6 Minuten Lesezeit 4 Dezember 2019
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Von Maximalvergütung bis Mitsprache: was das neue Aktionärsrecht bedeutet

Von EY Deutschland

Building a better working world

6 Minuten Lesezeit 4 Dezember 2019

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  • „ARUG II – Neuregelungen zur Organvergütung und Related Party Transactions“

Nach langem Ringen hat Deutschland die EU-Aktionärsrechterichtlinie umgesetzt. Für einige Änderungen bleibt den Unternehmen nicht viel Zeit.

Nach langem Ringen hat die Bundesregierung die Vorgaben des Europäischen Parlaments zu Aktionärsrechten in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) soll Anteilseignern börsennotierter Gesellschaften mehr Mitsprache einräumen sowie die grenzüberschreitende Information und Ausübung von Aktionärsrechten verbessern. Während den Unternehmen nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2020 für die meisten Änderungen ausreichend Zeit zur Umsetzung bleibt, sind die Fristen für einige Neuerungen eher knapp bemessen.

  • Die Vorgaben des ARUG II konzentrieren sich im Wesentlichen auf vier Kernbereiche:
  • Say on pay: Mitspracherechte der Aktionäre bei der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat
  • Related-party transactions: Geschäfte mit der Gesellschaft nahestehenden Unternehmen und Personen
  • Transparenzpflichten zu Mitwirkung, Anlageverhalten und Geschäftsmodell von institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern
  • Know your shareholder: Maßnahmen zur Verbesserung der Identifikation und Information von Aktionären

Von erhöhter Relevanz für die betriebliche Praxis sind insbesondere die ersten beiden Kernbereiche, deren Neuerungen wir in unserer Praxisbroschüre  zusammen mit Empfehlungen zur Umsetzung und den Antworten auf die drängendsten Praxisfragen ausführlich darstellen.

 1.     Say on pay: Mitsprache der Aktionäre bei der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat hat künftig ein klares und verständliches Vergütungssystem für den Vorstand zu beschließen. Darin sind neben den festen und variablen Bestandteilen der Vergütung auch die zugrunde liegenden Leistungskriterien darzulegen. Die Vorstandgehälter sollen sich nicht nur an der langfristigen, sondern zudem an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung orientieren, weshalb auch ökologische und soziale Kriterien zu berücksichtigen sind.

Die Aktionäre können die festgelegte Maximalvergütung des Vorstands auf der Hauptversammlung senken. Das ist künftig keine Empfehlung, sondern verbindlich.

Ein lange umstrittenes Element der Vereinbarung: Im Vergütungssystem muss künftig auch eine Maximalvergütung (cap) für die Vorstandsmitglieder festlegt werden. Was bislang als Empfehlung im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) formuliert war, wird nun gesetzlich verpflichtend. Ob die Obergrenze für jedes Vorstandsmitglied einzeln – gemäß der Empfehlung des DCGK – oder für den Gesamtvorstand festgelegt wird, liegt im Ermessen des Aufsichtsrats. Neu ist zudem, dass die Hauptversammlung die Maximalvergütung rechtsverbindlich herabsetzen kann. Die Aktionäre haben über das Vergütungssystem erstmals in ordentlichen Hauptversammlungen zu beschließen, die nach dem 31. Dezember 2020 stattfinden, sowie zukünftig bei jeder größeren Änderung, mindestens jedoch alle vier Jahre. Der Beschluss ist jedoch – anders als das Votum über die Senkung der Maximalvergütung – nicht bindend.

Darüber hinaus verlangt das Gesetz einen jährlichen Vergütungsbericht für Vorstand und Aufsichtsrat. Hierin ist detailliert aufzuführen, welche Vergütungen gewährt, zugesagt und geschuldet werden. Zudem enthält der Bericht Angaben über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens sowie Vergleiche zur Entlohnung der Arbeitnehmer. Der Vergütungsbericht muss erstmals für das erste nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr erstellt werden. Die Hauptversammlung muss über den Bericht jährlich abstimmen. Eine Ablehnung hat auch hier keine rechtlichen Folgen.

2.      Related-party transactions: Geschäfte mit der Gesellschaft nahestehenden Unternehmen und Personen

Zum Schutz von Minderheitsaktionären enthält das ARUG II neue Zustimmungs- und Transparenzpflichten für Geschäfte mit der Gesellschaft nahestehenden Personen und Unternehmen. Hierunter fallen etwa Käufe und Verkäufe von Grundstücken, Finanzierungen oder die Nutzung von Vermögensgegenständen, sofern diese nicht gleichzeitig den zahlreichen Ausnahmeregelungen unterliegen, etwa Geschäfte mit 100-prozentigen Tochterfirmen.

