Beim Tax-Compliance-Management-System (Tax CMS) geht es darum, die Kontrollaufgaben im Unternehmensalltag bestmöglich zu erfüllen. Dies geschieht durch eine kontinuierliche Integration der steuerlichen Kontrollaktivitäten in die operativen Geschäftsprozesse. Der technologiegestützten Abbildung von Prozessen kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu. Da trifft es sich, dass viele Unternehmen sich gerade verstärkt mit der Einführung eines softwarebasierten Geschäftsprozessmanagements beschäftigen – auf englisch „Business Process Management“, kurz BPM.
Fehler im System
In der Praxis besteht die Herausforderung oftmals darin, die in den umfangreichen Risikokontrollmatrizen definierten Kontrollen und Maßnahmen im Regelbetrieb konsequent einzuhalten. Ursächlich für eine nicht konsequente Umsetzung ist oftmals, dass die Compliance auf nachgelagerte manuelle Kontrollen ausgerichtet ist, die in der Regel zusätzlich zum Tagesgeschäft zu erledigen und vielfach nicht in die operativen Geschäftsprozesse und ERP-Systeme mit steuerlichen Implikationen (z. B. Bestellprozesse, HR-Prozesse) eingebettet sind. Außerdem sind die Regeln nicht allen Anwendern vollständig bekannt, insbesondere steuerfremden Beteiligten in Schnittstellenabteilungen nicht. Fehlt es dann noch an einer fortlaufenden Überwachung der Kotrollaktivitäten und an einer regelmäßigen Berichterstattung, kann ein Tax CMS keine enthaftende Wirkung entfalten.
Prozesstransparenz als Grundstein
Im Rahmen einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Tax CMS sollte der Fokus auf eine effiziente Integration in die operativen Geschäftsprozesse gelegt werden. Transparenz bezüglich der (steuerlich) relevanten Prozessschritte – vom Beginn einer Einzeltransaktion bis hin zur Steuererklärung – ist der Grundstein für eine gute Datenqualität und Datenklassifikation und folglich für die Sicherstellung der Tax Compliance. Die Mitarbeiter innerhalb und außerhalb der Steuerabteilung müssen in die Lage versetzt werden, die Tax-CMS-relevanten Aufgaben und Anforderungen im Tagesgeschäft laufend zu erfüllen. Gleiches gilt für die Überwachung und die Berichterstattung.
BPMN 2.0
Die Dokumentation von Prozessen kann in Form von Flussdiagrammen mittels Modellierungsstandard BPMN 2.0 („Business Process Model and Notation“) automatisiert werden. Ein maschinenlesbarer Code ermöglicht es, die modellierten Prozesse in technische Lösungen zu überführen und dabei die Flussinformationen zu übertragen. Die einzelnen Risiken, Kontrollen und Richtlinien können mit den jeweiligen Prozessschritten verknüpft und in eine Tax-CMS-Workflow-Lösung überführt werden. Der Status der steuerrelevanten Prozesse lässt sich so systematisch überwachen und der erforderliche Zeitaufwand für die Durchführung und Überwachung von Kontrollen wird reduziert. Auch innerhalb von SAP-S/4HANA-Transformationsprojekten wird regelmäßig eine Neumodellierung der Prozesse vorgenommen, sodass die Steuerabteilung an diese Dokumentation nahtlos anknüpfen kann.
DMN
Zur Verbesserung der steuerlichen Datenqualität lassen sich auch automatisierte Entscheidungsregeln einsetzen. Ähnlich wie bei der Prozessdokumentation mittels BPMN 2.0 werden im Rahmen von „Decision Model and Notation“ (DMN) Geschäftsprozesse grafisch dargestellt und überdies mit Entscheidungslogiken hinterlegt. Die Entscheidungsregeln können mit BPMN-2.0-Diagrammen verknüpft werden. Nutzer müssen über keinerlei Steuerkenntnisse verfügen und lediglich die Pflichtfelder mit den einzugebenden Informationen ausfüllen. Anschließend bekommt der Anwender auf der Basis der eingegebenen Informationen die entsprechende (steuerlich relevante) Handlungsanweisung. Derartige Entscheidungsmodelle, auch als Tax Rule Boxes bezeichnet, lassen sich effizient zur steuerlichen Würdigung und Behandlung von Sachverhalten im operativen Tagesgeschäft einsetzen, z. B. im Bereich Sachzuwendungen nach § 37b EStG oder Quellensteuersachverhalten i. S. d. § 50a EStG.
Process Mining
Prozessabläufe lassen sich sichtbar machen, indem man Datenspuren aus IT-Systemen nutzt und systematisch aufbereitet. Mit einem solchen Process Mining können Abweichungen zu den definierten Soll-Prozessen identifiziert werden. Die notwendigen Datenspuren (Log Information) für steuerliches Process Mining stammen meist aus dem Finanzbuchhaltungssystem und steuerlichen Workflow-Anwendungen. Aber auch weiter gehende Datenquellen wie vorhandene Vorsysteme oder E-Mail-Systeme können angezapft werden. Im Rahmen eines Tax CMS ermöglichen automatisierte Prüfroutinen die Entdeckung steuerlicher Risikofelder und -quellen. Die Vorteile von Process Mining liegen in einer hohen Kontrolldichte, dem geringen manuellen Aufwand bei der Kontrolldurchführung und in der insgesamt gewonnenen Prozesstransparenz.