Der BFH hat sein mit Spannung erwartetes Urteil zu den Zusammenfassungsgrundsätzen gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG veröffentlicht. Das Urteil ist insbesondere für Kommunen und öffentliche Unternehmen bedeutsam, die über einen steuerlichen Querverbund Tätigkeiten mittels einer technisch-wirtschaftlichen Verflechtung zusammenfassen.
Eine Zusammenfassung soll nach Auffassung des BFH nur möglich sein, wenn die Voraussetzungen zwischen allen Betrieben gewerblicher Art (BgA) vorliegen und nicht nur gegenüber einem der bereits zusammengefassten BgA. Die Grundsätze der BgA Zusammenfassung finden auch bei öffentlichen Beteiligungsunternehmen im Rahmen der sog. Spartenrechnung Anwendung (§ 8 Abs. 9 KStG).
Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG können mehrere BgA zusammengefasst werden, wenn sie gleichartig sind (Nr. 1), zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (Nr. 2) oder BgA i.S.d. § 4 Abs. 3 KStG (u.a. Versorgungsbetriebe) vorliegen (Nr. 3). Für die Zwecke der Einkommensermittlung werden die zusammengefassten BgA dann als einheitlicher Betrieb angesehen mit der Möglichkeit der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus den einzelnen Tätigkeiten.
Streitig war im Verfahren V R 43/21, ob die technisch-wirtschaftliche Verflechtung nur zwischen dem Freibad-BgA und einem BgA des aus einem Blockheizkraftwerk-Betrieb und der Wasserversorgung bestehenden zusammengefassten Versorgungs-BgA oder zwischen dem Freibad-BgA und allen BgA des Versorgungs-BgA bestehen muss. Nachdem das BMF vom BFH zum Verfahrensbeitritt aufgefordert wurde (vgl. EY-Steuernachricht vom 07.03.2024) und am 29.08.2024 die mündliche Verhandlung stattgefunden hatte (vgl. EY-Steuernachricht vom 11.09.2024), hat der BFH nun das Urteil mit Datum der mündlichen Verhandlung veröffentlicht. Das BMF hatte keine eigenen Anträge gestellt.
Nach der Entscheidung des BFH können BgA mittels einer technisch-wirtschaftlichen Verflechtung nur noch dann zusammengefasst werden, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zwischen allen BgA vorliegen, die Bestandteil des derart zusammengefassten BgA werden sollen. Damit widerspricht der BFH dem BMF-Schreiben vom 12.11.2009 (Rz. 5). Das BMF sieht es für ausreichend an, wenn die Voraussetzungen nur zwischen dem neuen BgA und einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen (sog. Kettenzusammenfassung). Diese von der Finanzverwaltung vertretene Betrachtungsweise lasse der Gesetzeswortlaut laut BFH jedoch nicht zu. Ansonsten würden für die Zusammenfassung von zwei BgA strengere Voraussetzungen gelten als für die Zusammenfassung mehrerer BgA.
In seinem Urteil lässt der BFH mangels Entscheidungserheblichkeit weitere Fragen offen, die im Laufe des Verfahrens diskutiert wurden. So trifft der BFH im aktuellen Urteil keine Aussage dazu, ob eine organisatorische Verflechtung als Voraussetzung für die Zusammenfassung anzusehen ist. Auch bleibt die immer wieder aufkommende Frage, ob § 4 Abs. 6 KStG eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe darstellt, unbeantwortet (BFH-Urteil vom 29.08.2024, V R 43/21).
Für die Praxis wirft das Urteil erhebliche Folgefragen auf. Neben der Ablehnung einer Kettenzusammenfassung durch den BFH dürfte damit auch die im steuerlichen Querverbund häufig anzutreffende Nutzung der sog. „Mitschlepptheorie“ zur Diskussion stehen. Durch die Mitschlepptheorie können mehrere Bäder mit der Versorgungssparte zusammengefasst werden können, wenn nur eines der Bäder über eine technisch-wirtschaftliche Verflechtung zur Versorgungssparte verfügt. Auch stellt sich die Frage, wie mit diesem Urteil innerhalb der Spartenrechnung umzugehen ist. Hier ist zu befürchten, dass Tätigkeiten, die bislang in einer Sparte zusammengefasst wurden, wieder auf mehrere einzelne Sparten aufzuteilen sind. Dies hätte oftmals zur Folge, dass durch die Trennung von Sparten künftig steuerliche Mehrbelastungen im Stadtkonzern entstehen. Auch wäre zu überprüfen, ob evtl. vorhandene Verlustvorträge weiter nutzbar sind oder eingefroren werden.
Für die betroffenen Kommunen ist die Entscheidung somit insbesondere in Zeiten ohnehin klammer Kassen ein herber Rückschlag für die Finanzierung dauerdefizitärer öffentlicher Einrichtungen. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung – wie in zahlreichen anderen Fällen - mit einer Nichtanwendungsregelung reagiert oder unter einer neuen Regierung möglicherweise eine Gesetzgebungsänderung erfolgt.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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