7 Minuten Lesezeit 20 Februar 2019
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Steuern im Rampenlicht: Rapider Wandel bei Steuerstreitigkeiten

Von Rob Hanson

EY Global Tax Controversy Leader

Frequent lecturer on legislative and regulatory tax policy issues.

7 Minuten Lesezeit 20 Februar 2019

Angesichts zunehmender Forderungen nach steuerlicher Transparenz vollzieht sich im Umgang mit Steuern ein grundlegender Wandel. Wir untersuchen sechs Schritte, um das Risiko in den Griff zu bekommen.

Erhöhte Transparenz und neue Meldepflichten, viele davon als direkte Konsequenz des sogenannten Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die steuerliche Compliance und Berichtsfunktion von Unternehmen, auf Steuerprüfungen, Streitigkeiten und Reputationsrisiken. Dies hat für Unternehmen den Bedarf erhöht, einen durchgängigen Ansatz für ihren Umgang mit Steuerrisiken und Streitfällen zu entwickeln.

Die Aufgabe, Steuerrisiken und Streitfragen zu bewältigen, ist heute schwieriger denn je.
Rob Hanson
Leiter EY Global Tax Controversy

Gleichzeitig nutzen Steuerbehörden das Potenzial der Digitalisierung, um ihre begrenzten Ressourcen effizienter einzusetzen und mehr Wert aus den Informationen zu gewinnen, die bei ihnen eingehen. Sie setzen immer stärker auf digitale Methoden zur Sammlung von Steuerdaten und werten diese mithilfe von Datenanalytik aus, um die Steuereinnahmen zu steigern, die Steuerehrlichkeit zu fördern und die Gesamteffizienz des Steuersystems zu erhöhen.

Steuerbehörden setzen Datenanalytik ein, um über Compliance oder die Notwendigkeit von Steuerprüfungen zu entscheiden und teilen diese Daten zunehmend auch mit Steuerverwaltungen in anderen Zuständigkeitsbereichen. Daraus ergeben sich neue Risiken für Unternehmen, wenn ihre Mitarbeiter, Abläufe und Systeme veraltet sind oder den staatlichen Anforderungen und Erwartungen nicht mehr entsprechen.

Während sich Unternehmen noch an die rasanten Veränderungen der Steuergesetze und Besteuerungsverfahren anpassen, die durch BEPS und den digitalen Wandel ausgelöst wurden, macht sich bereits eine weitere Welle politischer Unsicherheit bei den Steuerrisiken bemerkbar. Diese „Unbekannten in der Gleichung“ haben viele Unternehmen dazu veranlasst, mögliche Auswirkungen auf ihre Steuerstrategie und Geschäftsvorhaben zu analysieren.

Justice Louis Brandeis, Richter am Obersten Gerichtshof der USA, hat bekanntlich Tageslicht als das beste Desinfektionsmittel bezeichnet. Tageslicht kann aber auch schädlich sein, wenn man nicht auf die Intensität der Sonnenstrahlung vorbereitet ist. Unsere Tax Risk and Controversy Survey von 2017 deutet darauf hin, dass Unternehmen weltweit den Compliancebereich als Prisma nutzen, durch das sie die Forderungen nach mehr Transparenz wahrnehmen.

Tageslicht wird durch das Prisma in ein Spektrum aus roten, orangefarbenen, gelben, grünen, blauen, indigofarbenen und violetten Strahlen zerlegt. Jede einzelne dieser Farben bedarf dabei ihrer eigenen Abwägung. Für diejenigen, die sich dem Licht aussetzen, bedeutet dies, dass sie alle Risiken bedenken und die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen sollten, bevor sie den Schritt in diese neue (aggressive) Umgebung wagen.

Sechs Schritte um Steuerstreitigkeiten in den Griff zu bekommen

Bei der Auswertung unserer Umfrageergebnisse haben wir sechs Kernbereiche identifiziert, auf die sich Unternehmen bei ihrer Anpassung an das veränderte Steuerumfeld konzentrieren sollten.

1. Gehen Sie bei ihrem steuerlichen Risikomanagement strategisch vor

Die Umfrage zeigt, dass zahlreiche lang erwartete Treiber des Steuerrisikos nun Realität geworden sind. Es ist also wichtig, dass sich Unternehmen auf diese Risiken vorbereiten, in welcher Gestalt sie auch immer in Erscheinung treten werden – von der Reaktion auf aggressive Steuerprüfungen oder die Infragestellung von Verrechnungspreismethoden bis hin zum Umgang mit steuergetriebenen Reputationsproblemen und der Analyse bestehender internationaler Betriebsstrukturen.

