7 Minuten Lesezeit 28 August 2019
Geschäftsmann fährt E-Scooter Smarte Mobilität

Warum Städte und Kommunen für eine Smart Mobility gefragt sind

Von Constantin Gall

Managing Partner Strategy and Transactions

Hat jahrzehntelange Erfahrung in der Strategie- und Transaktionsberatung sowie in der Automobilbranche. Ist auch privat ein Autoenthusiast und geht gerne mit Familie und Freunden auf Reisen.

7 Minuten Lesezeit 28 August 2019
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Das „Smart“ in Smart Mobility ist keine weitere Taxi-, Shuttle- oder Parkplatz-App. Smart heißt, Interessen und Ressourcen auszubalancieren.

Stell Dir vor, es ist Mobilitätswende und keiner macht so richtig mit – so oder ähnlich empfinden Beobachter die Entwicklung im Mobilitätsmarkt. Zwar mangelt es nicht an Initiativen und Pilotprojekten von Fahrzeugherstellern, Energie- und Telekommunikationsunternehmen sowie mutigen Start-ups. Aber nichts davon hat alleine das Zeug, Mobilität neu zu definieren und wirklich smart zu machen.

Denn das eigentliche „Smart“ an Smart Mobility besteht nicht in einer weiteren Taxi-, Shuttle- oder Parkplatzsuch-App. Smart bedeutet, die Interessen aller Anbieter und Kunden mit der begrenzten Infrastruktur und den verfügbaren Ressourcen auszubalancieren. Und genau darin liegt für Städte und Kommunen die große Chance: Sie können neue Mobilitätskonzepte etablieren, Anbietern von Mobilitätslösungen einen fairen Zugang zum Markt ermöglichen und Innovationen fördern.

Dazu bedarf es bei allen eines radikalen Umdenkens. Nur gemeinsam kann die Mobilitätswende gelingen und vielleicht sogar zu einem deutschen Exportschlager werden – Smart Mobility, Made in Germany.

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Kapitel 1

Der Markt in Lauerstellung

Autobauer, Energie- oder Telko-Konzerne: Jeder will von Smart Mobility profitieren.

Nicht, dass Fahrzeughersteller sich nicht ernsthafte Gedanken über neue Mobilitätskonzepte und -dienstleistungen machen würden. Aber noch scheinen sie verhaftet in ihrer lukrativen Rolle als Autobauer. Ihre Anstrengungen für Elektroantriebe und vernetzte, autonome Fahrzeuge sind meist ingenieursgetrieben und folgen der alten Logik, dass sich auch künftig die attraktivsten Fahrzeuge am besten verkaufen. Und wenn schon ein neuer Mobilitätsservice, dann bitte unter dem eigenen Namen und möglichst im Alleingang. Enge Zusammenarbeit mit lokalen ÖPNV-Anbietern – bisher Fehlanzeige.

Auf dem Weg zur Smart City

Die Energieanbieter wittern mit Ladesäulen und lokalen E-Car-sharing-Konzepten das große Geschäft. Auf die Frage, wie denn Abertausende Ladesäulen mit ausreichend Energie versorgt werden, reichen die Antworten von „Das wird der Markt dann regeln“ bis zu vornehmem Schweigen.

Elektromobilität

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Ladesäulen für Elektroautos gibt es in Deutschland bislang.

Gleichzeitig hoffen Telekommunikationsanbieter, mit 5G endlich den Durchbruch mit lukrativen Mehrwertdiensten rund um Smart Mobility und Smart Cities zu schaffen, den sie in den vergangenen Jahren verpasst haben. Bis autonome, voll vernetzte Fahrzeuge in größeren Mengen vorhanden sind, demonstrieren sie ihre technische Kompetenz etwa mit Sensoren und Apps, die Autofahrern die Suche nach einem freien Parkplatz erleichtern.

Mobilitätskonzepte: Autohersteller setzen auf Plattformansätze großer Konzerne

Die Liste ließe sich beliebig fortschreiben. Jeder will vom Kuchen „Smart Mobility“, dessen künftige Größe nur erahnt werden kann, ein möglichst großes Stück abbekommen und versucht, sich deshalb früh in Position zu bringen.

