China und Europa einstellen, diese im Sinne der Risikoabwägung für die Stakeholder klar definieren, entsprechende Vorbereitungen treffen und diese Strategie transparent kommunizieren. Soll mein Unternehmen jetzt desinvestieren? Kann ich mir einen Abschied aus China leisten? Oder gilt für die zweitgrößte Volkswirtschaft inzwischen „too big to leave“? Wie groß ist der Beitrag, den China noch zum Geschäftsergebnis leisten darf?

Bei der strategischen Überprüfung des China-Geschäfts ist auch zu berücksichtigen, dass die dortigen Lohnkosten während der vergangenen Jahre immens gestiegen sind. Seit einiger Zeit ist zu beobachten, wie neue Investitionen vermehrt in Länder wie Vietnam oder Bangladesch fließen. Umgekehrt ist die Kaufkraft der Chinesen stark gestiegen, was ebenfalls in die Entscheidungsmatrix hineingehört. Wer dann am Ende seiner Überlegungen das Geschäft im Reich der Mitte zur Disposition stellt, sollte frühzeitig über einen Verkauf oder die Abspaltung entsprechender Sparten nachdenken. 

Insbesondere sollten, neben gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen, stets steuerliche Aspekte und Fallstricke frühzeitig bedacht werden. Denn die Steuerfolgen können stark variieren, von der Aufdeckung und Versteuerung sämtlicher stiller Reserven, im Worst Case bei „dry income“, bis hin zur voll steuerneutralen Umstrukturierung. Allerdings ist andererseits zu beachten, dass beim Decoupling (wie beim Russlandgeschäft) das noch erzielbare Entgelt für die Tochtergesellschaft bzw. deren Betrieb regelmäßig deutlich unter den ursprünglichen Investitionen liegt. Ferner kommt es in der Praxis in Extremfällen sogar dazu, dass ein potenzieller Erwerber nur gegen Zahlung eines Aufgeldes zur Übernahme der betreffenden Gesellschaft bzw. deren Betrieb bereit ist. Entsprechend kann eine Veräußerung von Beteiligungen bzw. deren Betrieben in Rahmen des Decoupling regelmäßig zu Verlusten führen, was eine frühzeitige Planung erforderlich macht, um den potenziellen Verlust ggf. steuereffizient zu nutzen.

Wegen der globalen Spannungen und möglicher Sanktionen könnte für Unternehmen auch eine völlige Abtrennung des Chinageschäfts infrage kommen. Für diesen Fall sollte man sämtliche Produktions- und Verkaufsstrukturen frühzeitig darauf vorbereiten, dass sie sich im Ernstfall zügig trennen lassen. Niemand sollte sich nach der Russland-Erfahrung im Jahr 2022 noch einmal auf dem falschen Fuß erwischen lassen.

Im konkreten Fall des russischen Angriffskrieges kam es unter anderem zu plötzlichen hohen Wertverlusten sämtlicher Beteiligungen an russischen oder ukrainischen Tochtergesellschaften. Wenn die entsprechenden Beteiligungen veräußert werden sollten (Share Deal), konnten die daraus resultierenden Verluste in vielen Fällen auch nicht im Inland bei der Muttergesellschaft verrechnet bzw. aufgrund der Abzugsverbote nach § 8b Abs. 3 KStG, § 3c Abs. 2 EStG aufwandswirksam geltend gemacht werden. Und auch für den Fall, dass lediglich der Betrieb der Tochtergesellschaft im Wege des Asset-Deals veräußert werden sollte, sind sich hieraus ergebende Verluste für steuerliche Zwecke regelmäßig nicht ohne Weiteres nutzbar.

Zwar würde die Veräußerung auf der Ebene der Tochtergesellschaft grundsätzlich auch zu einem steuerlichen Verlust führen, der grundsätzlich mit anderen positiven Einkünften des laufenden Jahres bzw. im Wege des Verlustrücktrags mit Gewinnen des Vorjahres verrechenbar wäre. Da jedoch die betroffene Tochtergesellschaft aufgrund der jeweiligen Ursache für das Decoupling regelmäßig bereits auch vor der Veräußerung keine steuerpflichtigen Gewinne erzielt bzw. erzielt hat, liefe ein Verlust aus dem Asset-Deal faktisch ins Leere. Aus diesem Grund sollte man sich frühzeitig die Frage stellen, wie Verluste, die sich im Rahmen von Veräußerungen ergeben, (weitestgehend) steuereffizient bei der Muttergesellschaft genutzt werden könnten. Durch eine frühzeitige Planung und Strukturierung könnte ein solcher Fall der Nichtnutzbarkeit von Verlusten in Bezug auf chinesische Tochtergesellschaften im besten Fall vermieden werden.

