Frau am Flughafen

Garden Leave: Entwurf des BMF zur Besteuerung in der Freistellungsphase

Wenn ein Arbeitsverhältnis beendet wird, stellen Arbeitgeber häufig die betreffenden Beschäftigten für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von ihrer Tätigkeit frei. Nach der früheren deutschen Sichtweise konnte regelmäßig nur der Ansässigkeitsstaat des bzw. der Arbeitnehmenden den für diesen Zeitraum bezahlten Arbeitslohn besteuern – sofern tatsächlich keine Tätigkeit ausgeübt wurde (BMF-Schreiben vom 12.12.2023, Rn. 361 und 362). Diese Auslegung der DBA ist international unüblich und führte zu Diskrepanzen bei der Besteuerung. Inzwischen hat der deutsche Gesetzgeber Abhilfe geschaffen. Die Finanzverwaltung will nun die neue Gesetzeslage berücksichtigen und Zweifelsfragen klären. 

Anpassung an die OECD-Meinung: Einführung von § 50d Abs. 15 EStG

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wurde § 50d Abs. 15 EStG eingeführt und das deutsche Rechtsverständnis an den Kommentar zu Art. 15 OECD-Musterabkommen (OECD-MA) angepasst. Danach gilt für die Zuweisung des Besteuerungsrechts Arbeitslohn für Zeiten der (widerruflichen oder unwiderruflichen) Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Vergütung für die Ausübung einer Tätigkeit in dem Staat, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre. 

Ausdrückliche Regelungen in einem DBA für diese Einkünfte aus unselbständiger Arbeit sind vorrangig zu beachten (§ 50d Abs. 15 Satz 2 EStG). Ebenfalls unberührt bleiben § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG und Rechtsverordnungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 AO, die eine Einmalbesteuerung sicherstellen, wenn der andere Staat einem anderen Abkommensverständnis folgt.

Außerdem wurde § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe f EStG eingefügt, der sicherstellt, dass § 50d Abs. 15 EStG auch bei beschränkter Steuerpflicht greift. Danach unterliegt Arbeitslohn für Zeiten der widerruflichen oder unwiderruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der beschränkten Steuerpflicht, soweit während dieser Zeiten die Arbeit ohne die Freistellung im Inland ausgeübt worden wäre.

Geplante Berücksichtigung im BMF-Schreiben vom 12.12.2023

In seinem Entwurf erläutert das BMF, dass der Ort, an dem die Tätigkeit während der Arbeitsfreistellung ausgeübt worden wäre, anhand aller Fakten und Umstände des Einzelfalls zu ermitteln ist (Rn. 351a). Wie die Finanzverwaltung plant, hier tatsächlich vorzugehen, muss sich noch zeigen. 

Geschäftsmann zeigt seinen Reisepass und seine Flugdaten

Nach Auffassung der OECD wird in den meisten Fällen der Ort maßgeblich sein, an dem der Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für eine wesentliche Dauer tatsächlich tätig war (OECD-MK, C(15), Tz. 2.6)


§ 50d Abs. 15 EStG und die 183-Tage-Regelung

Das BMF stellt klar, dass § 50d Abs. 15 EStG die Ermittlung der Aufenthaltstage nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA (183-Tage-Regelung) nicht berührt. Maßgeblich sind weiterhin die tatsächlichen Aufenthaltstage. Diese Auslegung stimmt unseres Erachtens mit der Sichtweise der OECD überein. Denn der Musterkommentar erwähnt die Arbeitstage-Fiktion nur im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 OECD-MA. 

Die praktische Auswirkung illustriert Beispiel 1: Ein Auslandseinsatz bei einem ausländischen Kunden des Arbeitgebers, der ursprünglich sieben Monate dauern sollte, wird nach fünf Monaten abgebrochen, weil das Arbeitsverhältnis beendet und der Mitarbeiter freigestellt wird (Rn. 351e). Obwohl der Arbeitslohn als für die Tätigkeit im Ausland gezahlt gilt, steht Deutschland auch das Besteuerungsrecht für die gesamte Vergütung zu – und somit auch für den Zeitraum der Freistellung. Denn da sich der Arbeitnehmer tatsächlich weniger als 183 Tage im anderen Staat aufgehalten hat, sind die Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 2 OECD-MA erfüllt.

Zusammenspiel mit zeitraumbezogenen Vergütungen

Das Besteuerungsrecht für zeitraumbezogene Vergütungen wie Abfindungen, Mitarbeiteraktienoptionen oder Jubiläumszuwendungen wird grundsätzlich anhand des gesamten Erdienungszeitraums zugeordnet. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind Phasen der unwiderruflichen Arbeitsfreistellung hier nicht einzubeziehen, da während dieser Zeit keine Tätigkeit ausgeübt wird (Rn. 351c).

Ab wann gelten die neuen Regelungen?

Die derzeitige Rn. 362, wonach der Ansässigkeitsstaat den Arbeitslohn für den Zeitraum einer unwiderruflichen Freistellung besteuern darf, ist aufgrund von § 50d Abs. 15 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2024 überholt. Die neuen Ausführungen zur Besteuerung während der (widerruflichen oder unwiderruflichen) Freistellung sollen daher ab dem 01.01.2024 anzuwenden sein. 

Darüber hinaus kann die neue Fassung des Schreibens auf Antrag in allen offenen Fällen zugrunde gelegt werden, wenn dies mit den gesetzlichen Regelungen vereinbar ist. Davon dürfte hier unseres Erachtens auszugehen sein, denn die neue Regelung steht in keinem Widerspruch zur Gesetzeslage vor dem 01.01.2024. § 50d Abs. 15 EStG gibt lediglich eine schon zuvor mögliche Auslegung von DBA-Regelungen vor.

Handlungsempfehlung 

Arbeitgeber sollten bereits jetzt überprüfen, ob ihre bisherige Vorgehensweise mit der aktuellen Verwaltungsmeinung übereinstimmt. Das gilt insbesondere für die Ermittlung der 183-Tage-Grenze und die Bestimmung des Erdienungszeitraums bei zeitraumbezogenen Vergütungen, die nicht den laufenden Arbeitslohn für die Freistellungsphase betreffen.

Autor:innen: Ursula Beste, Aline Raffner, Thore Schmitz


Besteuerung des
Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen –
Änderung des Schreibens vom 12.12.2023

Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung zur Besteuerung international tätiger Beschäftigter verschärft. Unternehmen sollten sich auf bevorstehende Änderungen vorbereiten und klären, wie sie betroffen sind. Wir bieten Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Regelungen.

Asiatische Geschäftsfrau prüft mit Pass und Bordkarte ihren Flugplan am Abflug- und Ankunftsbildschirm im Flughafenterminal.