Interessanterweise setzen gerade Autobauer bei ihren Mobilitätskonzepten auf hoch skalierbare Plattformansätze großer Technologieunternehmen. Mit voll vernetzten und autonom fahrenden Fahrzeugen und den so gewonnenen Daten hoffen sie, deren Erfolge kopieren zu können. Dabei stellen sie die eigenen wirtschaftlichen Interessen verständlicherweise in den Vordergrund und blenden den zwangsläufigen Konflikt um begrenzte Ressourcen und Infrastrukturen allzu gern aus. Für eine echte Mobilitätswende braucht es jedoch völlig andere Ansätze.

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Kapitel 2

Das „Smart“ in Smart Mobility

„Smart“ heißt nicht viele Angebote auf den Markt zu bringen, sondern Mobilitätslösungen, Interessen und Ressourcen auszubalancieren.

Mobilität benötigt immer Infrastruktur: Verkehrswege, Stellflächen, Umsteige- oder Umschlagflächen. Die sind meist in öffentlicher Hand und Allgemeingut wie saubere Luft, Sicherheit oder Trinkwasser auch. Diese Allgemeingüter sind begrenzt und werden in stetig wachsenden Metropolen immer knapper, sind für Mobilität jedoch unabdingbar. Deshalb muss der Zugriff geregelt werden.

Und genau hierin liegt das wirkliche „Smart“ künftiger Mobilitätskonzepte: Smart Mobility muss einen Ausgleich schaffen zwischen den Interessen der verschiedenen Mobilitätsanbieter und Kunden einerseits sowie ihrem Zugriff auf die begrenzten Infrastrukturen und Ressourcen andererseits. Und zwar sowohl planerisch als auch im täglichen Betrieb.

Das Dilemma von Smart Mobility

Für einen derartigen Interessenausgleich braucht es verbindliche Spielregeln, die allen Marktteilnehmern einen fairen Zugang ermöglichen. Das schließt einen beherrschenden oder exklusiven Zugriff auf begrenzte Ressourcen durch einzelne Player aus.

Und genau hier liegt das vielleicht größte Dilemma von Smart Mobility: Mobilitätsplattformen in der Hand einzelner Anbieter, die nur bei einem dominierendem Marktanteil wirtschaftlichen Erfolg versprechen, vertragen sich nicht mit der Forderung nach einer Balance zwischen verschiedenen Akteuren und begrenzten Infrastrukturen und Ressourcen. Es sei denn, man definiert die Rolle von Mobilitätsplattformen neu.

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Kapitel 3

Smart Mobility braucht Regeln

Ohne Regeln geht es nicht: Erfolgreiche Mobilitätsplattformen sind transparent und verbindlich.

Glücklicherweise nehmen immer mehr Kommunal- und Stadtverwaltungen bei der Diskussion um künftige Mobilität eine führende Rolle ein. Zwar sind die meisten hierzulande noch nicht so mutig wie Metropolen wie London oder Amsterdam, die das Thema in eigenen Ressorts oder Gesellschaften gebündelt haben. Aber fast überall werden die enormen Chancen erkannt, smarte urbane Lösungen aufzubauen, die Bürgern, Pendlern, Besuchern und Gewerbetreibenden nachhaltige, bequeme und bezahlbare Mobilität bieten. Es liegt in ihrer Verantwortung, dabei die Balance zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlichen Interessen zu gewährleisten.

Nur im Dialog kann ein zukunftsfähiges Smart-Mobility-Konzept für eine Stadt oder Kommune entstehen, das zugleich nutzerorientiert, wirtschaftlich attraktiv und nachhaltig ist.

