5 Minuten Lesezeit 17 Dezember 2019
Frau mit ihrem Smartphone

Wie Unternehmen ihre Daten schützen können, wenn es Gesetze nicht tun

Von Olaf Riedel

Leiter des Sektors Technologie, Medien & Telekommunikation, EY-Parthenon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft I Deutschland, Schweiz, Österreich

Ist passionierter Berater, Hiker, Segler, Skifahrer und Hobbykoch. Zudem Wahlhamburger. Brennt dafür, Tech-, Media- und Telco-Kunden bei ihren Transformationen in sicherem Fahrwasser zu leiten.

5 Minuten Lesezeit 17 Dezember 2019

Den Besitz geistigen oder materiellen Eigentums regelt die Rechtsordnung seit Jahrhunderten – Daten hingegen strömen auf freier Wildbahn.

Dass die Digitalisierung im Sprint voranschreitet, während die Gesetzgebung hinterherhinkt, ist nicht neu, aber nach wie vor beunruhigend. Bisher ist bestenfalls vage definiert, wer zur wirtschaftlichen Nutzung von Daten berechtigt ist und wie weit diese Rechte gehen. Dabei können Daten besonders bei digitalen Geschäftsmodellen durchaus wertvoller sein als die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens selbst. 

Unternehmen bieten durch die Vernetzung mit dem Internet eine enorme Angriffsfläche. Davon sind insbesondere die betroffen, die sensible Daten verwalten oder deren Geschäftsmodell auf Daten basiert.
Olaf Riedel
Leiter des Sektors Technologie, Medien & Telekommunikation, EY-Parthenon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft I Deutschland, Schweiz, Österreich

In diesem noch unerschlossenen Rechtsgebiet lauern für Unternehmen zahlreiche Risiken und Herausforderungen. Insbesondere deshalb, weil es häufig schlicht an Strategien zum rechtlichen Umgang mit Daten fehlt. Das Datenschutzrecht schützt zwar das Individuum vor dem Missbrauch seiner Daten, regelt aber das wirtschaftliche Verwertungsrecht nicht. Hat etwa der Hersteller – beispielsweise von Smart Watches oder vernetzten Fahrzeugen – ein Verwertungsrecht? Oder liegt dieses doch eher beim Nutzer? Das Gesetz bestimmt nicht, wem erhobene Daten „gehören“. Fest steht nur, dass in der wunderbaren Welt der Daten rechtlich gesehen nichts feststeht. Unternehmen sollten deshalb selbst für einen Rechtsrahmen sorgen – und zwar jetzt. 

Nach einem Datenleak besteht für die Betroffenen kein Schutz und somit auch keine Rechtsgrundlage, mit der sie gegen die öffentliche Nutzung der geleakten Unternehmensdaten vorgehen können.

Rechtsfrei durch das digitale Durcheinander

Durch die Nutzung von Mails, Internet und Smartphones ist jedes Unternehmen zwangsläufig Teil der digitalen Welt. Das Internet der Dinge (IoT) hat die Wertschöpfung von materiellen in immaterielle Werte verlagert: Mensch und Technologie verschmelzen immer mehr miteinander, und das global  sowie öffentlich. Cyberkriminelle bewegen sich zunehmend unbeobachtet in dieser Umgebung, ihre Taktiken sind willkürlich oder sehr gezielt. Attacken aus dem Web richten sich gegen große und kleine Unternehmen – im öffentlichen wie im privaten Sektor.

Unternehmensdaten, die beispielsweise nach einem Hackerangriff in Umlauf geraten, können von Dritten in der Regel ohne rechtliche Folgen genutzt werden. Denn: Bislang existiert in Deutschland keine einheitliche Regelung zum Umgang mit Daten. Nach einem Datenleak besteht für die Betroffenen kein Schutz und somit auch keine Rechtsgrundlage, mit der sie gegen die öffentliche Nutzung der geleakten Unternehmensdaten vorgehen können. Lediglich der Hacker selbst kann für die Verwendung belangt werden.

Zum Teil folgt das Recht an Daten dem Eigentumsrecht am Speichermedium: Danach wird der Eigentümer des Servers geschützt, auf dem die Daten gespeichert sind. Gerade in Zeiten der Cloud ist das ein lückenhafter Schutz.

Server geschützt, Daten nicht

In Deutschland gibt es zwar verschiedene Gesetze, die für den Schutz von Daten herangezogen werden können, doch viele von ihnen sind nicht einschlägig: Sie schützen nur spezielle Datenarten oder nur in besonderen Situationen.

  • Das Datenschutzgesetz zum Beispiel greift lediglich bei personenbezogenen Daten und ist damit für anonymisierte oder aggregierte Daten nicht anwendbar.
  • Auch ein Eigentumsrecht an Daten ist nicht existent, weil Daten keine Sachen im Sinne des BGB sind.
  • Zum Teil folgt das Recht an Daten dem Eigentumsrecht am Speichermedium: Danach wird der Eigentümer des Servers geschützt, auf dem die Daten gespeichert sind. Gerade in Zeiten der Cloud ist das ein lückenhafter Schutz, denn er schließt nur das Medium ein, nicht die Daten selbst. Der Ansatz, das Recht an Daten an das Eigentum am Speichermedium zu koppeln, ist in Zeiten von Cloud und Software as a Service obsolet.
  • Da es an einer eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers fehlt, löst auch das Urheberrecht dieses Problem nicht.