Für eine Aufspaltung oder eine zweigleisige Struktur – China und der Rest der Welt – könnte überdies sprechen, dass das fernöstliche Land immer mehr eigene Standards entwickelt. Der Binnenmarkt mit seinen schätzungsweise 1,4 Milliarden Menschen lässt dieses Selbstbewusstsein zu. Auch sprechen die zunehmenden Restriktionen beim Know-how-Transfer aus dem Westen dafür, dass sich in China eine noch stärkere F&E-Kultur entwickelt. Ohnehin ist das Land bereits zum Patentweltmeister aufgestiegen.

China legt nach wie vor einen Schwerpunkt auf die Förderung von Technologie mit Anreizen insbesondere in der steuerlichen Behandlung, Stichwort Hoch- und Neutechnologie-Unternehmen und „Super Deduction“ von F&E-Aufwendungen. Auch loben manche Standorte attraktive Subventionen für bestimmte Forschungsbereiche aus. Darüber hinaus setzt China inzwischen in einigen Bereichen Trends, von denen andere Regionen profitieren (z. B. „neighborhood electric vehicles“, also Kleinelektrikfahrzeuge), was dazu führt, dass hochrangige Unternehmensvertreter in Deutschland vom „Fitness-Center“ China sprechen, das man nicht einfach außer Acht lassen kann.

Beim Szenario einer Aufspaltung stellt sich zudem die Frage nach den Economies of Scale: Lohnt sich ein getrenntes Investment in China oder nicht? Eines ist sicher: Unternehmen müssen diese Szenarien auf ihre Tagesordnung setzen und sich auf eine entsprechende Situation möglichst frühzeitig vorbereiten.

Insoweit bleibt zu beachten, dass auch eine Aufspaltung zwangsläufig sämtliche Geschäftsbereiche, Finanzen ebenso wie Operations, Steuern, Recht, IT und HR, betrifft. Aus steuerlicher Sicht stellt sich allem voran die Frage, ob eine solche Aufspaltung ohne die Aufdeckung stiller Reserven vonstattengehen kann. Hier müssten zunächst chinesische Steuerexperten eingebunden werden, um auszuloten, was aus dortiger Sicht möglich ist. Bei deutschen Muttergesellschaften dürfen deutsche steuerliche Implikationen nicht außer Acht gelassen werden. Hier käme den Unternehmen die 2022 neu geschaffene Internationalisierung des Umwandlungsteuerrechts zugute, die grundsätzlich auch Umwandlungen mit Drittlandsbezug steuerneutral ermöglicht. Wenn beispielsweise eine Aufspaltung zwischen zwei ausländischen Gesellschaften stattfindet, kann unter gewissen Voraussetzungen auch für den inländischen Gesellschafter eine Steuerneutralität erreicht werden, wenn die ausländische Umwandlung mit einer deutschen vergleichbar ist.

Insoweit ist eine rechtliche Analyse des ausländischen Umwandlungsvorgangs aus der Perspektive des deutschen Umwandlungsrechts notwendig, was die Einbindung von ausländischen und deutschen Gesellschaftsrechtlern erforderlich macht. Ist eine ausländische Umwandlung nicht mit einer inländischen vergleichbar, so nimmt die deutsche Finanzverwaltung schlimmstenfalls eine aufgrund des sogenannten Korrespondenzprinzips voll steuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttung des übertragenden Rechtsträgers an den inländischen Gesellschafter an (und von diesem eine verdeckte Einlage in den übernehmenden Rechtsträger). Die gleichen Fragestellungen ergeben sich auch aus der Sicht der Hinzurechnungsbesteuerung, sofern deutsche Gesellschaften lediglich mittelbare Gesellschafter von umzuwandelnden ausländischen Tochtergesellschaften sind. Vor diesem Hintergrund muss jede ausländische Umstrukturierung zwingend auch aus deutscher steuerlicher Sicht analysiert werden.

Anzahl Patente nach ausgewaehlten Laendern
Lohnkosten im Jahresvergleich
Intensive Dürren gelten als Ursache, dass binnen zweier Monate der Irak, und somit auch die Hauptstadt Baghdad, von acht Sandstürmen heimgesucht werden.
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Mitten im Sturm steuern

Nachhaltigkeit treibt den M&A-Markt

Die Nachhaltigkeits-Performance rückt als neuer wertbestimmender Faktor in den Fokus von Unternehmen.

