Während das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) voraussichtlich trotz des Bruchs der Regierungskoalition seinen Weg in das Bundesgesetzblatt finden wird, sind andere steuerpolitische Vorhaben der Koalition nunmehr mit einem Fragezeichen versehen.
Der Bruch der Koalition hat erhebliche Auswirkungen auf noch laufende oder kurzfristig geplante Steuergesetzgebungsverfahren. Denn mit der Neuwahl des 21. Bundestags fallen alle bis zu diesem Zeitpunkt vom Bundestag noch nicht beschlossenen Gesetze unter die sog. Diskontinuität des Bundestages. Die Gesetze müssten in den neuen Bundestag erneut eingebracht werden, bevor sie beschlossen werden könnten. Anders sieht es bei Gesetzen aus, die der Bundestag bereits beschlossen hat, und bei denen lediglich die Zustimmung des Bundesrates aussteht. Da die Länderkammer nicht an Legislaturperioden gebunden ist, steht eine Neuwahl des Bundestages dem Abschluss solcher Gesetzgebungsverfahrens nicht im Wege.
Die konkreten Auswirkungen des vorzeitigen Endes der Koalition auf einzelne Gesetzgebungsverfahren hängen auch davon an, wann genau die anstehenden Neuwahlen stattfinden und ob der (jetzige) Bundestag sich bis dahin noch ggf. mit wechselnden Mehrheiten auf einzelne Gesetze verständigen kann. Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Erklärung am Abend des 06.11.2024 angekündigt, den Versuch zu unternehmen, wichtige parlamentarische Gesetzgebungsverfahren noch bis Ende des Jahres abzuschließen. Im Einzelnen sind für die derzeit anhängigen bzw. geplanten Steuergesetze folgende Entwicklungen wahrscheinlich bzw. denkbar:
Das Jahressteuergesetz 2024 hat den Bundestag am 18.10.2024 passiert und steht am 22.11.2024 zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundesrates. Da sich dem Vernehmen nach eine Zustimmung des Bundesrates abzeichnet, wird das JStG 2024 mit hoher Wahrscheinlichkeit in der aktuellen Form (vgl. EY-Steuernachrichten v. 18.10.2024 und v. 31.10.2024) noch vor Jahresende im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Sollten die Länder wider Erwarten ein Vermittlungsverfahren erzwingen, wäre allerdings fraglich, ob dieses noch rechtzeitig abgeschlossen werden könnte. Als sicher gilt am 22.11.2024 zudem die Zustimmung des Bundesrats zu dem ebenfalls am 18.10.2024 vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024.
Unklar ist, wie es mit dem Gesetz zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht (vgl. EY-Steuernachricht v. 24.10.2024) weitergeht. Das Gesetz sollte am 07.11.2024 vom Bundestag beschlossen werden und ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Aufgrund des Bruchs der Koalition entfällt jedoch in dieser Woche der Gesetzesbeschluss. Sofern dieser in naher Zukunft nachgeholt wird, könnte das Gesetz bis Jahresende 2024 im Bundesgesetzblatt stehen.
Schwerer einzuschätzen ist auch die Lage beim Steuerfortentwicklungsgesetz (SteFeG). Auf das darin vorgesehene, umfangreiche Entlastungspaket (u.a. Ausgleich der kalten Progression für die Jahre 25 und 26, Verlängerung der degressiven AfA, Anreize für die E-Mobilität) sowie die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen konnte sich die Ampelkoalition entgegen dem Zeitplan Ende Oktober im Bundestag nicht einigen (vgl. EY-Steuernachricht v. 18.10.2024). Zudem galt als unklar, ob die Länder den im SteFeG geplanten Steuerausfällen und der Mitteilungspflicht zustimmen würden, auch wenn sie in ihrer Stellungnahme am 27.09.2024 auf die Formulierung einer scharfen Ablehnung verzichteten (vgl. EY-Steuernachricht v. 30.09.2024). Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz den im SteFeG geplanten Ausgleich der kalten Progression ausdrücklich in seiner Erklärung vom 06.11.2024 als noch zu beschließende Maßnahme genannt hat, dürfte es einen erneuten Einigungsversuch im Bundestag z.B. mit der Union geben. Denkbar wäre, das Gesetz um strittige Punkte zu bereinigen oder die kalte Progression herauszulösen, um so eine Mehrheit im Bundestag zu erreichen und ein Vermittlungsverfahren mit den Ländern zu vermeiden.
Bei allen geplanten Gesetzen, die sich in einem früheren Verfahrensstadium befinden, ist ein Abschluss vor den Neuwahlen fraglich. Dies betrifft:
- Für das Mindeststeuer-Anpassungsgesetz (vgl. EY-Steuernachricht v. 22.08.2024) sollte in dieser Woche der Referentenentwurf vorgelegt werden. Im Anschluss war der Kabinettsbeschluss über den Regierungsentwurf für den 18.12.2024 und der Verfahrensabschluss erst im 2. Quartal 2025 geplant. Der Kabinettsbeschluss und das parlamentarische Verfahren dürften sich daher in die Zeit nach der Neuwahl verschieben. Die Veröffentlichung eines Referentenentwurfs mit dem Ziel einer Verbändeanhörung wäre aber auch vor der Neuwahl denkbar.
- Das Zukunftsfinanzierungsgesetz 2 (vgl. EY-Steuernachricht v. 29.08.2024) sollte nach mehrmaligem Anlauf in dieser Woche vom Bundeskabinett auf den Weg geschickt werden, wurde am 06.11.2024 aber unter dem Eindruck der Koalitionskrise von der Kabinetts-Tagesordnung genommen. Das Gesetzgebungsverfahren dürfte vor der Neuwahl nicht weiterverfolgt werden.
- Das gleiche Schicksal ist für die geplanten Steueranreize für E-Fuels (vgl. EY-Steuernachricht v. 10.10.2024) zu erwarten.
- Grundsätzlich noch möglich scheint der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum Restruktutierungsfonds-Übertragungsgesetz (vgl. EY-Steuernachricht v. 04.07.2024), indem insbesondere die künftige Ermöglichung des Betriebsausgabenabzugs der Bankenabgabe vorgesehen ist. Offen wäre allerdings, ob selbst bei einer Einigung im Bundestag die Zustimmung der Länder im Bundesrat zu erreichen ist.