Ernstliche Zweifel an doppelter Grunderwerbsteuer-Festsetzung

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Der BFH hat mit einem aktuellen Beschluss die Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Grunderwerbsteuerbescheids gewährt und somit auf die doppelte Festsetzung der Grunderwerbsteuer bei zeitlichem Auseinanderfallen des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (Signing) und des dinglichen Verfügungsgeschäfts (Closing) reagiert. Dabei äußert der BFH ernstliche Zweifel an der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach das Vorrangverhältnis zwischen § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG nur bei zeitgleichem Signing und Closing anwendbar ist. 

Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung sind die Erwerbstatbestände des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG nur subsidiär anwendbar, d.h. nur, falls eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt (Vorrangverhältnis). Nach der Sichtweise der Finanzverwaltung greift das in § 1 Abs. 3 GrEStG normierte Vorrangverhältnis jedoch nur in den Fällen, in denen das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (Signing) und das dingliche Verfügungsgeschäft (Closing) zeitgleich stattfinden und somit die Erwerbsvorgänge im selben Zeitpunkt verwirklicht werden. Dagegen ist bei zeitlichem Auseinanderfallen von Signing und Closing laut Verwaltungsauffassung sowohl im Zeitpunkt des Signing als auch im Zeitpunkt des Closing Grunderwerbsteuer festzusetzen (doppelte Festsetzung; Gleich lautende Ländererlasse vom 10.05.2022, Tz. 8.1, BStBl I 2022, S. 801). Das Vorrangverhältnis wird in diesen Fällen laut Verwaltung durch die im Jahr 2022 neu eingeführte Norm des § 16 Abs. 4a, Abs. 5 GrEStG umgesetzt (Gleich lautende Ländererlasse vom 05.03.2024, BStBl. I 2024, S. 383, Tz. 29, 30). Danach wird für Fälle ab dem 21.12.2022 die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder Abs. 3a GrEStG aufgehoben bzw. geändert, allerdings nur, sofern beide Erwerbsvorgänge, das heißt sowohl § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG als auch § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG, fristgerecht und vollständig angezeigt werden. Es besteht somit ein doppeltes Anzeigeerfordernis, welches an eine zweiwöchige bzw. an eine einmonatige (bei ausländischen Steuerschuldnern) Frist nach Kenntnis des anzeigepflichtigen Vorgangs gekoppelt ist. 

Der BFH reagiert nun mit einem Beschluss vom 09.07.2025 (II B 13/25, AdV) auf die seit Einführung der Norm anhaltenden kritischen Stimmen hinsichtlich der zweimaligen Festsetzung von Grunderwerbsteuer. Er widerspricht der Vorinstanz und gewährt Aussetzung der Vollziehung (AdV). Zuvor hatte in ähnlichen Fällen – in Übereinstimmung mit der Vorinstanz – u.a. auch das FG Baden-Württemberg keine AdV gewährt (vgl. EY-Steuernachricht vom 17.07.2025). 

Im aktuellen Streitfall fielen der Übergang aller Anteile (Closing) an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft und der Abschluss des Kaufvertrags (Signing) zeitlich auseinander. Eine Signing-Anzeige erfolgte durch den Notar nach erfolgtem Übergang der Anteile; der Steuerschuldner zeigte dagegen das Closing nicht beim Finanzamt an. Trotz der Kenntnis des Finanzamts über den erfolgten Übergang der Anteile setzte es mangels Closing-Anzeige doppelt Grunderwerbsteuer fest. 

Der BFH hält es für ernsthaft zweifelhaft, dass sich die Verwaltungsauffassung mit dem Gesetzeswortlaut deckt. Eine zeitliche Beschränkung bzw. „zeitliche Konkurrenz“ der Besteuerung nach § 1 Abs. 2b und § 1 Abs. 3 GrEStG lässt sich laut BFH weder dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Zwar hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG Ausführungen zum zeitlichen Anwendungsvorrang des Vorrangverhältnisses in § 1 Abs. 3 GrEStG dahingehend gemacht, als dass dieses nicht bei zeitlichem Auseinanderfallen von Signing und Closing gelten soll. Dies kommt jedoch im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck.  Daher ist es für den BFH auch rechtlich zweifelhaft, ob und wenn ja in welchem Umfang die Norm des § 16 Abs. 4a, Abs. 5 GrEStG das in § 1 Abs. 3 GrEStG normierte Vorrangverhältnis einschränkt. 

Weitere rechtliche Zweifel leitet der BFH daraus ab, dass dem Finanzamt beim Erlass des angefochtenen Signing-Bescheids (unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO) bereits bekannt war, dass der Übergang der Anteile (Closing) bereits erfolgt war und somit eine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2b GrEStG bestand. 

Die doppelte Festsetzung könnte im konkreten Fall jedoch dahingehend gelöst werden, als nach Auffassung des BFH in Betracht kommt, die bereits erfolgte Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG, unabhängig von der Regelung des § 16 Abs. 4a, 5 GrEStG, auf Grundlage von § 164 Abs. 2 AO aufzuheben. Denn § 16 GrEStG stehe der Anwendung allgemeiner Korrekturvorschriften nicht entgegen. Der Anwendung der speziellen verfahrensrechtlichen Norm des § 16 Abs. 4a, Abs. 5 GrEStG bedurfte es daher im Streitfall nicht. Gleichwohl setzte das Finanzamt wissentlich zweimal Grunderwerbsteuer fest, was laut BFH dem Vorrangverhältnis widerspricht. 

Der Beschluss erging im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes. Es bleibt daher auch noch abzuwarten, ob der BFH in der Hauptsache entsprechend entscheiden wird. Betroffene Steuerpflichtige sollten die weiteren Entwicklungen im Blick behalten. 

Der Volltext des Beschlusses steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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