Es geht darum, von Investoren, Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit als Gesellschaft wahrgenommen zu werden, die sorgsam mit den natürlichen Ressourcen umgeht, soziale Aspekte beachtet und einen Beitrag zum Schutz der Umwelt und insbesondere des Klimas leistet. Immer mehr Gesellschaften beziehen Nachhaltigkeitsüberlegungen in strategische Portfolioentscheidungen mit ein. Sie trennen sich beispielsweise von ESG-kritischen Geschäftsbereichen und stocken umgekehrt ihr nachhaltiges Portfolio auf. Gut sieben von zehn deutschen Großunternehmen, so die EY-Studie „Nachhaltigkeit treibt den M&A-Markt“, planen für die kommenden zwei Jahre Zu- oder Verkäufe, um die eigene Nachhaltigkeits-Performance zu verbessern.

In Bezug auf den Gesamtmarkt sind die Erwartungen sogar noch größer: 87 Prozent der Manager rechnen mit einer steigenden Anzahl M&A-Transaktionen, die auf ein besseres Nachhaltigkeits-Rating abzielen. Für die Studie befragte EY 208 Unternehmen in Deutschland zur Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten im Rahmen von Investitionsentscheidungen.

Das Wachstum des nachhaltigen Finanzmarktes einschließlich neuer Finanzprodukte zeigt, wie groß das Interesse von Anlegern ist, finanzielle Renditen mit gesellschaftlichen Werten in Einklang zu bringen. Nachhaltige Anleger berücksichtigen ESG-Faktoren bei ihren Investitionsentscheidungen. Eine von EY in der Automobilindustrie durchgeführte Analyse zeigt, dass die Nachhaltigkeits-Performance positiv mit Bewertungsparametern verknüpft ist. Dies bedeutet, dass nachhaltigere Unternehmen bei gleicher finanzieller Performance einen Bewertungsaufschlag erzielen. Nachhaltigkeitsaspekte wirken einerseits auf finanzielle Geschäftschancen und -risiken, andererseits wird der Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft – sozusagen der gesamtwirtschaftliche Impact – in die Bewertung eingepreist. Dies spricht für ein neues Unternehmenswertparadigma.

Planen Sie konkrete Portfolio- bzw. M&A-Aktivitaeten zur Verbesserung Ihrer Nachhaltigkeitsperformance?

Due Diligence

Die zunehmende Bedeutung von ESG-Sachverhalten wirkt sich auf Unternehmenskäufe aus. Dies gilt einerseits in Bezug auf die wirtschaftlichen Treiber zum Kauf von Unternehmen – so kann ein „grünes Profil“ den Wert und die Attraktivität eines Unternehmens wie oben beschrieben erhöhen und für andere Unternehmen zur Aufwertung ihres eigenen Unternehmens- bzw. Investmentportfolios interessant sein. Andererseits können Unternehmen aufgrund nicht ESG-konformen Verhaltens (z. B. einer als aggressiv erachteten Steuergestaltung) nicht (mehr) als Portfoliounternehmen infrage kommen oder müssten sogar verkauft werden. Hinzu kommen in Zukunft immer mehr Vorschriften aus dem Bereich ESG als bindendes (Steuer-)Recht, die Konzerne dazu animieren könnten, Teile ihrer Sparten zu verkaufen. Die Anwendungsmaßstäbe für Transaktionen werden also immer breiter (vergleiche auch Tax & Law Magazine aus dem 4. Quartal 2022). 

ESG als Werttreiber: Die Stimmung am Kapitalmarkt tendiert zu nachhaltigeren Automobilherstellern i. S. einer besseren ESG-Beurteilung

Den Wert des M&A-Deals maximieren

Die meisten M&A-Transaktionen – ob Übernahmen oder Carve-outs – haben regelmäßig erhebliche Auswirkungen auf das Target Operating Model der beteiligten Unternehmen, und zwar sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer. Daher bietet eine M&A-Transaktion die ideale Gelegenheit, das aktuelle Operating Model sowie das Target Operating Model nach der Transaktion zu überprüfen und zu optimieren.

Werden die Operating Models der beteiligten Unternehmen im Rahmen des M&A-Deals nicht ausreichend betrachtet bzw. berücksichtigt, kann dies dazu führen, dass das Wertpotenzial der Transaktion nicht ausgeschöpft wird. Es besteht darüber hinaus das Risiko, dass das Operating Model des beim Verkäufer verbleibenden Unternehmens (im Falle eines Carve-outs) oder der erworbene Geschäftsbereich in der integrierten Struktur des Erwerbers unter den heutigen wirtschaftlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen nicht mehr tragfähig sind. Dies kann im Extremfall zu falschen Kaufentscheidungen führen.

