5 Minuten Lesezeit 27 August 2020
People sitting on table

ARUG II: Was bei Related Party Transactions zu beachten ist

Von Anja Pissarczyk

Senior Managerin, Corporate Governance Services, EY Center for Board Matters, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Unterstützt Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführungen bei der effektiven Unternehmensführung und -überwachung.

5 Minuten Lesezeit 27 August 2020

Weitere Materialien

  • ARUG II: Related Party Transactions - Leistungs- und Supportangebot

Börsennotierte Unternehmen haben laut ARUG II besondere Zustimmungs- und Publizitätspflichten bei Transaktionen mit nahestehenden Parteien.

Überblick
  • ARUG II erweitert die Zustimmungs- und Publizitätspflichten für börsennotierte Unternehmen bei Transaktionen mit Parteien, die der Gesellschaft nahestehen.
  • Die Anforderungen gelten in Bezug auf Identifikation, Bewertung, Zustimmung und Veröffentlichung der sogenannten Related Party Transactions (RPT).
  • Ein RPT-Management hilft dabei sicherzustellen, dass die Transaktionen gesetzeskonform ablaufen.

Am 1. Januar 2020 ist das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) in Kraft getreten. Es soll erreichen, dass die Aktionäre bei börsennotierten Gesellschaften besser mitwirken können und die grenzüberschreitende Information sowie die Ausübung von Aktionärsrechten erleichtern. Das Gesetz gilt für börsennotierte Gesellschaften am regulierten Markt.

Mit dem ARUG II hat der Gesetzgeber auch neue Zustimmungs- und Publizitätspflichten für Transaktionen mit nahestehenden Parteien („Related Party Transactions“ – RPTs) eingeführt. Mangels Übergangsvorschriften müssen Unternehmen sie unmittelbar anwenden und sollten dafür ein RPT-Management einrichten.

Die wesentlichen Pflichten für Unternehmen sind:

  1. Identifikation und Monitoring von Transaktionen mit der Gesellschaft nahestehenden juristischen und natürlichen Personen oberhalb des Schwellenwerts (einzeln sowie kumulativ innerhalb eines Geschäftsjahres) von 1,5 Prozent der Summe von Anlage- und Umlaufvermögen des letzten Jahres-/Konzernabschlusses
  2. Internes Bewertungsverfahren unter Beachtung der Unabhängigkeitsanforderungen zur Beurteilung von Marktüblichkeit und ordentlichem Geschäftsgang der RPT (sofern nicht in der Satzung ausgeschlossen)
  3. Prüfung und Zustimmung der RPT durch den Aufsichtsrat beziehungsweise (ad-hoc) Ausschuss unter Beachtung der Unabhängigkeitsanforderungen
  4. Veröffentlichung der RPT innerhalb von vier Handelstagen (beziehungsweise ad-hoc im Fall von Insiderinformationen) und Zugänglichkeit auf der Internetseite der Gesellschaft für mindestens fünf Jahre

1. Identifikation und Monitoring

Unternehmen müssen nach ARUG II in der Lage sein, wesentliche Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen und Personen sowohl einzeln zu identifizieren als auch kumulativ zu überwachen.

Dabei umfasst der Begriff „nahestehende Partei“ sowohl natürliche als auch juristische Personen und orientiert sich an den internationalen Rechnungslegungsstandards, insbesondere IAS 24, daneben auch IFRS 10, 11 und IAS 28. Demnach kann ein Nahestehen unter anderem durch folgende Verbindungen begründet sein:

  • Gesellschaftsrechtliche Verbindungen, zum Beispiel bei einer (un-)mittelbaren Beteiligung von 20 %
  • Dienstvertragliche oder organschaftliche Verbindungen, zum Beispiel Bekleiden einer Schlüsselposition in der Gesellschaft
  • Familiäre Verbindungen, das heißt nahe Familienangehörige von Personen, die eine gesellschaftsrechtliche, dienstvertragliche oder organschaftliche Verbindung zur Gesellschaft haben

Darüber hinaus betreffen die neuen Regelungen des ARUG II nur wesentliche Transaktionen mit einer nahestehenden Partei. Eine Transaktion ist wesentlich, wenn der wirtschaftliche Wert der Transaktion alleine oder kumuliert über das laufendende Geschäftsjahr mit der derselben nahestehenden Partei 1,5 Prozent der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses (Schwellenwert) überschreitet.

Der Begriff Transaktion ist weit gefasst. Er umfasst alle Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen, durch die ein Gegenstand oder Vermögenswert entgeltlich oder unentgeltlich übertragen oder zur Nutzung überlassen wird

Handelt es sich bei der Gesellschaft um ein Mutterunternehmen, das zur Konzernrechnungslegung verpflichtet ist, ist die Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen oder die Summe aus den entsprechenden Vermögenswerten des zuletzt gebilligten Konzernabschlusses gemäß den internationalen Rechnungslegungsstandards maßgeblich.

Der Begriff Geschäft beziehungsweise Transaktion ist weit gefasst. Er umfasst alle Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen, durch die ein Gegenstand oder Vermögenswert entgeltlich oder unentgeltlich übertragen oder zur Nutzung überlassen wird. Ein Unterlassen stellt keine Transaktion in diesem Sinne dar.

