6 Minuten Lesezeit 1 Juli 2017
Arbeiter außerhalb eines Flugzeugs

Die 10 größten Risiken für die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie

Von EY Global

Multidisciplinary professional services organization

6 Minuten Lesezeit 1 Juli 2017

Wer diese Risikoherde genau versteht, hat im Wettkampf um nachhaltiges Wachstum einen klaren Vorsprung.

In Zeiten einer unbeständigen globalen Wirtschaft ändern nicht nur viele Länder angesichts der Gefahr von Terrorismus und politischen Unruhen ihre Verteidigungsstrategien. Auch die Risikoumgebung für die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie (Aerospace and Defense, A&D) muss sich anpassen. Wollen A&D-Unternehmen Wachstumsstrategien für diese neue Realität entwickeln und umsetzen, müssen sie zentrale Risikofaktoren berücksichtigen.

EY hat die wichtigsten strategischen Herausforderungen für die größten Unternehmen der Branche untersucht und die Auswirkungen dieser Risiken auf den gesamten Sektor bewertet. Dazu haben wir die Bilanzen der 15 größten A&D-Unternehmen analysiert. Aus unseren Erkenntnissen konnten wir dann die 10 wichtigsten Risiken für die Branche herausfiltern.

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1.    Volatilität des geopolitischen und ökonomischen Umfelds

Die meisten A&D-Unternehmen agieren weltweit. Schon deshalb hängt ihre operative und finanzielle Leistung in hohem Maße von geopolitischen Faktoren und den ökonomischen Rahmenbedingungen ihrer Kernmärkte ab.

Terroristische Aktivitäten nehmen zu, insbesondere im Nahen Osten, in Afrika und Asien. Speziell die instabile geopolitische Situation im Nahen Osten und in Nordafrika verschärft die Gefahrenlage, sorgt für allgemeine Unsicherheit, erhöhte Grenzaktivitäten, stärkere Migration und direkte Bedrohungen für Menschen und Sachanlagen.

Der gleichbleibend hohe Bedarf an Grenzschutz- und Kontrollmaßnahmen treibt die nationalen Verteidigungsausgaben nach oben, insbesondere in den Bereichen Nachrichtenbeschaffung, Aufklärung und Überwachung. Allerdings sorgt jeder wirtschaftliche Abschwung in jedem der A&D-Kernsegmente auch für einen angespannten Kreditmarkt, eine geringere Liquidität und eine hohe Volatilität der Devisen-, Rohstoff- und Kapitalmärkte.

2.    Supply-Chain-Management

Wenn Erstausrüster (OEMs) ihre Produktion hochfahren, um Lieferrückstände aufzuholen, setzt dies Zulieferer auf allen Ebenen der Lieferkette unter Druck. Diese sind gezwungen, ihre Waren pünktlich zu liefern und dabei die Qualität und Kostenkontrolle nicht aus den Augen zu verlieren.

In einigen Fällen arbeiten Unternehmen nicht mit mehreren, sondern nur mit einem Zulieferer für ein bestimmtes Bauteil oder für einen bestimmten Prozess in der Lieferkette zusammen. Dies kann zu ernsten Problemen führen, sobald Störungen auftreten.

Erstausrüster kooperieren zunehmend mit Zulieferern aus Entwicklungs- und Schwellenländern, um ihre Kosten zu senken. Doch daraus ergeben sich neue Risiken, etwa aufgrund politischer Instabilität, Industriespionage, Produktionsausfällen oder Qualitätsmängeln.

„Die Lieferkette ist das Herzstück eines A&D-Unternehmens. Nur wenn sie effizient und effektiv funktioniert, kann das Unternehmen seine strategischen und finanziellen Ziele erreichen.“
Bill Colbert
Partner, Advisory – US, Ernst & Young LLP

3.    Wettbewerb in nationalen und internationalen Märkten

Der Markt für Verkehrsflugzeuge wird von einem Duopol dominiert. Boeing und Airbus besitzen zusammen rund 80 Prozent der Marktanteile. Gegen diese Dominanz haben neue Marktteilnehmer mittelfristig kaum eine Chance. Der Markt hat sich effektiv gegen neue Wettbewerber abgeschottet.

Gleichzeitig befindet sich die gesamte Branche in der Konsolidierung – die Marktführer müssen ihre Portfolios neu ausrichten und zusammenführen, um ihre Positionen zu sichern.

4.    Personalentwicklung und -management

In einer hochspezialisierten Branche wie der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie besteht eine enorme Abhängigkeit von den Leistungen der Ingenieure und des Managements. Es braucht eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Managementpersonals und eine entsprechende Einstellungspolitik für Ingenieure, Fachkräfte, Marketing- und Vertriebsexperten sowie operative Manager.

Die hochspezialisierten Unternehmen sollten adäquat ausgebildetes und qualifiziertes Personal finden und möglichst langfristig ans Unternehmen binden. Zusätzlich benötigt das Personal unter Umständen eine Sicherheitsfreigabe und ein Basistraining, um mit bestimmten Programmen zu arbeiten oder bestimmte Aufgaben ausführen zu dürfen.

