Ein Balanceakt zwischen Fairness, Strategie und verschiedenen Unternehmenskulturen
In einer globalisierten und regulierten Arbeitswelt gewinnt die Harmonisierung von Vergütungssystemen an strategischer Bedeutung. Sie betrifft nicht nur HR, sondern beeinflusst die Unternehmenskultur, Mitarbeitermotivation und Wettbewerbsfähigkeit. Ob bei internationalen Zusammenschlüssen, Marktexpansionen oder durch gesetzliche Vorgaben – einheitliche Gehaltsstrukturen sind ein Steuerungsinstrument mit Wirkung auf das gesamte Unternehmen.
Mergers & Acquisitions und Vergütungsstruktur
Besonders bei Mergers & Acquisitions zeigt sich der Handlungsdruck. Unterschiedliche Vergütungsmodelle führen zu Ungleichbehandlung bei vergleichbaren Aufgaben – mit Folgen für Fairness, Motivation und Bindung. Hinzu kommen gesetzliche Anforderungen wie die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz. Unternehmen müssen geschlechtsbezogene Gehaltsunterschiede offenlegen und beseitigen. Wer frühzeitig handelt, minimiert Risiken und stärkt Vertrauen.
Von der Analyse zur Umsetzung
Analyse
Am Anfang steht die Analyse der bestehenden Vergütungssysteme. Dabei geht es nicht nur um die Erfassung der Ausgestaltung einzelner Vergütungsinstrumente, sondern insbesondere auch um deren Höhe: Welche Grundgehälter und Boni werden gezahlt? Wie hoch sind die Zuteilungswerte aktienbasierter Vergütungen? Wie hoch ist der Aufwand für Altersvorsorgeleistungen?
Vision und Werte des neuen Unternehmens als Leitlinie
Auf die Analysephase folgt die Entwicklung einer gemeinsamen Vergütungsphilosophie, die die Vision und die Werte des neuen Unternehmens widerspiegeln und als Leitlinie für die Gestaltung der Vergütungsstrukturen dienen sollte. Eine solche Philosophie muss klar, konsistent und kommunizierbar sein und Aussagen darüber treffen, wie die Vergütungsniveaus und -strukturen im Markt positioniert werden sollen, wie die Leistungsorientierung der Vergütung sichergestellt wird („Pay for Performance“) und welche Vergütungsinstrumente eingesetzt werden.
Harmonisierung der Grundgehälter als Basis
Die Harmonisierung der Grundgehälter ist ein wichtiger Schritt, der eine vergleichbare, faire und marktgerechte Vergütung für alle Mitarbeitenden sicherstellt. Dafür ist ein präzises Verständnis des Marktes erforderlich. Gehaltsbänder müssen gegebenenfalls neu definiert werden, um die interne Fairness zu wahren und gleichzeitig die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber zu erhalten.
Leistungsindikatoren und variable Vergütung
Die variable Vergütung ist ein Bereich, der besondere Aufmerksamkeit erfordert. Sowohl die Bemessungsgrundlagen als auch die historischen Zielerreichungen müssen geprüft werden. Denn das harmonisierte System muss sowohl die künftig relevanten Leistungsindikatoren enthalten (in der Regel kann nur ein Teil der bisherigen Indikatoren weiterverwendet werden) als auch die Intensität der Anreize für die Teilnehmenden angemessen kalibrieren.
Schließlich muss auch die Vergütungsstruktur selbst harmonisiert werden – notwendige Änderungen im Verhältnis von fixer zu variabler Vergütung müssen unterschiedliche Risikoprofile der Systeme berücksichtigen und entsprechend risikoadjustiert erfolgen.
Einbeziehung der Arbeitnehmervertretungen
Der rechtliche Rahmen, insbesondere in Deutschland, erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen, da die Vergütung der Mitbestimmung unterliegt. An der Zustimmung der Arbeitnehmervertretung führt kein Weg vorbei.
Fallbeispiel: Harmonisierung nach einer internationalen Übernahme
Leistungsorientiertes Vergütungssystem trifft auf kollektiv geprägtes Modell
Ein mittelständisches deutsches Unternehmen übernahm einen skandinavischen Wettbewerber. Während in Deutschland ein leistungsorientiertes Vergütungssystem mit variablen Boni etabliert war, setzte das skandinavische Unternehmen auf ein stark kollektiv geprägtes Modell mit festen Gehältern und flachen Hierarchien.
Nach der Übernahme wurde schnell klar: Die Unterschiede in der Vergütung führten zu Spannungen. Deutsche Mitarbeitende fühlten sich benachteiligt, da ihre Boni an die individuelle Zielerreichung gekoppelt waren, während ihre neuen Kolleginnen und Kollegen aus Skandinavien unabhängig von der Leistung ein ähnlich hohes Einkommen erzielten. Um der wachsenden Unzufriedenheit der deutschen Belegschaft entgegenzuwirken, entschied sich das Unternehmen für eine umfassende Vergütungsharmonisierung.
Der Weg zu einem hybriden Vergütungsmodell
In einem mehrstufigen Prozess wurden zunächst alle Rollenprofile vereinheitlicht und mit externen Benchmarks abgeglichen. Anschließend entwickelte das HR-Team ein hybrides Vergütungsmodell, das sowohl leistungsbezogene Elemente als auch kollektive Komponenten berücksichtigte. Die Einführung wurde von intensiver Kommunikation begleitet – inklusive Workshops, Q&A-Sessions und individueller Beratung.
Trotz der sorgfältigen Planung zeigte sich, dass die Harmonisierung nicht ohne Reibungsverluste verlief. Einige Mitarbeitende empfanden die neuen Regelungen als Rückschritt, andere als Verbesserung. Erst nach mehreren Jahren und durch kontinuierliches Monitoring konnte ein Gleichgewicht erreicht werden, das sowohl leistungsbezogene als auch kollektive Anreize berücksichtigte und von den Mitarbeitenden als gerecht empfunden wurde.