Wesentlich im Sinne des Gesetzes sind jedoch nur Geschäfte mit ein und derselben Transaktionspartei, deren wirtschaftlicher Wert 1,5 Prozent der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen übersteigt. Die Schwelle gilt nicht nur für Einzeltransaktionen, sondern auch für die Kumulation von Transaktionen innerhalb des gesamten Geschäftsjahres. Wird die Schwelle überschritten, müssen die Geschäfte vom Aufsichtsrat genehmigt und innerhalb von vier Handelstagen veröffentlicht werden. 

Unternehmen brauchen ein internes Identifikations- und Monitoring-System, um die für Geschäfte mit nahestehenden Personen anzuwendenden Zustimmungs- und Publizitätspflichten lückenlos zu erfüllen.

Viel Zeit bleibt nicht: Da keine Übergangsregelungen vorgesehen sind, gelten die Regelungen zu Geschäften mit der Gesellschaft nahestehenden Unternehmen und Personen unmittelbar ab Inkrafttreten des Gesetzes.

3.      Transparenzpflichten zu Mitwirkung, Anlageverhalten und Geschäftsmodell von institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern

Die neuen Transparenzanforderungen des ARUG II sollen die Tätigkeit von institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern stärker an den Interessen der übrigen Aktionäre bzw. der Endbegünstigten ausrichten und die Orientierung am langfristigen Unternehmenserfolg fördern. Schon heute veröffentlichen einige institutionelle Anleger und Vermögensverwalter – im Rahmen freiwilliger Selbstverpflichtung – Grundsätze zur Ausübung von Aktionärsrechten. Für eine erhöhte Transparenz werden künftig die Aufstellung und Veröffentlichung einer Mitwirkungspolitik sowie die Erläuterung zur Umsetzung und des Abstimmungsverhaltens im Rahmen des Mitwirkungsberichts verpflichtend.

Stimmrechtsberater werden im Sinne eines Comply-or-explain-Ansatzes verpflichtet, jährlich über die Einhaltung der Vorgaben eines Verhaltenskodex, über ihre Arbeitsweise (unter anderem die eingesetzten Methoden und Modelle) sowie über bestehende Verfahren zur Qualitätssicherung und zur Qualifikation der an der Stimmrechtsberatung beteiligten Mitarbeiter zu berichten.

4.      Know your shareholder: Maßnahmen zur Verbesserung der Identifikation und Information von Aktionären

Bislang waren börsennotierte Gesellschaften beispielsweise aufgrund komplexer Intermediärstrukturen oftmals nicht in der Lage, ihre Aktionäre (insbesondere von Inhaberaktien) zuverlässig zu identifizieren. Mit dem ARUG II erhalten Gesellschaften erstmals einen unbegrenzten Informationsanspruch über die Identität ihrer Aktionäre gegenüber sämtlichen Intermediären (auch im europäischen Ausland), die Aktien der Gesellschaft verwahren. Ebenso werden Intermediäre verpflichtet, Informationen der Gesellschaft (etwa die Einberufung der Hauptversammlung) durch die Kette der Intermediäre bis zum Aktionär bzw. Informationen des Aktionärs (etwa die Anmeldung oder Weisungen) bis zur Gesellschaft zu übermitteln.

Anforderungen an die Unternehmen

Mit dem ARUG II kommen auf Unternehmen zahlreiche neue Anforderungen zu. Gerade die Zustimmungs- und Publizitätspflichten für die Geschäfte mit nahestehenden Personen oder Unternehmen sowie die Erstellung des Vergütungssystems und des Vergütungsberichts, samt Vorbereitung entsprechender Hauptversammlungsbeschlüsse, werden zu einem erheblichen Umsetzungsaufwand führen.

Auf der anderen Seite tragen die Mitwirkungs- bzw. Transparenzpflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater, zusammen mit einer neuen Transparenz bezüglich der eigenen Aktionärsstruktur, zu einer deutlichen Verbesserung der Investor-Relations-Arbeit aufseiten der börsennotierten Gesellschaft bei. Die neuen Regelungen sorgen zudem für eine stärkere Orientierung am langfristigen Unternehmenserfolg und für eine breitere Beschlussbasis auf Hauptversammlungen. 

Fazit

Nach langem Ringen hat Deutschland die EU-Aktionärsrechterichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Aktionäre sollen mit dem ARUG II unter anderem mehr Mitsprache bei der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie Informationen zu Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen erhalten. Während für die meisten Änderungen ausreichend Zeit zur Umsetzung bleibt, sind die Fristen für einige Neuerungen knapp bemessen.

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