  • Beispiele für typische Geschäfte

    • Erbringung von Dienstleistungen
    • Käufe und Verkäufe von Grundstücken, fertigen und unfertigen Erzeugnissen und Waren
    • Produktionsverlagerungen/ -änderungen
    • Finanzierungen und Investitionen
    • Eingehen von Dauerschuldverhältnissen

Zur Entlastung der Unternehmen hat der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen für wesentliche Transaktionen mit nahestehenden Parteien vorgesehen. Nicht als wesentliche Transaktionen gelten demnach Transaktionen mit 100-prozentigen Tochterunternehmen oder Geschäfte, die einer Zustimmung oder Ermächtigung der Hauptversammlung bedürfen. Weitere Ausnahmen entlang des IAS 24.11 finden ebenfalls Anwendung.

2. Internes Bewertungsverfahren

Geschäfte, die im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen mit nahestehenden Parteien getätigt werden, gelten nicht als RPTs. Um zu bewerten, ob die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, ist die Gesellschaft verpflichtet, ein internes Bewertungsverfahren einzurichten. Das Verfahren ist derart auszugestalten, dass alle an der Transaktion beteiligten nahestehenden Personen von ihm ausgeschlossen sind.

  • § 111a II AktG

    Geschäfte, die im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen mit nahestehenden Personen getätigt werden, gelten nicht als Geschäfte mit nahestehenden Personen im Sinne der §§ 107 und 111a bis 111c AktG. Um regelmäßig zu bewerten, ob die Voraussetzungen nach Satz 1 vorliegen, richtet die börsennotierte Gesellschaft ein internes Verfahren ein, von dem die an dem Geschäft beteiligten nahestehenden Personen ausgeschlossen sind. Die Satzung kann jedoch bestimmen, dass Satz 1 nicht anzuwenden ist.

Die Gesellschaft kann allerdings in ihrer Satzung bestimmen, auf das interne Bewertungsverfahren zu verzichten und entsprechende Geschäfte im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen ebenfalls als RPTs einschließlich der Zustimmungs- und Publizitätspflichten zu behandeln. Bei dieser Entscheidung sollten Unternehmen den Aufwand für die Einrichtung eines internen Bewertungsverfahren einerseits und die Häufigkeit von Transaktionen oberhalb des Schwellenwerts wie auch die mit den Veröffentlichungspflichten verbundenen Kosten und Informationsnachteile andererseits abwägen.

3. Prüfung und Zustimmung

Marktunübliche oder nicht dem ordentlichen Geschäftsgang folgende RPTs unterliegen dem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat kann entscheiden, ob die Prüfungs- und Zustimmungspflicht anstelle des Plenums an einen ad-hoc-Ausschuss oder einen ständigen beziehungsweise bereits bestehenden Ausschuss delegiert wird. Entsprechend der Kompetenzabstufung hat der Aufsichtsrat jederzeit die Möglichkeit, die Zustimmungsentscheidung wieder an sich zu ziehen. Mit Blick auf die Prüfungs- und Zustimmungspflichten ist auf die Unabhängigkeitsanforderungen des § 111 b II AktG zu achten.

Wenn der Aufsichtsrat seine Zustimmung verweigert, kann der Vorstand verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Auch hier greift das Teilnahmeverbot der an der Transaktion beteiligten nahestehenden Parteien.

4. Veröffentlichung

Alle zustimmungspflichtigen Transaktionen mit nahestehenden Parteien (unter Beachtung der Sondervorschriften der ad-hoc-Publizität für Insiderinformationen) sind unverzüglich zu veröffentlichen – das heißt, spätestens vier Handelstage nach Abschluss der Transaktion. Unternehmen sollten entsprechend bereits im Vorfeld Modalitäten wie Inhalt, Umfang, Sprache und Kommunikationskanal definieren. In die Veröffentlichung gehören alle wesentlichen Informationen, die erforderlich sind, um zu bewerten, ob das Geschäft angemessen ist. Solche Informationen umfassen mindestens

  • die Art des Verhältnisses zu der nahstehenden Partei,
  • den Namen der nahestehenden Partei,
  • das Datum des Transaktionsabschlusses und
  • den Transaktionswert.

Die Informationen sind auf der Internetseite der Gesellschaft für mindestens fünf Jahre öffentlich zugänglich zu machen.

Die Veröffentlichungspflicht betrifft sowohl Einzeltransaktionen über dem Schwellenwert als auch alle Transaktionen mit derselben nahestehenden Partei, die kumuliert den Schwellenwert innerhalb des laufenden Geschäftsjahres überschreiten und nicht bereits veröffentlicht wurden oder unter die Ausnahmetatbestände fallen. Im Falle einer Aggregation müssen auch solche Geschäfte veröffentlicht werden, die für die Aggregation zwar aufgenommen wurden, jedoch den Schwellenwert und somit eine Zustimmungspflicht nicht erreicht haben. Die Veröffentlichungspflicht greift auch für RPTs von Tochterunternehmen.

Einrichtung des RPT-Managements

Mit dem ARUG II und der neuen Zustimmungs- und Publizitätspflicht gehen für Gesellschaften des regulierten Markts neue Herausforderungen einher. Ein RPT-Management hilft dabei, den Anforderungen gerecht zu werden. Es sollte ebenso in die bestehende Prozesslandschaft und die vorhandenen Unternehmensregularien eingebettet werden wie auch in das Compliance Management System und das interne Kontrollsystem.

Fazit

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) stellt für börsennotierte Unternehmen neue Anforderungen an die Identifikation, Bewertung, Zustimmung und Veröffentlichung von Transaktionen mit Parteien, die der Gesellschaft nahestehen. Um die Vorschriften lückenlos zu erfüllen, sollten Unternehmen ein Management für Related Party Transactions (RPT) einrichten.

Über diesen Artikel

Von Anja Pissarczyk

Senior Managerin, Corporate Governance Services, EY Center for Board Matters, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Unterstützt Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführungen bei der effektiven Unternehmensführung und -überwachung.