5 Minuten Lesezeit 20 März 2020
Bürogebäude mit Lichtern

DCGK 2020: Was sich am Deutschen Corporate Governance Kodex ändert

Von Anja Pissarczyk

Senior Managerin, Corporate Governance Services, EY Center for Board Matters, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Unterstützt Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführungen bei der effektiven Unternehmensführung und -überwachung.

5 Minuten Lesezeit 20 März 2020

Weitere Materialien

Vergütung, Unabhängigkeit, Berichterstattung und Selbstbeurteilung: Der DCGK 2020 legt neue Standards für gute Unternehmensführung fest.

Der neue Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthält Grundsätze, Empfehlungen und Anregungen für den Vorstand und den Aufsichtsrat, die national und international als Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung anerkannt sind. Durch die regelmäßige Überarbeitung des Regelwerks soll das Vertrauen in die Corporate Governance deutscher börsennotierter Gesellschaften gesteigert werden.

Im Mai 2019 hat die Kodex-Kommission eine vollständige Neufassung des DCGK beschlossen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) wurde der neue Kodex mit einigen redaktionellen Änderungen in der Fassung vom 16. Dezember 2019 dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz zur Prüfung vorgelegt und am 20. März 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Damit löst der DCGK 2020 den bis dahin gültigen Kodex in der Fassung vom 7. Februar 2017 ab.

Die Kodex-Anwender sollten die aktualisierte Fassung bereits jetzt als Best Practice und aufgrund der weitreichenden strukturellen und inhaltlichen Änderungen zu Planungszwecken heranziehen. Eine Aktualisierung der bereits abgegebenen Entsprechenserklärung auf den DCGK 2020 ist vor Ablauf des 12-Monats-Zeitraums nicht zwingend geboten. Sie ist jedoch erforderlich, sofern die Gesellschaft ihre Governance-Gepflogenheiten ändert und diese nicht mehr im Einklang zu den Angaben im zukunftsbezogenen Teil der letzten Entsprechenserklärung stehen.

Die bisherige Gliederung des DCGK wird durch sieben aufgabenorientierte Abschnitte vollständig neu konzipiert:

A.      Leitung und Überwachung

B.      Besetzung des Vorstands

C.      Zusammensetzung des Aufsichtsrats

D.      Arbeitsweise des Aufsichtsrats

E.       Interessenkonflikte

F.       Transparenz und externe Berichterstattung

G.      Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat

Kurze, prägnante Grundsätze mit den wesentlichen gesetzlichen Prinzipien ergänzen den neuen Kodex und sorgen so dafür, dass das deutsche Corporate Governance-System insbesondere für ausländische Stakeholder transparenter wird.

Neu ist, dass die Erklärung zur Unternehmensführung den bisherigen Corporate-Governance-Bericht ersetzt. Dadurch wird die Berichterstattung vereinfacht. 

Die Erklärung zur Unternehmensführung wird zum zentralen Berichtselement für die Corporate Governance des Unternehmens.

In erster Linie haben sich die Aufsichtsräte mit drei Punkten zu befassen: (1) der Zusammensetzung ihres Gremiums in Bezug auf die Unabhängigkeit der Mitglieder, (2) der Vorstandsvergütung und (3) der Selbstbeurteilung. 

  • Zusammensetzung des Aufsichtsrats und Unabhängigkeit der Mitglieder

    Der DCGK 2020 empfiehlt weiterhin die Unabhängigkeit des Prüfungsausschussvorsitzenden. Neu ist die Forderung nach Unabhängigkeit der Hälfte der Anteilseignervertreter sowie dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats und des Ausschusses, der die Vorstandsvergütung festlegt. Außerdem sollen – je nach Größe des Aufsichtsrats – mindestens ein bzw. zwei Anteilseignervertreter unabhängig von kontrollierenden Aktionären sein. Vorher galt, dass Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern ausüben durften. Mit dem DCGK 2020 wird dies erweitert: Ab jetzt dürfen sie ebenfalls in keiner persönlichen Beziehung zu einem wesentlichen Wettbewerber mehr stehen.

  • Kriterienkatalog für die Unabhängigkeit

    Ebenfalls neu ist, dass der DCGK 2020 erstmals einen Kriterienkatalog für die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseignerseite formuliert. Bei der Beurteilung der Unabhängigkeit im Einzelfall soll demnach berücksichtigt werden, ob das Aufsichtsratsmitglied oder ein naher Familienangehöriger

    • in den letzten zwei Jahren vor seiner Ernennung Mitglied des Vorstands der Gesellschaft war,
    • derzeit oder im seiner Ernennung vorausgehenden Jahr direkt, als Gesellschafter oder in verantwortlicher Funktion eines konzernfremden Unternehmens eine wesentliche geschäftliche Beziehung mit der Gesellschaft oder einem von ihr abhängigen Unternehmen unterhält oder unterhielt,
    • ein naher Familienangehöriger eines Vorstandsmitglieds ist oder
    • dem Aufsichtsrat länger als zwölf Jahre angehört.