Ein integrierter, ganzheitlicher und umfassender Ansatz kann dazu beitragen, Streitfragen zu klären, bevor sie virulent werden, indem eine Top-down-Steuerung eingerichtet sowie Systeme und Prozesse genutzt werden, welche Überprüfung und Compliance verbessern. Dieser Ansatz hilft Unternehmen auch, ihre Öffentlichkeitswirkung, Kontrolle und Risikobewertung zu verbessern und auf diese Weise Streitfragen, die sich nicht verhindern ließen, besser zu meistern.

Die Auswahl des angemessensten Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten – sei es beim Prüfungs- und Berufungsmanagement oder bei Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren – sorgt für schnellere Lösungen und erlaubt es Unternehmen, sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können.

2. Gehen Sie Steuer- und Reputationsrisiken proaktiv an

Stellen Sie sicher, dass Ihre Steuerabteilung angesichts der BEPS-getriebenen verschärften Melde- und Offenlegungspflichten sowie der strengeren Wirtschaftsprüfungen über genügend Kenntnisse, Mitarbeiter, Budget und weitere notwendige Ressourcen verfügen, um die neuen Anforderungen an die Steuerfunktion zu erfüllen. Bewerten Sie potenzielle Reputationsrisiken und vergewissern Sie sich, dass der Vorstand und die Stakeholder auf Führungsebene wirklich verstehen, dass das unternehmerische Steuerprofil nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine Reputationsdimension besitzt.

Entwickeln Sie in enger Abstimmung mit dem Vorstand eine klare Richtlinie, die den Ansatz des Unternehmens bei der Steuerplanung erklärt. Behalten Sie bei der Erarbeitung dieser Richtlinie im Auge, dass der Vorstand, der CEO und weitere Unternehmensvertreter die Publikation dieser Richtlinie begrüßen sollen und bereit sein müssen, sie in der Öffentlichkeit zu verteidigen.

Fassen Sie gleichzeitig einen Entschluss, wie transparent Ihr Unternehmen bei der Offenlegung der Steuerbeträge sein möchte, die an ihren internationalen Standorten gezahlt werden. Verfassen Sie einen Plan zur einheitlichen Kommunikation an die externen Stakeholder und Steuerbehörden, sobald eine Entscheidung darüber gefällt wurde.

3. Lösen Sie steuerliche Streitfragen global

In einer Welt des zunehmenden Datenaustauschs zwischen Steuerbehörden, der aggressiven Besteuerungsdurchsetzung und der damit verbundenen Reputationsrisiken ist es entscheidend, eine globale Sicht auf alle Rechtsprechungen zu haben, die für Ihr Unternehmen relevant sind. Ein global abgestimmter Ansatz erhöht Ihre Fähigkeit, Risiken zu managen und zu priorisieren und hilft Ihnen dabei, die Auswirkungen von Streitigkeiten zu verringern.

Ein globales Regelwerk zur Bewältigung von Steuerprüfungen, eine globale Compliance-Plattform sowie ein global vereinheitlichtes Berichtswesen über Steuerstreitigkeiten, die auf Vorbereitungswerkzeuge und wirtschaftliche Modelle zurückgreifen, können für mehr Klarheit, Selbstvertrauen und Gewissheit sorgen. Ein globaler Ansatz kann Vorteile für das gesamte Unternehmen bringen: ein geringeres Steuerprüfungsrisiko, mehr Kontrolle bei der Prüfung sensibler Themen, ein proaktiver Umgang mit Steuerstreitigkeiten und ein erhöhter Informationsaustausch.

4. Schließen Sie Lücken bei der digitalen Steuerverwaltung

Nachdem viele Regierungen eine Steuerberichterstattung nahezu in Echtzeit verlangen und immer häufiger ausgeklügelte Datenanalyseverfahren einsetzen, rücken Steuerbehörden global ins Rampenlicht. Unternehmen sollten ihre digitalen Kompetenzen ausbauen, um dieser neuen Welt digitalisierter Steuerbehörden gerecht zu werden.

Ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung ist die Einführung eines neuen, digitalen Betriebsmodells. Hierbei müssen Unternehmen sicherstellen, dass sie die Datenanforderungen der Steuerbehörde verstehen, Quelldaten gemäß landesspezifischer Erfordernisse formatieren können und über die richtigen Instrumente zur Abgabe digitaler Steuererklärungen verfügen.

Unternehmen sollten ihre Daten darüber hinaus einer Analyse unterziehen, bevor sie diese speichern und einen Prozess zum Aufbau digitaler Dateien für Steuerprüfungszwecke aufsetzen. Sie sollten zudem erwägen, eine Datensammlung in Echtzeit aufzubauen, mit der sie sich während einer Steuerprüfung oder anderer Streitfälle verteidigen können, sowie ein regionales oder globales Steuerportal einzurichten, mit dem sie Prüfungen und Datensammlungen überwachen und verfolgen können.

