8 Minuten Lesezeit 4 August 2021
Sitzung des Deutschen Bundestages im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes

Was der steuerpolitische Endspurt der Bundesregierung für Unternehmen bedeutet

Von Tax & Law Magazine

Das Kundenmagazin von EY Deutschland zu aktuellen Steuer- und Rechtsthemen.

8 Minuten Lesezeit 4 August 2021

Die Bundesregierung hat noch wichtige Gesetze erlassen – mit vielen Belastungen und manchen Erleichterungen.

Überblick
  • Als letztes EU-Land setzt Deutschland die Vorgaben der Anti Tax Avoidance Directive der EU in nationales Recht um.
  • Die Abschaffung organschaftlicher Ausgleichsposten durch Umsetzung des Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz, kann zu erheblichen Steuerbelastungen führen.

Am Ende hatte es die Bundesregierung ganz eilig, in der auslaufenden Legislaturperiode noch eine Reihe von Gesetzen zu verabschieden. Dazu zählen das ATAD-Umsetzungsgesetz und das Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz (KöMoG).

Als letztes Land der EU setzt Deutschland damit die Vorgaben der Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) der EU in nationales Recht um. Die aus dem BEPS-Projekt hervorgegangenen Maßnahmen zielen auf eine verschärfte steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden Konzernstrukturen und Transaktionen ab. Daneben wird im ATAD-Umsetzungsgesetz, neben kleineren Änderungen der ertragsteuerlichen Behandlung konzerninterner Übertragungen von Vermögenswerten nach Deutschland oder aus Deutschland heraus (Ent- und Verstrickungen), einer Anpassung der steuerlichen Definition von nahestehenden Personen und einer Verschärfung der Wegzugsbesteuerung, insbesondere eine Anti-Hybrid-Regelung eingeführt und die Hinzurechnungsbesteuerung angepasst.

Mit dem KöMoG werden organschaftliche Ausgleichsposten abgeschafft, was zu erheblichen Steuerbelastungen führen kann. Weiter wird ein positiv zu bewertendes Optionsmodell für Personengesellschaften eingeführt, nach dem sich Personengesellschaften ab 2022 wie Kapitalgesellschaften besteuern lassen können. Leider nicht enthalten ist dagegen die von Seiten der Wirtschaft immer wieder geforderte Verbesserung der sog. Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG. Zuletzt stand deshalb sogar die Zustimmung des Bundesrats in Frage, was ein Straucheln des Gesetzgebungsverfahrens auf den letzten Metern vor der Ziellinie zur Folge hätte. Zum Stand der Drucklegung ist dies aber unwahrscheinlich.

1. Anti-Hybrid-Regelungen

Die neuen deutschen Anti-Hybrid-Regelungen sind in ihrer handwerklichen Komplexität wie auch in ihren potenziellen Auswirkungen kaum zu überblicken und zu handhaben. Es geht um hybride Transaktionen (z. B. eine Kapitalüberlassung, die von einem Staat als Fremdkapital und vom anderen als Eigenkapital behandelt wird), hybride Gesellschaften (z. B. eine Gesellschaft, die von einem Staat als intransparente Kapitalgesellschaft und vom anderen als transparente Personengesellschaft behandelt wird) oder um Besteuerungsinkongruenzen im Zusammenhang mit Betriebsstätten (z. B. Staat 1 sieht eine Betriebsstätte der A-GmbH, Staat 2 hingegen nicht). Zudem sollen die Fälle erfasst werden, in denen Aufwendungen eines Unternehmens in mehreren Staaten den steuerlichen Gewinn mindern (z. B. wenn eine Zinszahlung der A-GmbH sowohl im Inland bei der A-GmbH als auch bei einer ausländischen B-Inc. den steuerlichen Gewinn mindert). In beiden Fallgruppen kann der Fiskus nun die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen im Inland versagen.

