Anwendungsfragen zur Abgeltungsteuer

Das BMF aktualisiert sein umfangreiches Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer. Dabei berücksichtigt das BMF insbesondere neue Entwicklungen in Gesetzgebung (Entfall bestimmter besonderer Verlustverrechnungskreise) und Rechtsprechung (etwa zur Option zum Teileinkünfteverfahren). Die in einigen Teilen nun neue Sicht der Finanzverwaltung hat sowohl Bedeutung für den u.a. von Banken vorzunehmenden Kapitalertragsteuerabzug als auch Auswirkungen für die Anleger.

Mit Schreiben vom 14.05.2025 fasst das BMF sein umfangreichen Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer neu. Dabei arbeitet das BMF u.a. kürzlich erfolgte Gesetzesänderungen ein. Mit dem JStG 2024 hob der Gesetzgeber rückwirkend die besonderen Verlustverrechnungsbeschränkungen für Termingeschäfte und Forderungsausfälle (§ 20 Abs. 6 S. 5 und 6 EStG aF) auf. Damit griff der Gesetzgeber einer Entscheidung des BVerfG vor (vgl. EY-Steuernachricht vom 27.06.2024, der BFH hielt beide Normen für verfassungswidrig). Durch den Wegfall sind zahlreiche Regelungen aus dem ursprünglichen Schreiben hinfällig geworden und wurden daher gestrichen. Für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs gilt in diesem Zusammenhang noch bis zum 31.12.2025 eine Nichtbeanstandungsregelung (vgl. Rn. 325 des BMF-Schreibens). Demnach haben betroffene Banken noch bis zum 01.01.2026 Zeit, die neuen Verlustverrechnungsregeln umzusetzen. Sofern dem Anleger dadurch auf Bankebene noch nicht verrechnete Verluste entstehen, sind diese über die Veranlagung geltend zu machen.

Weiterhin folgt die Verwaltung nunmehr der BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteile v. 22.05.2024, VIII R 3/22, sowie v. 7.11.2023, VIII R 7/21 und VIII R 16/22), dass gezahlter Nutzungsersatz aus der Rückabwicklung von Darlehen keinen steuerbaren Kapitalertrag darstellt, und hat ihre bisherige Auffassung aus dem BMF-Schreiben gestrichen (alte Rn. 8b, 8c).

Mit einer neuen Rn. 117a fügte das BMF Ausführungen zur Zurechnung von Kapitaleinkünften in Nießbrauchsfällen ein. Danach sind Einkünfte aus Kapitalvermögen (i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG) im Falle einer Nießbrauchstellung laut BMF dem wirtschaftlichen Eigentümer der Anteile zuzurechnen (Ermittlung nach den allgemeinen Grundsätzen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Das BMF verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung zu nießbrauchbelasteten GmbH-Geschäftsanteilen (BFH-Urteile v. 14.02.2022, VIII R 29/18 und VIII R 30/18, vgl. EY-Steuernachricht vom 11.07.2022). Dabei unterscheidet das BMF grundsätzlich nicht danach, ob es sich um Vorbehaltsnießbrauch, Zuwendungsnießbrauch oder um eine andere Form des Nießbrauchs handelt. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei wirtschaftlicher Eigentümer, wer Risiko und Chancen (von Wertminderungen bzw. -steigerungen) trägt und die wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) innehat (vgl. Rn. 117a neu).

Hinsichtlich der Optionsausübung für das Teileinkünfteverfahren arbeitet das BMF kürzlich ergangene BFH-Rechtsprechung ein (statt 25 Prozent Abgeltungsteuer ohne Werbungskostenabzug Option zur Anwendung des individuellen Steuersatzes, wobei 40 Prozent steuerfrei und der Werbungskostenabzug auf 60 Prozent der Aufwendungen begrenzt sind). Die Option ist möglich bei einer im Privatvermögen gehaltenen Kapitalbeteiligung von mindestens 25 Prozent oder in Höhe von 1 Prozent bei gleichzeitiger maßgeblicher Einflussnahme durch eine berufliche Tätigkeit (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG). Die geänderte Rn. 139 des BMF-Schreibens führt nun aus, dass die ausgeübte Option für weitere vier Veranlagungszeiträume gültig bleibt, nachdem die beruflichen Voraussetzungen weggefallen sind, die Beteiligung selbst veräußert wurde oder die erforderliche Beteiligungshöhe unterschritten wurde. Damit folgt das BMF dem BFH (vgl. EY-Steuernachricht vom 19.09.2024).

Ferner wurden die Rn. 251a bis 251d bezüglich der Erhebung der Kapitalertragsteuer bei Sachwertleistung i. S. v. § 44 Abs. 1 S. 7 bis 11 EStG systematisch umgestellt und geändert. So dürfen Banken künftig für die Kapitalertragsteuer-Erhebung auch Fehlbeträge von Referenzkonten des Kunden einziehen, für die eine Zugriffsberechtigung im Konzernverbund hinterlegt ist. In den übrigen Fällen sind die Banken verpflichtet, die Fehlbeträge beim Kunden einfordern.

Daneben erfolgte mit BMF-Schreiben vom 16.05.2025 ebenfalls eine Neufassung des BMF-Schreibens zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2 und 3 EStG unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich veröffentlichen Änderungsschreiben. Mit der Neufassung erfolgen nun auch hier insbesondere Änderungen in den Mustern aufgrund des o.g. Wegfalls der beiden besonderen Verlustverrechnungskreise. Für Kapitalerträge, die vor dem 01.01.2026 zufließen, sind die Bescheinigungen noch entsprechend den Mustern des BMF-Schreibens vom 23.05.2022 zu erteilen und es wird nicht beanstandet, wenn in diesem Zusammenhang die bisherigen Ausführungen zu den weggefallenen Verlustverrechnungskreisen angewendet werden (vgl. Rn. 71 des BMF-Schreibens). Des Weiteren berücksichtigen die Muster bereits die infolge des elektronischen Mitteilungsverfahrens für Kapitalertragsteuer auf Dividenden und gleichgestellte Kapitalerträge ab dem 01.01.2027 notwendigen Änderungen.

Die Volltexte der Schreiben stehen Ihnen auf der Internetseite des BMF zur Verfügung.

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