4 Minuten Lesezeit 6 Oktober 2021

COVID-19 verändert den Einzelhandel. CEOs sollten ihr Geschäftsmodell und ihre IT-Organisation überarbeiten, um Kundenwünsche zu erfüllen.

Frau, die mit ihrem Smartphone in einem Supermarkt Lebensmittel einkauft.

Digitalisierung im Einzelhandel: Was die IT jetzt können muss

Von Marc Wennmann

Partner, EY Consulting GmbH | Deutschland

Steigert leidenschaftlich die nachhaltige Leistungsfähigkeit von Unternehmen durch IT und der IT-Organisation. Familienvater, passionierter Sportler (Golf, Laufen, Taekwondo) und Coach.

4 Minuten Lesezeit 6 Oktober 2021

COVID-19 verändert den Einzelhandel. CEOs sollten ihr Geschäftsmodell und ihre IT-Organisation überarbeiten, um Kundenwünsche zu erfüllen.

Überblick

  • Die Pandemie hat die Digitalisierung im Einzelhandel beschleunigt
  • CEOs und CIOs sind gut beraten, ihr Geschäftsmodell und ihre IT-Organisation anzupassen
  • Besonders wichtig ist die passgenaue Ausrichtung der IT-Organisation auf veränderte Kundenanforderungen

Der Einzelhandel befindet sich im Wandel. Diese Entwicklung hat nicht erst mit der Corona-Pandemie begonnen, doch die durch den Infektionsschutz bedingten Einschränkungen haben ihren Teil zu einer Beschleunigung des Wandels beigetragen. Der steigende Druck durch die fortschreitende und allgegenwärtige Digitalisierung, sowie die damit einhergehende Kundenerwartung und Konkurrenz fordert CEOs und CIOs dazu auf, das Geschäftsmodell zu transformieren und die IT-Organisation entsprechend umzubauen. 

Dass der Wille da ist, zeigt eine Umfrage (Quelle: EY CEO Imperative Study 2021 im Handel, 24 Teilnehmer): 54 Prozent der Unternehmenschefs im Handel planen innerhalb eines Jahres umfangreiche Transformationsprogramme. 67 Prozent planen signifikant in Daten und Technologie zu investieren. Denn sie wissen: Daten und Technologien schaffen neue Möglichkeiten für Einzelhändler, die sich ändernden Verbraucherbedürfnisse antizipieren zu können.

Damit gelangt man zur beschleunigten Entwicklung im Einzelhandel: Weil auch der Besuch eines Supermarkts ein Infektionsrisiko darstellt, sind die Menschen offener gegenüber anderen, kontaktloseren Optionen geworden. Das lässt sich bereits am zunehmenden Wachstum im Online-Handel erkennen. Nun nutzen Einzelhändler bereits kollaborative Ökosysteme und Partnerschaften sowie Anwendungen mit künstlicher Intelligenz, um dem Markt in Sachen Effizienz, Antizipation und Agilität einen Schritt voraus zu sein. 

Die Ansätze zeigen: Ob gewollt oder nicht, durch die Pandemie hat der Einzelhandel in Sachen Digitalisierung einen weiten Satz nach vorne gemacht. Doch was bedeutet diese Entwicklung für das Geschäftsmodell der Einzelhändler und die passgenaue Ausrichtung der IT-Organisation im Einzelhandel?

Die verschiedenen Typen der Einzelhändler

Grundsätzlich lassen sich Geschäftsmodelle im Einzelhandel als Time Saver, Experience Creator oder Problem Solver klassifizieren (vgl. EY, 30 Nov 2020 „How Retailers can become part of the changing consumer’s life“).

  • Der Time Saver setzt auf Geschwindigkeit, Komfort und Effizienz. Das erfordert erhebliche Investitionen in die digitale Infrastruktur, um die Kunden, Lieferanten und die Logistik derart zu verbinden, dass man Geschwindigkeit und Effizienz optimieren kann. 
  • Der Experience Creator bietet außergewöhnliche Erfahrungen beim Einkauf und nutzt die digitalen Strategien nicht nur im Online-Handel, sondern auch vor Ort: Es geht darum, die Customer Journey in den Geschäften mithilfe von neuen Technologien wie Artificial Intelligence und Virtual Reality zu verbessern. 
  • Der Problem-Solver schafft kundengruppenspezifische Lösungen, erzeugt damit Mehrwert für seine Kunden und nutzt Partnerschaften sowie eine ganzheitliche Integration von Data Analytics in seinem Ökosystem. 

Der CIO und seine IT-Organisation sind für die Transformation eminent wichtig: Sie verantworten die geschäftskritischen Daten und Technologien in allen Geschäftsmodellen und sind daher von elementarer Bedeutung für die Transformation des Einzelhandels. Die digitale Perspektive und organisatorische Kompetenzentwicklung der IT könnte somit die Wettbewerbsfähigkeit eines Einzelhändlers steigern oder schwächen.

