Für eine intelligente Automatisierung, die den größten Langzeitnutzen mit dem geringsten Verbrauch begrenzter organisatorischer Ressourcen erreicht, sollten Führungskräfte drei entscheidende Schritte überdenken:
- Verknüpfen Sie die Automatisierungsstrategie mit Ihren Unternehmensprioritäten und Ihrer Agenda für die Transformation der Unternehmenskultur.
- Nehmen Sie Ihr Unternehmen unter die Lupe, um mögliche Automatisierungsprojekte zu priorisieren und den Mitarbeiter- sowie den Weiterbildungsbedarf zu ermitteln.
- Entscheiden Sie, was Sie aufbauen, zukaufen oder durch Kooperationen bewältigen wollen, um die entsprechenden Mitarbeiter und Technologien zu beschaffen.
Kapitel 1
Eine vernetzte Automatisierungsstrategie
Verknüpfen Sie die Automatisierungsstrategie mit Ihren Unternehmensprioritäten und Ihrer Agenda für die Transformation der Unternehmenskultur.
Wo sollten Führungskräfte angesichts der vielfältigen Handlungsoptionen beginnen? Wir sind der Überzeugung, dass die Herausforderungen bei der Planung, Einführung und Umsetzung von Automatisierungsinitiativen eine breite Zustimmung auf Führungsebene sowie eine koordinierte Strategie verlangen, weil die Auswirkungen unternehmensübergreifend sein werden und von einem begrenzten Mitarbeiterstab abhängen. Deshalb sind die Erfolgsaussichten von Führungskräften am höchsten, die ihre Automatisierungsaktivitäten mit weiter gefassten Geschäftsprioritäten verknüpfen.
Typischerweise hat die Automatisierung Auswirkungen in fünf Bereichen (siehe unten), und Führungskräfte müssen priorisieren, in welchem Bereich sie ihre Geschäftsziele am besten erreichen können. Ist es beispielsweise vorrangig, die Selbstkosten zu senken, kann das Automatisierungsziel sowohl „weniger Arbeitnehmer“ als auch „höhere Qualität“ lauten. Sollen aber F&E-Erkenntnisse schneller generiert werden, werden die Prioritäten eher „mehr Geschwindigkeit“ oder „neue Fähigkeiten“ sein.
Die fünf Kerneffekte der Automatisierung
- Weniger Arbeitnehmer. Automatisierung von Aufgaben für personalbezogene Einsparungen. Typischerweise CBs, NLP/NLG und RPA.
- Skalierte Fähigkeiten. Automatisierung von Aufgaben zur Erweiterung des Leistungsspektrums. Typischerweise CBs, NLP/NLG.
- Höhere Geschwindigkeit. Automatisierung von Aufgaben zur schnelleren Erledigung von Arbeit. Typischerweise IPA, ML, NLP/NLG, RPA.
- Höhere Qualität. Automatisierung von Aufgaben zur Steigerung der Qualität. Typischerweise IPA, ML und RPA.
- Neue Fähigkeiten. Entwicklung von Algorithmen für Aufgaben, die momentan kein Mitarbeiter bewältigt oder jemals bewältigen kann. Typischerweise DL, ML und IPA.
Auch wenn die Führungskräfte schon bereit für den Wandel sind, wird zusätzlich eine widerstandsfähige Unternehmenskultur benötigt, die den Umfang und die Geschwindigkeit des Wandels aufrechterhält, denn letztendlich setzten die Mitarbeiter die Strategie um. Ohne eine Unternehmenskultur, die offen für neue Technologien ist, welche alle alltäglichen Rollen und Aufgaben verändern, wird der Erfolg begrenzt sein. In unserer Arbeit mit Mandanten hat sich ein umfassender, menschenzentrierter und sozial engagierter Unternehmenszweck als wirkungsvolle Möglichkeit herauskristallisiert, eine solche widerstandsfähige Unternehmenskultur aufzubauen – wir nennen dies einen Zweck mit großem Z. Laut eigener EY-Untersuchungen schöpften Unternehmen mit einem solchen Zweck wesentlich mehr Wert als weniger zweckorientierte Unternehmen. Ein Unternehmenszweck ist deswegen so wirkungsvoll, weil er den Fokus eines Mitarbeiters von seiner Einzelaufgabe zur Fragestellung verschiebt, was die Leistung eines Unternehmensbereichs zur Erreichung eines übergeordneten Ziels beiträgt. Unternehmenskulturen wie diese sind willens und bereit, eine Veränderung ihrer Aufgaben durch Automatisierung ohne eine Verschlechterung des Betriebsklimas, Sorgen um Arbeitsplätze oder Personalfluktuation zu bewältigen.