Wie Mobilitätsplattformen erfolgreich sein können

Mobilitätsplattformen sollten, so unterschiedlich die darauf angebotenen Dienstleistungen auch sein mögen, immer einer ähnlichen Logik folgen, wollen sie erfolgreich sein:

  • Transparente und verbindliche übergeordnete Ziele für künftige multimodale Mobilität
  • Klar definierte Governance-Regeln und Strukturen zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft
  • Transparente und verbindliche Regeln und Logiken zur dynamischen Zuteilung begrenzter Infrastrukturen und Ressourcen
  • Klarheit und Transparenz bezüglich regulatorischer, rechtlicher und fiskalischer Regeln für alle Teilnehmer
  • Regelung von Bereitstellung und Nutzung von Daten durch alle Teilnehmer
  • Regeln zur Offenlegung und Nutzung wichtiger Schnittstellen (API) zwischen Plattform(en) und verschiedenen Mobilitätsdiensten
  • Flexible Investitions- und Finanzierungsformen und -anreize

In der Ausarbeitung dieser Gesamtlogik sowie ihrer Regeln liegt die Hauptaufgabe der öffentlichen Hand. Dabei müssen alle Beteiligten eingebunden werden. Nur im Dialog kann ein zukunftsfähiges Smart-Mobility-Konzept für eine Stadt oder Kommune entstehen, das zugleich nutzerorientiert, wirtschaftlich attraktiv und nachhaltig ist.

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Kapitel 4

So wird Mobilität smart

Neue Methoden für neues Denken: Wie Design Thinking, Hackathons und Scrum helfen können.

Für eine derart komplexe Aufgabe sind traditionelle Herangehensweisen mit starren Ablaufplänen ungeeignet. Gefragt sind erprobte und moderne Arbeitsmethoden, um die Aufgabe erfolgreich zu meistern.

Bereits bei der Frage, was Mobilität in zehn bis zwanzig Jahren bedeutet, sollten Kommunal- und Stadtverwaltungen agile Methoden wie Design Thinking oder Hackathons einsetzen. Um ein Portfolio künftig erforderlicher Angebote zu erstellen, eignet sich die Scrum-Methode besonders gut. Geschickt in einzelne Arbeitspakete aufgeteilt, erarbeiten verschiedene multidisziplinäre Teams parallel in mehreren kurzen Runden, sogenannten Sprints, die einzelnen Dienstleistungen mit ihren wesentlichen Merkmalen und ersten Mengenangaben und präsentieren ihre Ergebnisse nach jedem Sprint den Nachbarteams sowie wichtigen Stakeholdern. Daraus ergeben sich wertvolle Anregungen für weitere Runden. Aber vor allem entstehen ein fruchtbarer öffentlicher Dialog und eine neue Kultur des kollektiven Lernens. 

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Doch ohne Initiative und Koordination werden sich die erforderlichen agilen Teams weder bilden noch zusammenarbeiten. Nur die öffentliche Hand kann den Gesamtprozess, von der Erarbeitung einer ersten Mobilitätsvision, über die Festlegung der Spielregeln und die schrittweise Realisierung, bis hin zum täglichen operativen Betrieb initiieren und orchestrieren.

Mehr denn je wird Mobilität über Attraktivität und Prosperität urbaner Standorte und ländlicher Kommunen entscheiden. Gleichzeitig waren die Bedingungen mit einem gestiegenen Umweltbewusstsein der Bevölkerung, dem Handlungsdruck der Automobilindustrie sowie der Verfügbarkeit modernster Technologien nie besser als heute, um Mobilität für die Zukunft wirklich smart zu machen.

Die öffentliche Hand muss dieses Momentum jetzt nutzen und in geeignete Bahnen lenken. Dann wird es hoffentlich bald heißen: Stell Dir vor, es ist Mobilitätswende und alle machen mit!

Fazit

Fahrzeughersteller, Energie- und Telekommunikationsunternehmen sowie Start-ups arbeiten an Initiativen und Projekten, um Mobilität neu zu definieren. Doch das „Smart“ in „Smart Mobility“ liegt nicht einfach nur in weiteren Mobilitätsapps. Die Interessen von Anbietern, Städten und Kommunen sowie Nutzern müssen ausbalanciert werden.

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Von Constantin Gall

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Hat jahrzehntelange Erfahrung in der Strategie- und Transaktionsberatung sowie in der Automobilbranche. Ist auch privat ein Autoenthusiast und geht gerne mit Familie und Freunden auf Reisen.

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