5 Minuten Lesezeit 30 Oktober 2019
Schiff auf offenem Ozean

Welche unternehmensinternen Maßnahmen den Abschwung abfedern können

Von Tax & Law Magazine

Das Kundenmagazin von EY Deutschland zu aktuellen Steuer- und Rechtsthemen.

5 Minuten Lesezeit 30 Oktober 2019

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Unternehmen sollten bei Konjunkturabschwächung ihre Verrechnungspreise proaktiv steuern, um sich geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. 

Der Brexit und globale Handelskonflikte drücken auf die Weltkonjunktur. Sinkende Absatzmöglichkeiten erhöhen die Risiken für Unternehmen. Gleichzeitig stellt die fortschreitende Digitalisierung gewohnte Geschäftsmodelle infrage und bedingt Änderungen in der Wertschöpfungskette. Es drohen Umsatzeinbußen, Kostendruck, sinkende Kapazitätsauslastung, Forderungsausfälle und Liquiditätsengpässe. Dies hat auch Konsequenzen für die Verrechnungspreisgestaltung international tätiger Konzerne. Denn die von verbundenen Unternehmen getragenen Risiken sind maßgeblich für die Bestimmung von Verrechnungspreisen für konzerninterne Geschäftsbeziehungen. Eine krisenbedingte Verschiebung oder Neubewertung von Risiken innerhalb der Wertschöpfungskette sollten Unternehmen daher dazu nutzen, ihre operativen Ergebnisse kurzfristig abzusichern und die Verrechnungspreise im Sinne einer nachhaltigen Ergebnissteuerung neu zu justieren. 

Erwirtschaftet ein Konzern insgesamt keinen Profit mehr oder erzielen einzelne Konzerngesellschaften sehr volatile Gewinnmargen oder sogar Verluste, können kurzfristige Maßnahmen im bestehenden Verrechnungspreissystem dazu beitragen, die Ergebnissituation im Konzern zu optimieren und effizient zu steuern.

Kurzfristige Maßnahmen

Grundsätzlich sollten Unternehmen regelmäßig ihre Verrechnungspreise überprüfen und bei Bedarf an sich ändernde Rahmenbedingungen anpassen. Diese Anforderung rückt in volatilen Zeiten noch stärker in den Fokus. Erwirtschaftet ein Konzern insgesamt keinen Profit mehr oder erzielen einzelne Konzerngesellschaften sehr volatile Gewinnmargen oder sogar Verluste, können kurzfristige Maßnahmen im bestehenden Verrechnungspreissystem dazu beitragen, die Ergebnissituation im Konzern zu optimieren und effizient zu steuern:

  • Die Verrechnungspreise basieren auf fremdüblichen Daten (bspw. Gewinnmargen fremder dritter Unternehmen aus Datenbankstudien), die Ergebnissituationen in Zeiten einer stabilen Konjunktur reflektieren. Bei einer aufkommenden Rezession sollten daher im Rahmen der Verrechnungspreisgestaltung Gewinnaufschläge, Rabattsätze und Zielmargen überprüft und bei Bedarf an sich ändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen angepasst werden.
  • Gleiches gilt bei Lizenzzahlungen zwischen Konzerngesellschaften. In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs ist der Nutzen der zugrunde liegenden immateriellen Wirtschaftsgüter für den Lizenznehmer zu prüfen. Ist dieser nicht mehr vollumfänglich gegeben, sind die Lizenzzahlungen ggf. anzupassen oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar auszusetzen.
  • In wirtschaftlich schwierigen Zeiten rücken konzerninterne Dienstleistungen noch stärker in den Fokus, da sich deren Umfang, Charakter und Wertschöpfungsbeitrag ggf. ändern. Dies gilt beispielsweise, wenn die Konzernobergesellschaft verstärkt Leistungen erbringt, die die Auswirkungen des Abschwungs für den Konzern oder für einzelne Konzerngesellschaften mildern sollen, z. B. Kostensenkungsprogramme oder Kampagnen zur Absatzförderung. Derartige Änderungen bei zentral erbrachten Leistungen erfordern eine Neubewertung, insbesondere im Hinblick auf den Anteil der verrechenbaren Elemente und deren Abgrenzung zum sogenannten Gesellschafteraufwand.
  • Daneben bieten sich in einer Rezession unter bestimmten Voraussetzungen auch punktuelle Verrechnungspreisanpassungen und Einmalzahlungen an. Dadurch können Sondereffekte wie bspw. Forderungsausfälle, Preisnachlässe und Währungseffekte bei einzelnen Konzerngesellschaften ausgeglichen werden. Die Konsistenz derartiger Maßnahmen mit dem Verrechnungspreissystem und die Akzeptanz durch lokale Finanzbehörden sollten jedoch vorab geprüft werden, um negative Auswirkungen auf das bestehende Verrechnungspreissystem zu vermeiden.

Liquiditätsmanagement

Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann es im Konzern zu Liquiditätsengpässen kommen, etwa durch spätere Zahlungen der Kunden, Forderungsausfälle oder einen erhöhten Kapitalbedarf. Die Konzernobergesellschaft steht dabei vor der Herausforderung, die verfügbaren, knapperen finanziellen Mittel im Konzern so zu verteilen, dass die Konzerngesellschaften bedarfsgerecht versorgt werden.

