Der BFH hat sich mit einem zweiten AdV-Beschluss zu einer weiteren Facette der Signing und Closing Thematik in der Grunderwerbsteuer geäußert. In dem Fall, der die Besteuerung eines zu spät angezeigten „Closing“ betraf, sah der BFH im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der doppelten Grunderwerbsteuer-Festsetzung.
Im Streitfall wurden sämtliche Anteile an einer Gesellschaft im Rahmen eines Geschäftsanteilskauf- und abtretungsvertrag (sog. Signing) veräußert. Die Abtretung der Anteile erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung (sog. Closing). Zuvor hatte die Gesellschaft ein inländisches Grundstück mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag erworben. Daraufhin setzte das Finanzamt zweimal Grunderwerbsteuer fest: einmal wegen der Anteilsübertragung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) und einmal aufgrund des Wechsels im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Die tatsächliche Änderung des Gesellschafterbestands erfolgte mit dem Closing. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der Gesellschaft bereits ein inländisches Grundstück, sodass die Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt waren. Gegen die Festsetzung gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG legte die Gesellschaft Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Finanzamt lehnte den Aussetzungsantrag ab.
Dem folgte der BFH (AdV-Beschluss v. 16.09.2025, II B 23/25). Der BFH sah keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nach § 1 Abs. 2b GrEStG festgesetzten Grunderwerbsteuer. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2b GrEStG waren nach Auffassung des BFH erfüllt, da die vollständige und unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands erst mit dem Closing, also der tatsächlichen Übertragung aller Anteile nach vollständiger Kaufpreiszahlung, eingetreten ist. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der Gesellschaft bereits ein inländisches Grundstück, da sie zuvor einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG durch einen Grundstückskaufvertrag verwirklicht hatte. Entscheidend für die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG ist die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks zum Zeitpunkt des Closings, also die tatsächliche Übertragung aller Anteile nach vollständiger Kaufpreiszahlung. Erst zu diesem Zeitpunkt lag eine unmittelbare und vollständige Änderung des Gesellschafterbestands vor.
Ernstliche Zweifel sah der BFH auch nicht aufgrund der Vorschrift des § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG. Danach ist auf Antrag die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder § 1 Abs. 3a GrEStG aufzuheben oder zu ändern, wenn die Anteile in Erfüllung eines Rechtsgeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG oder des § 1 Abs. 3a GrEStG übergehen und dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird. Für die Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG, die mit dem Closing, also der tatsächlichen Anteilsübertragung nach vollständiger Kaufpreiszahlung, ausgelöst wird, ist laut BFH eine Aufhebung oder Änderung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut jedoch nicht vorgesehen.
Dieses Ergebnis stehe auch nicht im Widerspruch zum BFH-Beschluss vom 09.07.2025 (II B 13/25, AdV), in dem der BFH die AdV aufgrund ernstlicher Zweifel gewährte. Dort bezogen sich die ernstlichen Zweifel des BFH an der Rechtmäßigkeit ausschließlich auf die Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bei zeitlichem Auseinanderfallen von Signing und Closing, nicht jedoch auf die Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG (vgl. dazu EY-Steuernachricht vom 31.07.2025).
Der Volltext des AdV-Beschlusses steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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