Tatsächlich gibt es aktuell keine Regelung, die ein generelles Recht an Daten statuiert. Ob Smartphones oder E-Scooter – kontinuierlich werden Nutzerdaten gesammelt, die für verschiedene Unternehmen sehr wertvoll sein können. Trotzdem ist das Eigentumsrecht der Daten nicht geregelt. Besonders für digitale Geschäftsmodelle wäre dies jedoch essenziell: Daten gelten als die Währung der Zukunft, demnach hängt der Unternehmenswert maßgeblich von ihnen ab.

Wenn schon keine Gesetze, dann wenigstens Verträge

Für Unternehmen wird es zunehmend schwieriger, ihre digitale Landschaft zu kartographieren und Daten vor Eindringlingen zu schützen. Das wird vorerst offenbar auch so bleiben, denn Politik und Wirtschaft signalisieren, diesen weitgehend rechtsfreien Raum auch zukünftig nicht zu regeln. Argumentiert wird, dass ein Recht an Daten Datenmonopole begünstigen und somit den Austausch von Daten einschränken würde. 

Ein Gesetz könnte die Kommerzialisierung von Daten beflügeln und damit auch einen entscheidenden Beitrag zur Volkswirtschaft leisten.

Dieser Schluss ist jedoch keinesfalls zwingend: Wenn Unternehmen ihre Daten rechtlich gesichert wissen, steigt auch die Bereitschaft zum Datenaustausch. Ist das Data Sharing hingegen mit rechtlichen Risiken verbunden, hüten Unternehmen die Daten wie Goldschätze. Ein Gesetz könnte also die Kommerzialisierung von Daten beflügeln und damit auch einen entscheidenden Beitrag zur Volkswirtschaft leisten.

Für die betroffenen Unternehmen ist die Lage fatal: Durch die fehlende Rechtsgrundlage besteht kein Schutz oder Anspruch, gegen die öffentliche Nutzung ihrer gehackten Daten vorzugehen.
Olaf Riedel
Leiter des Sektors Technologie, Medien & Telekommunikation, EY-Parthenon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft I Deutschland, Schweiz, Österreich

Welchen Standpunkt man in dieser rechtspolitischen Diskussion auch vertritt, unterm Strich gilt: Unternehmen sollten unbedingt selbst aktiv werden und ihre Daten so gut wie möglich mit den vorhandenen Werkzeugen schützen, also zum Beispiel eine lückenlose vertragliche Absicherung schaffen. Dazu gehört im ersten Schritt eine Vereinbarung mit denen, die an der Generierung der Daten beteiligt sind – mit klaren Regelungen zum Verwertungsrecht an diesen Daten. Wichtig ist außerdem die konzerninterne Regelung des Datenzugriffs: Welche Konzerngesellschaft hält welche Daten? Welches der verbundenen Unternehmen hat Zugriff auf welche Daten? Derartige Verträge beugen auch steuerlichen Unsicherheiten vor. Werden die Daten Dritten zur Verfügung gestellt, sollten exakte Vereinbarungen den Umfang der Nutzung regeln. Ohne solche Verträge droht dem Datenbestand der wirtschaftliche Totalverlust.

Einsatz technischer Verteidigungsmechanismen

Ein Ziel von Unternehmen ist, die Widerstandsfähigkeit gegenüber verschiedenen Bedrohungsarten zu erhöhen. Diese Bedrohungen reichen von Standardangriffen auf bekannte Sicherheitslücken bis zu gezielten Attacken, die komplexere Schwachstellen durch zum Teil hohen zeitlichen und mitunter auch technischen Aufwand ausnutzen. Hinzu kommen Angriffe, die sich auf neue Technologien konzentrieren und denen praktisch eine eigene Forschung vorausgeht. 

Für die bestmögliche Absicherung der Daten sollten Unternehmen einen Aktionsplan zur Hand haben, der automatische Schutzmechanismen einleitet.

Um die Taktik ihrer Kontrahenten zu kennen und zu verstehen, müssen Experten für Cybersicherheit in Unternehmen mindestens genauso flexibel und mehrschichtig agieren. Gegen konventionelle Angriffe helfen meistens schon eine Antivirussoftware, Systeme zur Erkennung von und zum Schutz vor Eindringlingen sowie Verschlüsselungstechnologien. Sie schützen die Datenintegrität, wenn ein Hacker bereits Zugriff darauf hat. Für den Fall, dass dieser Schutz durchbrochen wird, ist ein Warnsystem sinnvoll. Es identifiziert den unerlaubten Eingriff frühzeitig und leitet Schritte zur Sicherung weiterer Daten ein.

Für die bestmögliche Absicherung der Daten sollten Unternehmen einen Notfallplan zur Hand haben. Über diesen werden automatisch Schutzmechanismen aktiviert, zudem werden vorab organisatorische Schritte und Verantwortlichkeiten klar definiert. Die Zusammenarbeit und der Austausch mit Behörden wie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beziehungsweise anderen Unternehmen können eine gute Ergänzung darstellen. Je umfassender der Schutz von Daten gesteuert wird, desto besser kann er mögliche negative Auswirkungen für das Unternehmen eingrenzen.

Fazit

Bekannt ist die Problematik längst, angegangen wird sie dennoch nicht: Die rechtliche Regelung zum Schutz und zur wirtschaftlichen Verwertung von Daten wird in absehbarer Zeit nicht in Gang kommen. Dabei ist sie höchst dringlich, besonders für Unternehmen mit digitalem Geschäftsmodell. Um den Schutz von Daten zu gewährleisten, sollten Unternehmen daher Eigeninitiative entwickeln und sich zumindest mit Hilfe der Werkzeuge absichern, die zur Verfügung stehen.

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