Da die Regelungen recht abstrakt gehalten sind, zeigt erst die Anwendung in der Praxis bei konkreten Konstellationen ihre Brisanz und ihre zum Teil auch überschießende, doppelbesteuernde Wirkungsweise. Erfasst werden nach aktuellem Diskussionsstand sowohl reguläre Aufwendungen (z. B. Zinsaufwand oder Abschreibungen) als auch fiktive steuerliche Aufwendungen (z. B. bei einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung, einem sogenannten Dealing, zu einer Betriebsstätte). In den überwiegenden Fällen wird es sich um deutsche Tochtergesellschaften handeln, die von ausländischen Gesellschaften gehalten werden (Inbound-Konstellationen). Jedoch können auch Transaktionen mit ausländischen Tochtergesellschaften erfasst sein – entweder unmittelbar ausgehend vom deutschen Gesellschafter oder im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung.

Für Unruhe sorgen derzeit neben der gesetzestechnischen Komplexität insbesondere drei Aspekte:

  • Zum einen scheint der Gesetzgeber in der konkreten Ausgestaltung der Anti-Hybrid-Regelung bewusst über die Mindeststandards der Richtlinie hinauszugehen, wodurch auch Strukturen betroffen sein können, die auf den ersten Blick keine Besteuerungsinkongruenz oder gar keinen steuerlichen Vorteil beinhalten. Das gilt bspw. für Beteiligungsstrukturen von US-Unternehmen an deutschen Gesellschaften, die in den USA im Rahmen des „Check-the-box“-Regimes besteuert werden (Behandlung als fiktive Betriebsstätten und nicht als eigenständige Steuersubjekte).
  • Die zweite Herausforderung resultiert aus der zeitlichen Anwendungsregelung des § 4k EStG, wonach bereits Aufwendungen erfasst werden, die nach dem 31. Dezember 2019 entstanden sind. Die steuerliche Rückwirkung ist verfassungsrechtlich höchst umstritten und stellt die Steuerpflichtigen insbesondere vor praktische Anwendungsschwierigkeiten.
  • Die dritte Herausforderung besteht in der notwendigen Informationsbeschaffung, denn § 4k EStG erfasst neben direkten Transaktionen zwischen Deutsdchland und dem Ausland auch mehrstufige Transaktionen durch die Kette. So wäre bei einer mehrstufigen Kapitalüberlassung (z. B. durch vier Länder und vier Gesellschaften bis nach Deutschland) eine Analyse der steuerlichen Behandlung aller (im Beispiel: vier) beteiligten Länder und Gesellschaften notwendig.

Handlungsbedarf: Höchste Priorität sollte dem Ausbau des Tax-Compliance-Management-Systems zukommen, um so diejenigen grenzüberschreitenden Transaktionen/Aufwendungen standardisiert zu identifizieren, die einer konkreten Prüfung nach § 4k EStG unterzogen werden müssen. Grundsätzlich sollte die Konzernsteuerabteilung für Sensibilität und Expertise hinsichtlich der verschiedenen Konstellationen sorgen. Sachverhalte, die potenziell § 4k EStG unterfallen, sollten schnellstmöglich dokumentiert werden – insbesondere im Hinblick auf die bilanzielle Abbildung von Steuerrisiken im Rahmen von Rückstellungen wie auch auf eine hinreichende Argumentationsbasis für den späteren Austausch mit den Finanzbehörden.

2. AStG und Hinzurechnungsbesteuerung

Deutschland ist in Sachen Hinzurechnungsbesteuerung ein Vorreiter. Dabei werden bestimmte niedrig besteuerte Gewinne von ausländischen Tochtergesellschaften der inländischen Steuerpflicht unterworfen. Da die deutschen Regelungen, festgehalten im Außensteuergesetz (AStG), weitestgehend bereits vor dem ATAD-Umsetzungsgesetz den Mindeststandards entsprachen, scheinen die Änderungen auf den ersten Blick nur punktuell zu sein. Insbesondere die Niedrigsteuergrenze von 25 Prozent wurde trotz heftiger Proteste beibehalten. Die relevanten Änderungen führen einerseits zu einer Ausweitung der potenziell betroffenen Beteiligungsstrukturen, da für eine notwendige Beherrschung von mehr als 50 Prozent der ausländischen (Zwischen-)Gesellschaften künftig eine gesellschafterbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung nahestehender Personen gilt (Einbeziehung der Beteiligungen von EU-Konzerngesellschaften). Andererseits wird der Katalog der betroffenen Einkünfte angepasst. Dabei finden sich sowohl Ver- als auch Entschärfungen hinsichtlich der relevanten Einkünfte. Hervorzuheben ist die Implementierung der vergleichsweise komplizierten Regelungen zur Besteuerung von Dividenden, die aus § 8b KStG nunmehr auch Einzug in den Aktivkatalog findet – und dabei sogar noch an Komplexität hinzugewinnt. Positiv für die Steuerpflichtigen im Hinblick auf die steuerliche Compliance gestaltet sich allemal die Anwendungsregelung. Danach sind die Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung erstmals für das erste Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft anzuwenden, das nach dem 31.12.2021 beginnt.