Ad hoc ist beispielsweise die Vergabe konzerninterner Darlehen oder Bürgschaften denkbar. Auch kommt die Implementierung eines Cash Pools in Betracht, der eine entsprechende Liquiditätssteuerung ermöglicht. Dabei empfiehlt es sich, die Finanzausstattung der Konzerngesellschaften an den (zukünftigen) Kapitalbedarf anzupassen und die Liquidität im Konzern unter Berücksichtigung steuerlicher Einflussfaktoren zu planen. Insbesondere im derzeitigen volatilen Verrechnungspreisumfeld in Bezug auf Finanztransaktionen ergibt sich ein gewisser Gestaltungsspielraum, der im Rahmen der krisenbedingten Liquiditätsplanung für eine Reduzierung der Steuerlast im Konzern genutzt werden kann. 

Da sich in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs regelmäßig auch die entsprechenden Parameter ändern, die Einfluss auf die Vergütung konzerninterner Finanztransaktionen haben, führen Überprüfungen insbesondere in volatilen Zeiten oftmals zu effizienteren Ergebnissen.

Darüber hinaus bietet es sich an, die im Rahmen konzerninterner Finanztransaktionen zur Anwendung kommenden Zinssätze und Bürgschaftsprovisionen zu überprüfen. Da sich in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs regelmäßig auch die entsprechenden Parameter ändern, die Einfluss auf die Vergütung konzerninterner Finanztransaktionen haben (Bonität von Konzerngesellschaften, Referenzzinssätze etc.), führen Überprüfungen insbesondere in volatilen Zeiten oftmals zu effizienteren Ergebnissen.

Änderungen in der Wertschöpfungskette

Die Digitalisierung und der technologische Wandel, aber auch die aktuellen konjunkturellen Rahmenbedingungen bedingen Änderungen in der Geschäftsstrategie und der Wertschöpfungskette von Konzernen. Neben den Auswirkungen auf das bestehende Verrechnungspreissystem bieten sich Chancen, erforderliche Änderungen im Verrechnungspreissystem proaktiv unter Berücksichtigung steuerlicher Effekte umzusetzen. Denkbar sind etwa die Verlagerung von Funktionen oder die Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter zu einem steuerlich günstigen Zeitpunkt, um Bewertungsvorteile durch negative Ertragsaussichten oder bestehende steuerliche Verlustvorträge zu nutzen. 

Es bietet sich für Unternehmen an, im aktuellen Umfeld zu prüfen, ob die aufkommende Rezession ggf. einen günstigen Zeitpunkt bietet, das bestehende Verrechnungspreissystem an das sich ändernde Geschäftsmodell und die damit verbundenen Änderungen in der konzerninternen Wertschöpfungskette vorausschauend und nachhaltig anzupassen.

Zudem kommen Re-Allokationen von Risiken in der konzerninternen Wertschöpfungskette in Betracht. In Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Geschäftsmodell können diese lokalisiert oder zentralisiert werden, z. B. durch die Übertragung von Forderungen an eine zentrale Konzerngesellschaft oder die Vergabe von Auslastungsgarantien an konzerninterne Produktionsunternehmen. Derartige Maßnahmen bedingen auch entsprechende Anpassungen im Verrechnungspreissystem. Entsprechend bietet es sich für Unternehmen an, im aktuellen Umfeld zu prüfen, ob die aufkommende Rezession ggf. einen günstigen Zeitpunkt bietet, das bestehende Verrechnungspreissystem an das sich ändernde Geschäftsmodell und die damit verbundenen Änderungen in der konzerninternen Wertschöpfungskette vorausschauend und nachhaltig anzupassen.

Risikomanagement

Zur Minimierung etwaiger steuerlicher Risiken, die sich bei krisenbedingten Eingriffen in das bestehende Verrechnungspreissystem ergeben können, empfiehlt sich ein vorausschauendes Verrechnungspreisrisikomanagement. Dies beinhaltet insbesondere eine ausreichende Vorsorge für eine spätere Betriebsprüfung im In- und Ausland, um die umgesetzten Maßnahmen vor den deutschen und auch ausländischen Finanzbehörden zu verteidigen. 

Die Dokumentationsansätze sollten konsistent und global abgestimmt sein, da sich Finanzbehörden international immer stärker vernetzen und grenzüberschreitende Sachverhalte vermehrt gemeinsam prüfen.

Die zeitnahe Erstellung lokaler Verrechnungspreisdokumentationen, in denen die Maßnahmen erläutert und auf der Basis geltender Verrechnungspreisgrundsätze fundiert begründet werden, ist dabei eine wichtige Grundlage. Die Dokumentationsansätze sollten konsistent und global abgestimmt sein, da sich Finanzbehörden international immer stärker vernetzen und grenzüberschreitende Sachverhalte vermehrt gemeinsam prüfen. Auch bietet sich die gezielte Erstellung sogenannter Defense Files an, um Sonderfälle wie beispielsweise Verlustsituationen, punktuelle Verrechnungspreisanpassungen und Systemumstellungen zu verteidigen. Bei umfangreichen Umstellungen im Verrechnungspreissystem kann dieses samt Änderungen ggf. durch ein Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreement) abgesichert werden.

Autoren: Marc Steinmüller, Dr. Gilad Tirosh

Fazit

Die konzerninternen Verrechnungspreise bieten Unternehmen eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Herausforderungen der aktuellen konjunkturellen Entwicklung entgegenzutreten und eine nachhaltige Ergebnissteuerung im Konzern unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte zu erreichen. Eine frühzeitige Analyse des aktuellen Verrechnungspreisumfelds hilft Unternehmen, potenzielle Handlungsfelder und Optimierungsmöglichkeiten zu identifizieren und daraus zielgerichtete Maßnahmen abzuleiten.

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