3 Minuten Lesezeit 9 Dezember 2022
Zwei Frauen auf einem Weihnachtsmarkt

Pessimistischer Blick in die Zukunft: Krieg und Inflation lassen die Kauflust sinken

Von Michael Renz

Leiter EY Global Retail Technology, EY Consulting GmbH | Deutschland

Fokussiert auf die Transformation von Unternehmen von innen nach außen. Agent des Wandels. Achtsam in der Zusammenarbeit. Skifahrer. Vater.

3 Minuten Lesezeit 9 Dezember 2022

Die von den meisten Verbrauchern erwartete Verschlechterung ihrer Lebensumstände lässt sie auch an Weihnachten den Gürtel enger schnallen.

Überblick
  • Ukraine-Krieg und Inflation führen dazu, dass die Mehrheit der Deutschen pessimistisch in die Zukunft blickt und eine Verschlechterung ihres Lebens erwartet.
  • Verunsicherung und die Erwartung weiterer Preissteigerungen führen zu einem veränderten Kaufverhalten, das auch vor Weihnachten nicht haltmacht.
  • Preissteigerungen führen bei vielen zu einer Neubewertung ihres Konsumverhaltens und dem Wunsch, nachhaltiger und weniger verschwenderisch leben zu wollen.

Nach der Krise ist vor der Krise: Der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Inflation zeigen ihre Wirkung: Die Deutschen sind verunsichert und sorgen sich um ihre Zukunft. Das hat auch Einfluss auf ihr Kaufverhalten. Bereits jetzt müssen mehr als drei Viertel der Menschen hierzulande sparen. Bei über der Hälfte von ihnen geht es zuerst nicht notwendigen Dingen wie Lieferdiensten, Reisen und Kleidung an den Kragen. Auch in puncto Freizeitgestaltung wird der Rotstift angesetzt: Restaurant- und Barbesuche werden bei 46 Prozent der Konsumenten öfter gestrichen, bei Streamingdiensten sehen 29 Prozent der Verbraucher Sparpotenzial.

Fast die Hälfte der Befragten leistet sich neben den nötigsten Dingen des täglichen Bedarfs sogar gar nichts mehr. Und, besonders beunruhigend: 28 Prozent geben zu, bei Medikamenten zu sparen. Nur ein Viertel der Befragten gibt an, sich gar nicht einschränken zu müssen. Lebensmittel hingegen scheinen für die meisten Verbraucher in Deutschland mittlerweile einen höheren Stellenwert zu haben: Nur 13 Prozent möchten sich bei frischen Lebensmitteln einschränken, 40 Prozent planen sogar, mehr auszugeben. Für viele spielt mittlerweile auch der Nachhaltigkeitsaspekt eine größere Rolle. So möchten fast 90 Prozent der Deutschen in Zukunft keine Lebensmittel mehr verschwenden und liegen damit über dem weltweiten Durchschnitt von 85 Prozent.

Europa blickt besorgt auf die nächsten Jahre

Während sich hinsichtlich der aktuellen Situation noch ein etwas heterogeneres Bild ergibt, treibt der Blick in die Zukunft nahezu allen Befragten die Sorgenfalten auf die Stirn: Fast alle erwarten in den nächsten Monaten weitere Preissteigerungen, vor allem bei den Energiekosten, bei Benzin und bei Lebensmitteln. Ganze 52 Prozent der Bundesbürger sehen hier auch für die nächsten Jahre keine Verbesserung der Situation und gehen daher insgesamt von einer Verschlechterung ihrer persönlichen Lebensumstände aus. Bei der letzten Befragung im Sommer waren erst 45 Prozent der Meinung, ihr Leben werde sich in den nächsten drei Jahren merklich verschlechtern. In nur wenigen Monaten hat sich dieser Anteil also um 7 Prozentpunkte erhöht. Nur 16 Prozent der Befragten rechnen mit einer Verbesserung ihres Lebens.

Noch pessimistischer als in Deutschland sind nur die Verbraucher in Frankreich, wo ganze 63 Prozent eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation befürchten. US-Amerikaner, Inder und Chinesen sind weitaus optimistischer als die Europäer, hier rechnen mindestens 50 Prozent mit einer Verbesserung ihres Lebens in den nächsten drei Jahren.

Weihnachten 2022: Bescherung fällt kleiner aus

Die negative Grundstimmung hat auch Einfluss auf die Gestaltung des kommenden Weihnachtsfestes: Auch hier werden die Bundesbürger den Gürtel etwas enger schnallen als in den vergangenen Jahren und planen durchschnittlich mit einem Budget von nur 252 Euro, das damit in diesem Jahr auf dem niedrigsten Niveau seit 2014 liegt. Im vergangenen Jahr waren es noch 273 Euro. Fast jeder zweite Befragte möchte 2022 nicht mehr als 200 Euro für Geschenke ausgeben, mehr als ein Viertel plant mit nur einem Budget bis 100 Euro. Ein weiteres Viertel möchte 200 bis 300 Euro ausgeben.