Handlungsbedarf: Es bleibt den Unternehmen noch ausreichend Zeit, die bestehenden Strukturen einem Health-Check zu unterziehen und ggf. Anpassungen anzustoßen, um den möglichen negativen Folgen bei der Hinzurechnungsbesteuerung ab 2022 vorzubeugen. Angesichts des aktuellen BMF-Schreibens zur Anwendung des „Motivtests“ als Ausweg aus der Hinzurechnungsbesteuerung dürfte dieser Punkt zudem in zukünftigen Betriebsprüfungen häufiger aufgegriffen und zum Streitpunkt werden. Dies sollte bereits bei einer zeitnahen Dokumentation antizipiert werden.

3. Optionsmodell

Das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts ist ein echter Meilenstein der deutschen Unternehmensbesteuerung, weil es das sogenannte Optionsmodell beinhaltet. Dieses räumt Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften ein antragsgebundenes Wahlrecht ein, sich wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft besteuern zu lassen. Mit anderen Worten: Die Tür zur Körperschaftsbesteuerung mit einem Satz von rund 15 Prozent (zzgl. Gewerbesteuer) steht nun auch Personengesellschaften offen, die bisher ausschließlich transparent, d. h. auf der Ebene ihrer beteiligten Gesellschafter und nicht als eigenständiges Steuersubjekt, besteuert wurden. Der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung gilt als Formwechsel i. S. d. Umwandlungssteuergesetzes und die Option gilt für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen wie auch für die Gewerbesteuer. Auf die Erbschaftsteuer oder Grunderwerbsteuer schlägt die Option damit grundsätzlich nicht durch. Allerdings wird das Grunderwerbsteuergesetz in Bezug auf die Inanspruchnahme grunderwerbsteuerlicher Begünstigungsnormen (§§ 5, 6 GrEStG) angepasst, um deren Anwendung auf eine optierende Gesellschaft nur in sehr engen Grenzen zuzulassen. Ein Wermutstopfen bleibt: Bei der Ausübung der Option müssen nachversteuerungspflichtige („thesaurierte“) Beträge, für die die Thesaurierungsbegünstigung beansprucht wurde, wie bei einem „echten“ Formwechsel nachversteuert werden.