Kapitel 2
Überprüfung des Unternehmens
Nehmen Sie Ihr Unternehmen unter die Lupe, um mögliche Automatisierungsprojekte zu priorisieren sowie den Mitarbeiter- und Weiterbildungsbedarf zu ermitteln.
Die Abstimmung der Automatisierungsstrategie auf die bestehenden Geschäftsprioritäten hilft Führungskräften, zu ermitteln, wo sie ansetzen sollten. Die Einbeziehung der Personalverantwortlichen sorgt dann für die langfristige Umsetzbarkeit. Unternehmensverantwortlichen, die sich auf die Identifizierung spezifischer Automatisierungsprojekte vorbereiten, empfehlen wir zwei Evaluierungen. Erstens sollten die Automatisierungsteams eine grundlegende Analyse der Aktivitäten aller Unternehmensfunktionen auf Aufgabenebene durchführen, um die wichtigsten Automatisierungskandidaten zu identifizieren. Gleichzeitig sollten die Personalverantwortlichen die Automatisierungsfähigkeit des Mitarbeiterstabes analysieren. Die Zusammenführung beider Analysen hilft Führungskräften, zu erkennen, welche Automatisierungsgelegenheiten mehr – oder weniger – für eine schnelle Umsetzung geeignet sind und welcher Einstellungs- und Weiterbildungsbedarf dabei entsteht.
Eine der zeitintensivsten Aktivitäten in Automatisierungsprojekten ist es, die zu automatisierenden Aufgaben zu identifizieren und dann auszuwählen. Um diesen Diagnoseschritt zu beschleunigen, haben wir eine Reihe verknüpfter Analysen entwickelt, die eine tiefgreifende Untersuchung der Geschäfts- und Untergeschäftsfunktionen, der Berufsfelder und Einzelaufgaben sowie des Zeitaufwands pro Aufgabe erlauben. Dazu haben wir unser Funktions- und Branchenmapping zur Beschäftigungskategorisierung (z. B. US SOC, UK SOC, Canadian NOC und Australian ANZSCO) und die US SOC ONET-Daten zu Arbeitsaktivitäten durch eine neuartige Analysemethode zur Ermittlung des Zeitaufwands pro Aktivität verknüpft. Die Grafik unten zeigt eine Beispielevaluierung der Finanzgeschäftsfunktion eines US-Finanzdienstleisters. Durch eine Reihe von Analysen können Führungskräfte die geeignetsten Aufgaben für die Automatisierung identifizieren. Diese Aufgaben absorbieren viel Zeit und Arbeitskraft innerhalb einer bestimmten Geschäftsfunktion. Eine umfassende Analyse beschleunigt datengestützte Entscheidungsprozesse und ermöglicht schnelle Szenario-Tests mit unterschiedlichen Geschäftszielen. Führungskräften ohne solche Daten empfehlen wir einen hypothesenbasierten Ansatz, bei dem die jeweils mit ihren Aufgaben betrauten Mitarbeiter die besten Automatisierungsmöglichkeiten identifizieren.
Ein genauer Blick auf die Finanzfunktion
Eine Sichtung der im Unternehmen verfügbaren Mitarbeiter und Fähigkeiten, die von Personalverantwortlichen geleitet oder unterstützt wird, steht am Anfang der Beurteilung, was vor Ort getan werden kann und was nicht. Die Ergebnisse bilden dann sowohl die Grundlage für aktualisierte, innovationsfördernde Mitarbeiter- und Unternehmenskultur-Agenden als auch das Fundament für Ihre Entscheidungsfindung beim Thema „Aufbauen, zukaufen oder kooperieren“.
Jedes priorisierte Projekt wird unweigerlich mit der Grundsatzfrage konfrontiert: „Haben wir die richtigen Leute dafür?“ Sobald kulturelle Fragen geklärt sind, sollte eine organisatorische Sichtung der Personalsituation in Zusammenarbeit mit den Personalverantwortlichen durchgeführt werden. Nach unserer Erfahrung liefert die erforderliche Evaluation vorhandener Fähigkeiten oft überraschende Ergebnisse. Unsere gemeinsame Forschung mit LinkedIn, Die richtigen Menschen am falschen Ort? beispielsweise zeigt, dass Unternehmen, die ihre Mitarbeiter marktgerechter positionieren, meist bessere Leistungen erbringen als der Wettbewerb. Die Ergebnisse der Kompetenzevaluation können in nachhaltige Mitarbeiteragenden integriert werden, die zukünftige Innovationen vorantreiben und eine Basis für die Entscheidungsfindung beim Thema „Aufbauen, zukaufen oder kooperieren“ bilden.