    Dieser Kriterienkatalog stellt eine nicht abschließende Liste von Indikatoren dar. Trifft eines oder mehrere der Kriterien zu und das betreffende Aufsichtsratsmitglied wird dennoch als unabhängig angesehen, soll dies in der Erklärung zur Unternehmensführung begründet werden.

  • Vorstandsvergütung

    Unter Berücksichtigung von ARUG II wird die Vorstandsvergütung neu geregelt. Zukünftig beschließt die Hauptversammlung mit beratendem Charakter über die Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Vergütungssystems und mit empfehlendem Charakter über die Billigung des Vergütungsberichts für das vorausgegangene Geschäftsjahr. Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.

    Das neue Vergütungssystem soll Ziel- und Maximalwerte für die Gesamtvergütung von Vorstandsmitgliedern festlegen. Die Gesamtvergütung soll in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage des Unternehmens stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Zur Bewertung der Üblichkeit der Vergütung soll der Aufsichtsrat Vergleichsgruppen aus externen Unternehmen heranziehen und das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft insgesamt – auch in der zeitlichen Entwicklung – berücksichtigen.

    Für alle variablen Vergütungsbestandteile sollen künftig für sämtliche Vorstandsmitglieder Leistungskriterien festgelegt werden, die sich vor allem an den strategischen Zielen orientieren, dabei soll die variable Vergütung, die sich aus dem Erreichen langfristig orientierter Ziele ergibt, den Anteil aus kurzfristig orientierten Zielen übersteigen. Eine nachträgliche Veränderung dieser individuellen Ziele soll ausgeschlossen sein. 

Selbstbeurteilung des Aufsichtsrats

Mit der überarbeiteten Empfehlung zur Selbstbeurteilung der Wirksamkeit des Aufsichtsrats (bislang sog. Effizienzprüfung) stärkt der DCGK den Transparenzgedanken erheblich und verleiht der regelmäßigen Durchführung der Selbstbeurteilung – auch mit externer Unterstützung – deutlich mehr Gewicht.

Der Aufsichtsrat soll regelmäßig beurteilen, wie wirksam das Aufsichtsratsplenum und dessen Ausschüsse ihre Aufgaben erfüllen. In der Erklärung zur Unternehmensführung soll der Aufsichtsrat berichten, ob und wie eine Selbstbeurteilung durchgeführt wurde
Empfehlung D.13 Deutscher Corporate Governance Kodex

Der Aufsichtsrat soll in der Erklärung zur Unternehmensführung berichten, ob im abgelaufenen Geschäftsjahr eine Selbstbeurteilung stattgefunden hat und wenn ja, wie diese durchgeführt wurde - z. B. ob und wie sie extern unterstützt wurde.

Weitere ausgewählte Neuerungen für den Aufsichtsrat

Künftig soll die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich sein. Ebenso sollen die Zugehörigkeitsdauer zum Aufsichtsrat, Angaben zur langfristigen Nachfolgeplanung und die Altersgrenze im Vorstand veröffentlicht werden. Auch die Sitzungsteilnahme der Aufsichtsratsmitglieder soll künftig im Bericht des Aufsichtsrats individuell offengelegt werden.

Neu ist die Kodex-Empfehlung, dass der Prüfungsausschuss regelmäßig eine Beurteilung der Qualität der Abschlussprüfung vornehmen soll. Weil sich diese Anforderung bislang eher indirekt aus verschiedenen rechtlichen Vorgaben der EU-Audit-Reform ergibt, wurde sie teilweise nicht als unmittelbare Aufgabe des Prüfungsausschusses wahrgenommen. 

Fazit

Der Deutsche Corporate Governance Kodex ändert sich in wesentlichen Punkten. Die Neufassung wurde am 20. März 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die wichtigsten Neuerungen betreffen die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder, die Vorstandsvergütung, die Selbstbeurteilung und die Governance-Berichterstattung. 

Über diesen Artikel

Von Anja Pissarczyk

Senior Managerin, Corporate Governance Services, EY Center for Board Matters, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Unterstützt Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführungen bei der effektiven Unternehmensführung und -überwachung.

  • Facebook
  • LinkedIn
  • X (formerly Twitter)