„Insbesondere der Forschungs- und Entwicklungsbereich ist nicht nur ein Abbild der Geschäftsstrategie, sondern auch eines der wichtigsten Werkzeuge im Risikomanagement von Investitions-Diversifizierungen.“
Bart Huthwaite
Partner, Performance Improvement – US, Ernst & Young LLP

5.    Vertragserfüllung für High-Profile-Kunden

A&D-Unternehmen führen meist milliardenschwere Vertragsbeziehungen und haben gleichzeitig hohe Rückstauquoten. Für neue Entwicklungen braucht es komplexe Design-Anstrengungen und neue Technologien, die in den meisten Fällen weder getestet noch erprobt sind. Deshalb müssen sich A&D-Unternehmen technologischen Herausforderungen und weiteren leistungsbezogenen Hürden stellen.

Diese haben oftmals Verzögerungen, Rückschläge, Kostenexplosion und Produktversagen zur Folge. Werden große Serien nicht rechtzeitig ausgeliefert oder entsprechen sie nicht den gewünschten technischen und qualitativen Standards, kann dies sowohl in Festpreis- als auch in Cost-Performance-Verträgen weitreichende Folgen haben. Dazu gehören Bestellwiderruf, Strafzahlungen oder der Verlust von Aufträgen.

6.    Compliance

Da der Kundenstamm von A&D-Unternehmen auch Regierungen und Verteidigungsministerien umfasst, bewegen sie sich in einem höchst regulierten Umfeld. Sie stehen unter besonderer Beobachtung im Hinblick auf Korruption oder Bestechung.

A&D-Unternehmen sehen sich zudem hohen Risiken durch Änderungen von Rechnungslegungsstandards oder Umsatzrealisierungs-Standards ausgesetzt. Laut der Accounting Standards Codification Topic 606 müssen sie eine Umsatzrealisierung für jene Verträge zu einem bestimmten Zeitpunkt betreiben, die sich nicht für die Umsatzrealisierung über einen bestimmten Zeitraum qualifizieren.

7.    Innovationsfähigkeit

Einige Technologien, die Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen in ihren Fertigungs- und Geschäftsprozessen nutzen, sind mehrere Jahrzehnte alt. Die zukünftige Leistungsfähigkeit der A&D-Branche hängt von ihrer Fähigkeit ab,

  • neue Technologietrends zu erkennen und den Zusatznutzen für bestehende Technologien zu identifizieren,
  • kostenbewusste Angebote zu entwickeln, herzustellen und einzuführen sowie
  • Exportprodukte zu verbessern, damit sie den Vorschriften des jeweiligen Exportziels entsprechen.

8.    Verschwendung des Potentials von Fusionen, Übernahmen und Partnerschaften

Werden M&A-Transaktionen evaluiert, müssen Unternehmen zwischen dem Wert des Kaufgegenstands, den Technologien und anderen Vermögenswerten sowie den Kosten möglicher Verbindlichkeiten abwägen. Falsche M&A-Entscheidungen können zu einer Überbewertung des erworbenen Geschäfts führen, Synergieeffekte behindern, den Personalbestand gefährden und negative finanzielle Folgen haben.

Viele Unternehmen des Verteidigungssektors müssen Joint Ventures in Entwicklungsländern als Teil ihrer Offset-Verpflichtungen eingehen. In einigen dieser Vereinbarungen sind die Global Player dazu gezwungen, Wissen an lokale Partner abzutreten, was Risiken bezüglich des geistigen Eigentums und des Urheberrechts mit sich bringt.

„Der branchenübergreifende Verlust von Unternehmen durch Cyberkriminalität beträgt rund 360 Milliarden Euro pro Jahr.“

9.    Risiken im Bereich Cybersecurity

A&D-Unternehmen bewegen große Datenmengen aus der Flugüberwachung zu Flugaktivitäten und Frachtangaben zwischen Endanwendern, Herstellern und Serviceanbietern.

Unternehmen, die Teil der A&D-Wertschöpfungskette sind, tauschen täglich geheime Daten zu Spezifikationen, Technologien und Leistungswerten von Bauteilen und Services aus. Damit soll die Zusammenarbeit im Design, der Entwicklung und im Support verbessert werden.

Alle diese Daten sind für Cyberterroristen ausnehmend wertvoll, die häufig im Auftrag Dritter arbeiten. Diese nutzen die gestohlenen Daten, um Produkte zu kopieren, Preise zu drücken und ihre Konkurrenz im Allgemeinen zu bekämpfen.

10.    Wechselkurse und Rohstoffpreise

Schwankungen im Wechselkurs haben nicht nur Auswirkungen auf die Einnahmen, sondern auch auf Forderungen, Verbindlichkeiten und Vermögenswerte in Fremdwährungen. Produktionsstandorte in unterschiedlichen Ländern erhöhen dieses Risiko zusätzlich.

Unternehmen sehen sich nicht zuletzt einem intensiven Wettbewerb und dem Preisdruck aufgrund der großen Verhandlungsmacht seitens ihrer Kunden gegenüber. Die gestiegenen Rohstoffpreise für Aluminium, Titan und Komposite erschweren zusätzlich die Situation.

Fazit

Die zehn beschriebenen Risiken betreffen alle strategischen Entscheidungen, finanziellen Funktionen, globalen Geschäfte und Compliance-Anforderungen von A&D-Unternehmen: und zwar für jeden Markt, in dem sie vertreten sind. Diese Risiken müssen dringend minimiert werden, wenn globale Chancen optimal genutzt werden sollen.

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