5. Nutzen Sie alternative Streitbeilegungsmechanismen (ADR) strategisch

Werten Sie die unterschiedlichen Vorbereitungswerkzeuge (Verrechnungspreisgestaltung, Vorabvereinbarungen, Kooperationsvereinbarungen mit den Steuerbehörden) aus, um zu ermitteln, ob eines davon sich eignet, Ihr Unternehmen vor zukünftigen Risiken und Streitigkeiten zu schützen. Wägen Sie dabei die Kosten und Vorteile ab, die diese Werkzeuge mit sich bringen. Arbeiten Sie daran, eine gute Beziehung zu den Steuerbehörden aufzubauen (eine gute Arbeitsbeziehung mit der Steuerbehörde ist entscheidend für den Erfolg jeder alternativen Streitbeilegung.)

Bewerten Sie darüber hinaus die Vor- und Nachteile der Streitbeilegungsmethoden, die zur Verfügung stehen, wenn ein Streitfall nicht vermieden werden kann – beispielsweise Beschwerde-, Gerichts-, Mediations- und Schlichtungsverfahren sowie das Verständigungsverfahren (MAP). Erwägen Sie angesichts der Zunahme grenzübergreifenden Steuerstreitigkeiten mit Steuerbehörden, frühzeitig ein Verständigungsverfahren einzuleiten, um potenzielle Streitfragen beizulegen. Entwickeln Sie eine durchgängige Philosophie für den Umgang mit Streitfragen: Nach welchen Kriterien sollen Streitigkeiten beigelegt, gerichtlich verhandelt oder anderweitig gelöst werden?

6. Schöpfen Sie das Potenzial Ihrer Mitarbeiter, Prozesse und Technologien aus

Schaffen Sie einen klaren Rahmen für interne steuerliche Kontrollverfahren, den Umgang mit Streitfragen, die Digitalisierung der Steuerverwaltung und die Kommunikation. Falls es Steuerthemen gibt, die nicht direkt von der Steuerfunktion bearbeitet werden, sorgen Sie für eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen der Steuerfunktion und den betreffenden Unternehmensbereichen.

Stellen Sie sicher, dass Ihre Steuerfunktion über klare Prozesse für Steuerprüfungen verfügt. Darüber hinaus sollte sie mit der erforderlichen Technologie und geeigneten Softwaretools ausgestattet sein, um die Einhaltung der globalen Steuer- und Meldepflichten Ihres Unternehmens zu kontrollieren und gegebenenfalls zügig auf Datenanfragen der Steuerbehörde (insbesondere auf neue digitale Datenanforderungen) reagieren zu können.

Stellen Sie sicher, dass Ihre Dokumentationsprozesse BEPS-konform sind und dem im jeweiligen Land gültigen Steuerrecht entsprechen. Stellen Sie dem CEO und dem Vorstand sowie gegebenenfalls weiteren Unternehmensbereichen regelmäßige Briefings und Management Dashboards zur Verfügung, um sie über die steuerlichen Risiken und Streitigkeiten des Unternehmens zu informieren.

Die Zukunft von Steuerberichterstattung und Transparenz

Nachdem sich die zunehmenden Forderungen nach steuerlicher Transparenz als wichtiger Risikotreiber entpuppt haben, vollzieht sich im Umgang mit Steuern ein grundlegender Wandel. Wir hatten eingangs die Einhaltung der Steuerpflichten mit einem Prisma verglichen, durch das diese zusätzliche Transparenz – oder das Sonnenlicht, um bei Justice Brandeis' Metapher zu bleiben – betrachtet wird. Je nach dem Winkel, aus dem Unternehmen ihren Blick auf das Prisma richten, wird das Licht abgelenkt und gebrochen sowie die optische Dichte verschoben. Mit dieser Reihe möchten wir Stakeholdern dabei helfen, den Regenbogen in seiner vollen Pracht wahrzunehmen.

  • Umfragemethodik

    Für unsere Tax Risk and Controversy Survey aus dem Jahr 2017 haben wir Angaben von Steuerzahlern zusammengetragen und ausgewertet, in denen sie ihre praktischen Erfahrungen in einer Vielzahl von Bereichen des gesamten Steuerlebenszyklus von Planung und Vorschriften bis zu Compliance und Berichtswesen beschreiben. Unsere Umfrage umfasste 901 Steuer- und Finanzverantwortliche in 69 Rechtsordnungen aus über 17 Branchen.

Fazit

Durch BEPS und den digitalen Wandel ausgelöste, rasante Veränderungen der Steuergesetze und ihrer Durchsetzung verändern die Landschaft der Steuerrisiken.

Über diesen Artikel

Von Rob Hanson

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Frequent lecturer on legislative and regulatory tax policy issues.