Kapitel 3
Aufbauen, zukaufen oder kooperieren?
Entscheiden Sie, was Sie aufbauen, zukaufen oder durch Kooperationen bewältigen wollen, um die entsprechenden Mitarbeiter und Technologien zu beschaffen.
Führungskräfte müssen einen Ansatz beim Thema „Aufbauen, zukaufen oder kooperieren“ entwickeln, um ein nachhaltiges Automatisierungsprogramm zu implementieren. Angesichts der rasanten Evolution von Technologien in diesem Bereich ist dies besonders wichtig für Führungskräfte, die den Wandel mit einer begrenzten Belegschaft anstoßen wollen.
Bauen Sie die Technologie mit der verfügbaren Belegschaft auf
Die Verfügbarkeit von Mitarbeitern, die Automatisierungsprogramme entwickeln und implementieren können, bleibt für Führungsverantwortliche eine Herausforderung. Eine aktuelle EY-Umfrage unter 200 Führungskräften auf Senior-Ebene hat gezeigt, dass im Jahr 2018 56 Prozent der Befragten den Mangel an Mitarbeitern als größte Barriere bei der Implementierung von KI in Geschäftsprozesse betrachteten.[1]
Ein Mangel an Automatisierungsexperten ist in den meisten Unternehmen der Normalzustand. Technologie-Talente zu rekrutieren und zu halten, ist besonders herausfordernd, da der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt groß ist und die Löhne der Automatisierungsexperten (beispielsweise für maschinelles Lernen, Generierung natürlicher Sprache und Chatbots) immer weiter steigen. Viele zukunftsorientierte Führungsverantwortliche schauen deswegen nicht mehr nur auf den Markt für voll ausgebildete Spezialisten, sondern werben noch unerfahrene Mitarbeiter oder Quereinsteiger mit unkonventionellen Karrieren an, die sie weiterentwickeln können. Dennoch werden Automatisierungsexperten regelrecht „gehortet“ und die meisten Unternehmen sollten sich darauf einrichten, mit dem Mangel zu leben – eine Perspektive, die durch effektives Mitarbeitermanagement und Unternehmenskultur-Programme überwunden werden kann.
Andere Unternehmen arbeiten an der Weiterbildung der bestehenden Belegschaft. Generell sollten Führungskräfte bedenken, dass die Weiterbildung von Technologiemitarbeitern eher zum schrittweisen Ausbau bestehender Fähigkeiten und nicht zum Erwerb grundlegend neuer Fähigkeiten führt. Statistiker können beispielsweise zu Datenwissenschaftlern werden, Mitarbeiter in der Datenerfassung werden den Sprung in diese Rolle dagegen meist nicht bewältigen. Mit der richtigen Analyse von Mitarbeitern und Fähigkeiten ist eine datenbasierte Kalkulation der Erfolgsaussichten von Weiterbildungsmaßnahmen möglich. Angesichts dieser Herausforderungen setzen zahlreiche Unternehmen auf den Zeitarbeitsmarkt und stellen temporäre Teams zusammen, doch auch das hat seine Nachteile.
Das organisationsübergreifende Center of Excellence-Modell (COE) hat sich in der Automatisierung noch nicht wirklich durchgesetzt; allerdings wird es – wie die Analytics vor zehn Jahren – aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts, einer überschaubaren Anbieterpalette und dem Mangel an Mitarbeitern wohl immer häufiger implementiert werden. Anders als Analytics wird diese neue Welle an COEs allerdings vom Lernprozess der Vorgänger profitieren.