Anpassung der IT-Organisation an das Geschäftsmodell 

Wie die IT-Organisation zuzuschneiden ist, hängt vom Geschäftsmodell des Unternehmens ab. Es geht darum, die richtigen Kompetenzen zu entwickeln und diese organisatorisch im Aufbau und Ablauf zu etablieren. Agile Arbeitsweisen und produktorientierte Organisationen sind häufig das Mittel der Wahl der IT zur Steigerung der Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit oder gegen die Unsicherheit und Mehrdeutigkeit im Geschäftsmodell. Dabei darf nie vergessen werden, dass Agilität nicht das Ziel, sondern Mittel zu dem Zweck ist, Werte für Kunden und das eigene Unternehmen zu schaffen.

Im Time Saver-Geschäftsmodell, welches einen hohen Grad an Standardisierung aufweist und den Fokus auf Effizienz und Integration legt, kommen die Stärken agiler, dezentraler IT-Strukturen nicht so sehr zum Tragen. Stattdessen entsteht hier ein höherer Wertbeitrag durch zentral orchestrierte und integrierte Architekturen und Services, die eine Ende-zu-Ende-Operabilität sicherstellen. 

Das Geschäftsmodell eines Experience Creators nutzt verstärkt digitale Innovationen zur Steigerung der User-Experience. Damit nimmt die Einführung von agilen und funktionsübergreifenden Teams in der Organisation an Wichtigkeit zu. Zudem geht die IT mehr externe Partnerschaften mit Technologieanbietern ein und kontrolliert die Lieferung und den Einsatz von IT-Produkten und -Services im Unternehmen.

Beim Problem Solver ist die gesamte Geschäftstätigkeit schwerpunktmäßig auf Agilität ausgelegt. Die IT muss nah an den Geschäftsbereichen sein, z.B. indem funktionsübergreifende Produktteams zwischen Business und IT etabliert werden.

Zentral vs. Dezentral – eine Frage der Agilität

Je agiler das Geschäftsmodell ist, desto dezentraler ist die IT aufgebaut. Im Extremfall werden große Teile der IT direkt in das Tagesgeschäft integriert, um unmittelbar auf sich verändernde Geschäftsanforderungen reagieren zu können. Liegt der Fokus auf Effizienz, so liegt die Verantwortung wiederum mehr in einer zentralen IT und bei wenigen externen Dienstleistern, da Synergien und Skaleneffekte so am besten realisiert werden können. 

Es kommt folglich auf die Passgenauigkeit zwischen der IT-Organisation, dem Wertversprechen und dem Geschäftsmodell des Einzelhändlers an. Es gibt hierbei keine Einheitslösung, so wenig wie jeder Einzelhandelskunde ins gleiche Schema passt. Eines wird deutlich: Die Disruption im Einzelhandel, die schon vor der Pandemie begonnen hat, hat durch die Corona-Einschränkungen nur noch an Fahrt gewonnen. Jetzt gilt es für CEOs und CIOs im Einzelhandel, das Geschäftsmodell anzupassen. Dazu gehört, abhängig vom eigenen Betrieb und den Kundenbedürfnissen eine Strategie zu wählen und die IT-Organisation an das Geschäftsmodell anzupassen, um langfristig erfolgreich zu sein.

  • Co-Autoren: Kristina Schmidt, Anja Stenzel, Konstantin Pilz, Michael Glahn

    Kristina Schmidt ist Senior Consultant im Bereich Technology Consulting. Sie ist spezialisiert auf IT-Strategieentwicklung und Digitale Transformation von IT-Dienstleistern sowie IT-Organisationen im öffentlichen Sektor.

    Anja Stenzel ist Senior Consultant im Bereich Technology Transformation/ Business Design. Ihr Fokus innerhalb der Technologie- und Organisationsberatung liegt auf der Digitalen Transformation, dem Business Development sowie agilen Methoden. Zu ihren Kunden zählen u.a. sowohl Unternehmen aus dem öffentlichen Bereich als auch globale Player der Automobilindustrie.

    Konstantin Pilz ist Senior Consultant im Bereich Business Consulting. Er ist spezialisiert auf die Entwicklung und Anpassung des IT-Risikomanagements und die Identifikation, Bewertung und Behandlung von Risiken im IT-Umfeld sowie die damit einhergehende Entwicklung angemessener Kontrollen auf IT- und Geschäftsseite.

    Michael Glahn ist Senior Consultant im Bereich Technology Consulting. Er ist spezialisiert auf die Entwicklung und Umsetzung von IT-Strategien und IT-Betriebsmodellen.

Fazit

Der Einzelhandel befindet sich mit der fortschreitenden Digitalisierung im Wandel, die Pandemie hat diesen Wandel beschleunigt. Damit wird auch das Geschäftsmodell des Einzelhandels beeinflusst, was Veränderungsdruck auf die CEOs und somit auch auf CIOs ausübt. Wichtig ist, die IT-Organisation den notwendigen Modifikationen zu unterziehen.

Über diesen Artikel

Von Marc Wennmann

Partner, EY Consulting GmbH | Deutschland

Steigert leidenschaftlich die nachhaltige Leistungsfähigkeit von Unternehmen durch IT und der IT-Organisation. Familienvater, passionierter Sportler (Golf, Laufen, Taekwondo) und Coach.