Am stärksten gesunken ist die Kauflust bei Frauen, die im Vergleich zum vergangenen Jahr 36 Euro weniger für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Besonders offensichtlich wird die derzeit schwierige finanzielle Lage bei Beziehern niedriger Einkommen sowie bei Familien: Menschen mit einem Jahresnettoeinkommen von unter 25.000 Euro planen in diesem Jahr fast ein Viertel weniger für Geschenke ein, Familien möchten 14 Prozent weniger ausgeben als 2021. Am schenkfreudigsten ist – wie schon im vergangenen Jahr – die Altersgruppe von 36 bis 45 Jahren.

Auch bei der Frage, wofür das Geld ausgegeben wird, hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht viel verändert: Ganze 44 Prozent der Verbraucher möchten vor allem Gutscheine und Geld verschenken, auf dem zweiten Platz landen Spielwaren. Mit jeweils 34 Prozent auf dem dritten Platz rangieren Lebensmittel und Süßwaren, Bücher und Kleidung.

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Angst vor Corona sinkt, Nachhaltigkeitsbewusstsein steigt

Umgesetzt wird das meiste Geld dabei vor allem online. Der Anteil des stationären Handels sinkt im Vergleich zum vergangenen Jahr noch einmal leicht, dabei trifft es vor allem die Fachgeschäfte, die es vermutlich 2022 nur noch auf einen Marktanteil von 19 Prozent bringen werden. 2021 waren es noch 24 Prozent.

Am Onlineshopping schätzen Verbraucher vor allem, dass es bequem ist: Die Produkte sind rund um die Uhr verfügbar und ersparen den Käufern den Stress überfüllter Innenstädte. Außerdem sind die größere Auswahl und niedrigere Preise ein großer Pluspunkt des Kaufens im Internet. Wichtig bleibt außerdem der Gesundheitsschutz, der mit dem Onlineshopping einhergeht, allerdings hat er im Vergleich zum ersten Pandemiewinter 2020 um fast ein Drittel an Bedeutung verloren. Etwas an Bedeutung gewonnen hat für die Verbraucher hingegen das vorweihnachtliche Shoppingerlebnis, das 32 Prozent von ihnen in die Innenstädte lockt. Im Jahr vor der Pandemie gaben allerdings noch 41 Prozent an, durch Weihnachtsmärkte und Ähnliches zum Shopping in der City animiert zu werden.

Gestiegenes Nachhaltigkeitsbewusstsein

Ihr insgesamt gestiegenes Nachhaltigkeitsbewusstsein möchten die Menschen hierzulande auch an Weihnachten nicht über Bord werfen. Für zwei Drittel spielen Nachhaltigkeitsaspekte beim Schenken und Feiern zumindest eine geringe, für knapp ein Viertel der Befragten sogar eine große Rolle. Dabei wollen vor allem Bezieher hoher Einkommen in diesem Jahr mehr auf Nachhaltigkeit achten und dies durch den Kauf regionaler Lebensmittel und die Reduzierung oder komplette Vermeidung von Geschenkpapier umsetzen. Für fast 30 Prozent der Verbraucher spielen Nachhaltigkeitsaspekte auch bei der Auswahl der Geschenke eine Rolle, fast jeder fünfte möchte die Präsente selbst herstellen, statt sie zu kaufen. Dies passt zum aktuellen Trend der Neubewertung des eigenen Konsumverhaltens. Denn über die Hälfte der Menschen hierzulande sind der Meinung, sowieso mehr zu besitzen, als sie brauchen. Global sagen dies nur 43 Prozent.

Es zeigt sich: Die Pandemie hat das Konsumverhalten an vielen Ecken und Enden verändert. Nun kommt die Energiekrise hinzu, die viele Menschen dazu zwingt, den Gürtel enger zu schnallen. Bemerkbar wird das auch im Weihnachtsgeschäft, wo viele ein geringeres Budget einplanen als noch in den vergangenen Jahren. Eine immer größere Rolle spielt die Nachhaltigkeit: Immer mehr Menschen wissen um die Bedeutung nachhaltigen Konsums – an Weihnachten und darüber hinaus.

Enjoying Christmas Market

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Inflation und Kaufkraftverluste fordern ihren Tribut auch beim Verschenken. Vor allem Bundesbürger mit geringem oder mittlerem Einkommen wollen oder müssen in diesem Jahr zu Weihnachten den Gürtel enger schnallen und bei den Geschenken sparen.

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Fazit

Eine Krise jagt die nächste: Kaum war Corona wieder etwas in den Hintergrund getreten, kam der Ukraine-Krieg und mit ihm eine galoppierende Inflation. Nicht nur Energie ist um ein Vielfaches teurer geworden, auch vor Lebensmitteln macht die Preissteigerung nicht halt. Viele Menschen können sich nur noch das Nötigste leisten, fast alle haben Angst vor der Zukunft. Dies schlägt sich auch im Kaufverhalten zu Weihnachten nieder, wofür fast alle in diesem Jahr weniger ausgeben wollen als in den letzten Jahren. Ein Gutes hat die Krise dennoch: Das Nachhaltigkeitsbewusstsein ist stärker und die Neubewertung des eigenen Konsums wichtiger geworden.

Über diesen Artikel

Von Michael Renz

Leiter EY Global Retail Technology, EY Consulting GmbH | Deutschland

Fokussiert auf die Transformation von Unternehmen von innen nach außen. Agent des Wandels. Achtsam in der Zusammenarbeit. Skifahrer. Vater.