Handlungsbedarf: Wer optieren will, sollte unbedingt die Nachversteuerungsbeträge nach § 34a EStG überprüfen und die Thesaurierungsbegünstigung für den Gewinn aus den Veranlagungsjahren 2019/2020/2021 nicht in Anspruch nehmen bzw. ggf. zurücknehmen, um keine Nachversteuerung zu provozieren. Bei einer steuerneutralen Umwandlung zu Buchwerten muss insbesondere das gesamte wesentliche Sonderbetriebsvermögen (SBV) der Gesellschafter in die optierende Gesellschaft eingebracht werden. Da nach Ausübung der Option von der Gesellschaft gezahlte Vergütungen (Zinsen, Mieten etc.) nicht mehr als Sondervergütungen (gewerbliche Einkünfte der Gesellschafter) behandelt werden, ist es außerdem erforderlich, Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft hinsichtlich ihrer Angemessenheit und formalen Voraussetzungen („formeller Fremdvergleich“) zu überprüfen. Ansonsten besteht das Risiko verdeckter Gewinnausschüttungen. Auch sind zahlreiche Aspekte aus dem Bereich des Umwandlungssteuerrechts zu beachten, etwa die Frage, ob die Voraussetzungen für einen steuerneutralen Formwechsel zu Buchwerten vorliegen, ob durch den fiktiven Formwechsel Sperrfristverletzungen wie bei einem „echten“ Formwechsel eintreten können (bspw. aufgrund vorangegangener Umstrukturierungen) oder ob die Mindestverweildauer in der Option von sieben Jahren voraussichtlich eingehalten werden kann, um keine Sperrfristverletzung und Nachversteuerung durch eine mögliche Rückoption auszulösen. Schließlich sind etwa die gesellschaftsrechtlichen Regelungen zum mehrheitlichen Gesellschafterbeschluss zu erfüllen und vertragliche Gewinnverwendungsklauseln sowie Entnahmeregelungen und Steuerklauseln müssen überprüft und ggf. angepasst werden, um nachteilige steuerliche Folgen zu vermeiden. So verlockend und einfach die Optionsausübung auch klingen mag – in der Praxis will sie wohl bedacht sein und auch mit der gebotenen Vorsicht implementiert werden.

Auf einen Blick - Handlungsbedarf aus dem...

  • … ATADUmsG

    • TAX-CMS-Prozesse anpassen und Dokumentation vorbereiten
    • kritische „Hybrid“-Fälle identifizieren – auch Konstellationen abseits der „Standard“-Fälle können betroffen sein
    • Health Check anstoßen hinsichtlich der (überschaubaren) Änderungen in der Hinzurechnungsbesteuerung
  • … KöMoG

    • insbesondere für „junge“ Gesellschaften kann die Option vorteilhaft sein
    • eine Optionsausübung sollte bei einer bestehenden Gesellschaft wohl überlegt werden
    • Achtung bei hohen passiven organschaftlichen Ausgleichsposten! Denn eine Versteuerung als Beteiligungsertrag droht!

4. Einlagelösung

Das KöMoG umfasst außerdem, neben einer Internationalisierung des Umwandlungssteuerrechts und einer besseren Anerkennung von Gewinnminderungen aus Währungskursschwankungen bei Gesellschafterdarlehen, auch eine sogenannte Einlagelösung als Ersatz für organschaftliche Ausgleichsposten. Diese hat zur Folge, dass künftig organschaftliche Mehr- und Minderabführungen (d. h. Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz) direkt über den Beteiligungsbuchwert abgebildet werden. Minderabführungen gelten als Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft, Mehrabführungen als Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger. Im Rahmen einer Übergangslösung sind beim Organträger noch bestehende Ausgleichsposten für Minder- und Mehrabführungen im Wirtschaftsjahr 2022 unter Verrechnung mit dem Beteiligungsbuchwert aufzulösen.

Handlungsbedarf: Soweit ein passiver Ausgleichsposten die Summe aus dem aktiven Ausgleichsposten und dem Buchwert der Beteiligung übersteigt, liegt ein Beteiligungsertrag vor, der unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens oder des Schachtelprivilegs nach § 8b KStG versteuert werden muss. Alternativ wird dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt, den Beteiligungsertrag ganz oder teilweise in eine Rücklage einzustellen und ratierlich über zehn Jahre zu versteuern. Eine teilweise sofortige Versteuerung bietet sich hier insbesondere an, wenn bspw. laufende Verluste oder auch Verlustvorträge vorhanden sind. Derzeit ist noch fraglich, ob im Zuge der Einlagelösung eine Saldierung von organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen innerhalb eines Wirtschaftsjahres geboten ist – so unsere Auffassung – oder nicht. Auch in Bezug auf mittelbare Organschaften bestehen noch Unklarheiten.

Co-Autoren: Dr. Christian Herbst, Vivien Mayer, Philipp Borchert

Fazit

Aus den verabschiedeten Gesetzen ergibt sich für Unternehmen ein akuter Handlungsbedarf. Jedoch sollten alle Implementierungen nach wie vor gut überlegt sein, um Risiken zu minimieren und etwaige Unklarheiten zu kennen.

Über diesen Artikel

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