Darüber hinaus haben Transaktionen und Umwandlungen stets steuerliche Auswirkungen. Ein ganzheitlicher Ansatz zur Transformation des Operating Models wird im M&A-Lebenszyklus immer wichtiger, insbesondere bei mittleren und großen Transaktionen, da Bewertungen und Risiken stark von steuerlichen Überlegungen beeinflusst werden können. Durch eine frühzeitige Gestaltung des Target Operating Models beim Erwerber unter Berücksichtigung operativer, steuerlicher und rechtlicher Anforderungen kann ein nachhaltiger Mehrwert geschaffen werden. Aus Sicht des Veräußerers kann ein höherer Kaufpreis realisiert werden, wenn im Rahmen der konzerninternen Ausgliederung bereits ein auf den zu veräußernden Geschäftsbereich zugeschnittenes Target Operating Model aufgesetzt wird.

Die notwendige Berücksichtigung der Veränderung des Operating Models gehört jedoch noch nicht zum Standardprozess bei M&A-Transaktionen. Ein gängiger „Sell and Separate“-Ansatz besteht beispielsweise darin, dass die bestehende rechtliche, transaktionale und operative Struktur des zu veräußernden Geschäftsbereichs im Rahmen der (konzerninternen) Ausgliederung lediglich repliziert wird („Lift and Shift“-Ansatz). Dieser Ansatz führt häufig zu ineffektiven Strukturen für das zu übertragende Geschäft. Auch kann der Lift and Shift-Ansatz dazu führen, dass das Operating Model des zurückbleibenden Geschäftsbereichs nicht mehr den operativen und steuerlichen Anforderungen genügt. Denn der sog. Business Footprint, d. h. die Standorte für Produktion, Vertrieb und Forschung- und Entwicklung, sowie die Standorte, an denen wesentliche Entscheidungsträger angesiedelt sind und die für steuerliche Zwecke als Strategieträger und Eigentümer immaterieller Wirtschaftsgüter anzusehen sind, unterscheidet sich beim ausgegliederten Geschäftsbereich oft erheblich vom zurückbleibenden Geschäft. Werden in diesem Fall die transaktionalen und steuerlichen Strukturen des zu übertragenden Geschäftsbereichs im Rahmen der Ausgliederung (vor Veräußerung) einfach repliziert, kann dies zu erheblichen Unsicherheiten und steuerlichen Risiken führen, da IP-Strukturen, Transaktionsflüsse und Verrechnungspreismodell nicht mehr zu dem erwähnten Footprint passen und unzureichend aufeinander abgestimmt sind. Dies kann letztlich den Wert der M&A-Transaktion (bzw. den Kaufpreis) negativ beeinflussen. Angesichts der hohen Wertmultiplikatoren bei der Kaufpreisbestimmung wirken sich bereits (vermeintlich) geringfügige Falschausrichtungen ganz erheblich aus.

Eine frühzeitige zielgerichtete Ausrichtung des Target Operating Models des auszugliedernden Geschäftsbereichs (sowie die ggf. erforderliche Anpassung des Target Operating Models beim zurückbleibenden Geschäftsbereich) maximiert entsprechend den Wert des M&A-Deals, erleichtert den operativen Übergang und führt zu geringeren steuerlichen Risiken für die beteiligten Unternehmen.

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Bereich International Tax & Transactions: Thomas Ebertz, Daniel Käshammer, Dr. Philipp Kühner, Vivien Mayer, Ivo Schmohl

Bereich Strategy and Transactions: Sebastian Binder, Jan Kümmel, Dr. Thomas Prüver, Andreas Warner

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Gestern Buzzword, heute Verpflichtung: Nachhaltigkeitsaspekte wirken inzwischen unmittelbar und teilweise zwingend in unternehmerisches Handeln hinein. Unter ESG oder auch Nachhaltigkeit fallen dabei alle umweltbezogenen, sozialen und ethischen Aspekte des Unternehmertums. Im Vordergrund steht, die möglichen Auswirkungen der Nachhaltigkeitsstrategie auf das Unternehmen vollumfänglich zu erfassen und alle Abteilungen bei der Umsetzung zu unterstützen.

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Fazit

Unternehmen sind in der Bewältigung der Krisenwellen massiv gefordert. Sie reagieren auf geopolitische Risiken, neue Hemmnisse, Inflation, Zinsen, ESG-Anforderungen oder erforderliche Technologiesprünge strategisch oder sind gezwungen, reflexartig ihre Resilienz zu bestätigen. Dabei sind in jeglicher betriebswirtschaftlichen Entscheidung steuerliche Folgeeffekte enthalten und zu berücksichtigen. Erst, wenn diese Betrachtung vielschichtig, umfassend und begleitend zur Unternehmensentscheidung durchgeführt wird, z. B. im Bereich von Unternehmenskäufen oder -verkäufen, kann der dringend benötigte oder erhoffte Wertbeitrag erzielt werden.

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Von Tax & Law Magazine

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