Kaufen Sie Talente und Automatisierungstechnologien zu
Der Zukauf von Talenten und Technologie ist – wie unser aktuelles Capital Confidence Barometer zeigt – angesichts der Disruptionsgefahr und der rasanten Technologieentwicklung eine häufig diskutierte Option in der Vorstandsetage. Übernahmen können proprietäre Technologien sichern und einen Sprung bei der Mitarbeiterqualifikation bringen, sie sind jedoch nicht risikolos. Unternehmen, die langfristig auf übernommene Mitarbeiter setzen, finden sich häufig in der vorherigen Mangelsituation wieder, sobald die ausgehandelten Arbeitsverträge auslaufen und die zugekauften Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Unsere aktuelle Digital Deal Economy-Studie unterstreicht, dass nur 24 Prozent der Unternehmen sehr zuversichtlich sind, Mitarbeiter halten und nach einer Übernahme in die neue Unternehmenskultur integrieren zu können. Effektiv gemanagt können Risikobereitschaft und unternehmerische Veranlagung, welche diese Mitarbeiter so wechselfreudig macht, aber auch genutzt werden, um neu eingestellte Mitarbeiter weiterzubilden und eine Kultur der Innovation und des Wandels aufzubauen; dieser unternehmerische Fingerabdruck kann auch dann noch weiterwirken, wenn sie das Unternehmen verlassen haben.
Trotz aller Risiken führen die steigende Geschwindigkeit technologischer Innovationen und der Druck auf die Geschwindigkeit der F&E zum zunehmenden Einsatz von Wagniskapital. Unser Capital Confidence Barometer zeigt, dass sich die Anzahl an Wagniskapital-Investitionen zwischen 2012 und 2016 verdoppelt und ihr Wert sich verdreifacht hat. Die Fortsetzung dieses Trends ist auch für 2018 prognostiziert. Neue Werkzeuge haben diesen Anstieg zusätzlich begünstigt, da Unternehmen mit ihnen ihre Ökosysteme fast in Echtzeit nach disruptiven Technologien und Start-ups absuchen können.
Entwickeln Sie ein Automatisierungs-Ökosystem durch strategische Partnerschaften
Die Implementierung einer effektiven Automatisierungsstrategie verlangt nach ausreichenden Investitionen in die neuesten Technologien und gleichzeitig nach der Entwicklung oder Beschaffung von hochspezialisierten Mitarbeitern. Der Aufbau eigener Fähigkeiten ist dabei nicht ohne Risiko, insbesondere, weil sich Technologien weiterhin rasant verändern. Ein „Zukauf“-Ansatz kann sich aber ebenso als Fehlschlag herausstellen. Angesichts dieser Herausforderungen und Risiken verfolgen Unternehmen zunehmend den Ansatz strategischer Partnerschaften. Managed Services bündeln Technologien und Mitarbeiter auf einem Umsetzungs- und Kostenniveau, das Unternehmen alleine nicht erreichen könnten.
Schlussfolgerung
Der technologiebasierte Wandel des Arbeitsplatzes ist nichts Neues. Alle Innovationen, vom Pflug über die Dampfmaschine bis zum Computer, haben schon immer Arbeitnehmer und Unternehmen durch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Einnahmequellen und Mitarbeiteranforderungen verdrängt. Genauso hat auch die Automatisierung das Potenzial, Unternehmen und ihre Mitarbeiter radikal zu verändern. Marktführer haben die Chance, dem Wettbewerb voraus zu sein, wenn sie rigoros Automatisierungsprojekte identifizieren und priorisieren, die für eindeutige Marktvorteile sorgen und Mehrwert für das Unternehmen, die Kunden und die gesamte Gesellschaft bringen. Einzelprojekte lassen sich mit ausreichend Energie und Mut umsetzen. Nachhaltige und skalierbare Lösungen verlangen allerdings nach einer Verknüpfung von Automatisierungs- und Mitarbeiterstrategie. Folgerichtig sind Automatisierungstransformationen ein Mannschaftssport, bei dem Funktions-, Innovations-, IT- und Personalverantwortliche gemeinsam die ausgewählten Projekte abgleichen, Analysen durchführen und eine Entscheidung beim Thema „Aufbauen, zukaufen oder kooperieren“ treffen. Wird ein funktionsübergreifender, analysebasierter Implementierungsansatz verfolgt, sind Führungskräfte in der Lage, ihr Unternehmen zum von Automatisierung getriebenen Arbeitsplatz der Zukunft umzugestalten.
Um mehr darüber zu erfahren, wie Sie eine intelligente Automatisierungsstrategie umsetzen können, nehmen Sie Kontakt mit Monica Dimitracopoulos, David Storey, oder Adam Canwell auf.
Die Autoren bedanken sich bei Anand Bharathi und Jon Marcin für ihre Mitarbeit an diesem Artikel.
Fazit
Ihre Automatisierungsstrategie ist nur so gut wie die Personalstrategie und die Organisationsanalyse, die Ihren Entscheidungen zugrunde liegen.