4 Minuten Lesezeit 12 August 2022
Herrenarmbanduhr, die in einem Uhrengeschäft gehalten wird

Produktpiraterie: Deutsche kaufen Plagiate vor allem wegen des Preises

Von Michael Renz

Leiter EY Global Retail Technology, EY Consulting GmbH | Deutschland

Fokussiert auf die Transformation von Unternehmen von innen nach außen. Agent des Wandels. Achtsam in der Zusammenarbeit. Skifahrer. Vater.

4 Minuten Lesezeit 12 August 2022

Viele Deutschen haben bereits ein plagiiertes Produkt gekauft – weil es günstig ist. Doch sie wissen um die Folgen von Produktpiraterie.

Überblick
  • Gefälschte Produkte zu kaufen ist in Deutschland durchaus verbreitet.
  • Allerdings gibt es viele Verbraucher, die den Kauf von Plagiaten kategorisch ablehnen.
  • Ob sie kaufen oder nicht – die allermeisten Deutschen wissen um die Konsequenzen von Produktpiraterie.

Markenkleidung, Handtaschen, Uhren – die Liste der Produkte, von denen es Plagiate gibt, ist lang. Obwohl der Vertrieb von Fälschungen strafbar ist, floriert das Geschäft. Auch die deutschen Verbraucher sind regelmäßige Käufer von plagiierten Produkten, wie die neue EY-Studie zu Produktpiraterie zeigt. Der Risiken sind sie sich aber durchaus bewusst.

So geben 38 Prozent der Befragten an, schon mindestens einmal ein Plagiat gekauft zu haben. Das sind 6 Prozentpunkte mehr als in der vorherigen Erhebung aus dem Jahr 2015. Besonders beliebt sind Plagiate in der Gruppe der 26- bis 35-Jährigen: Hier geben 61 Prozent der Befragten an, schon mal ein Plagiat gekauft zu haben. Ein Drittel der Personen in dieser Altersgruppe hat sich sogar schon mehrmals für ein Plagiat anstelle des Originals entschieden (32 Prozent). Doch auch die andere Seite zeichnet ein deutliches Bild: Über die Hälfte der Deutschen lehnt es kategorisch ab, Plagiate zu kaufen (52 Prozent). 10 Prozent der Befragten haben noch nie ein Plagiat gekauft, möchten es aber nicht ausschließen.

Beim Vertrieb plagiierter Produkte gewinnt das Internet an Bedeutung. Mittlerweile kaufen 28 Prozent der Befragten ihre gefälschten Produkte über das Netz – damit hat sich der Anteil im Vergleich zur vorherigen Befragung mehr als verdoppelt (2015: 12 Prozent). Dennoch besorgen sich nach wie vor die meisten Interessierten Plagiate auf Marktveranstaltungen oder bei fliegenden Händlern (47 Prozent). Im Heimatland selbst schlagen die Deutschen selten zu: Nur 19 Prozent der Fälschungen haben die befragten Deutschen hierzulande gekauft, 68 Prozent im Ausland. Am häufigsten werden gefälschte Bekleidung und Accessoires gekauft: 78 Prozent der Befragten, die schon mal eine Fälschung gekauft haben, fanden diese im Modebereich. Alle anderen Kategorien wie Schmuck und Uhren (20 Prozent), Kosmetika (11 Prozent) oder Software (5 Prozent) fallen deutlich ab.

Doch wissen die Käufer, dass es sich bei einem Produkt um eine Fälschung handelt? 45 Prozent geben zu, dass sie bei ihrem Kauf um die Fälschung wussten oder zumindest den Verdacht hatten. Bei Frauen sind es sogar 51 Prozent. Lohnt sich der Kauf des Plagiats? Tatsächlich sind die meisten Konsumentinnen und Konsumenten (59 Prozent) mit der Qualität des Plagiats zufrieden: 17 Prozent sind sehr zufrieden, 42 Prozent sind überwiegend zufrieden. 41 Prozent sind jedoch eher unzufrieden: 23 Prozent sagen, dass sie nur mit Einschränkungen glücklich mit ihrem Produkt seien, 18 Prozent sind überhaupt nicht zufrieden. Allerdings sagen 60 Prozent der Befragten auch, dass sie schon einmal ein Plagiat erworben haben, das sie eher nicht oder auf gar keinen Fall noch einmal kaufen würden. Danach gefragt, warum für sie kein Plagiatskauf infrage kommt, gaben die Deutschen verschiedene Gründe an: Sie sorgen sich um Gesundheitsrisiken (84 Prozent), möchten keine organisierte Kriminalität unterstützen (82 Prozent) oder haben Sorge vor Sicherheits- und Unfallrisiken (80 Prozent). Doch warum dann noch ein Plagiat kaufen? Für die meisten entscheidend: der niedrige Preis – 72 Prozent der Befragten gaben das als Hauptgrund an. Doch auch die leichte Verfügbarkeit des Produkts (27 Prozent) und die vermeintlich gute Qualität (24 Prozent) sind häufig genannte Gründe. 17 Prozent der Befragten gaben an, unwissentlich eine Fälschung gekauft zu haben.

Den Deutschen ist die schädliche Bedeutung von Produktpiraterie bewusst. So deuten insgesamt 86 Prozent der Befragten die Piraterie als großes (39 Prozent) oder mittelgroßes (47 Prozent) Problem. Nur jeder siebte sieht darin kein Problem. Etwa 70 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten sehen bei von Produktpiraterie betroffenen Unternehmen gravierende Nachteile bezüglich des Umsatzes. Auch für die deutsche Volkswirtschaft ist Produktpiraterie ein großes Problem, das erkennen vor allem ältere Leute: 46 Prozent der über 66-Jährigen sehen in der Produktpiraterie ein großes, weitere 40 Prozent ein mittleres Problem. Je jünger die Befragten, desto geringer der Anteil derer, die ein großes Problem sehen; so schätzt lediglich jeder fünfte unter 26-Jährige die Produktpiraterie so ein.

Es zeigt sich: Gefälschte Produkte zu kaufen ist in Deutschland nicht unüblich. Gerade in den jüngeren Generationen finden sich einige Menschen, die bereits Fälschungen erworben haben – auch weil sie günstiger und besser verfügbar sind als die Originale. Dennoch sind sich die Deutschen der Risiken und Probleme, die durch Produktpiraterie entstehen, bewusst: Sie verstehen die negativen Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen und die deutsche Volkswirtschaft.

Herrenarmbanduhr, die in einem Uhrengeschäft gehalten wird

EY Studie: Produktpiraterie

Produktpiraterie: Plagiate werden immer häufiger im Internet gekauft. Für die EY-Studie wurden 1.004 volljährige Konsumenten in Deutschland befragt.

Jetzt herunterladen

Fazit

Produktpiraterie ist in Deutschland verbreitet. Viele Verbraucher greifen zur Fälschung, weil ihnen das Original zu teuer oder es nicht verfügbar ist. Das Internet gewinnt als Vertriebskanal an Bedeutung, doch Märkte im Ausland sind immer noch ein beliebter Anlaufpunkt. Trotz allem verstehen die Deutschen, dass Produktpiraterie Konsequenzen für betroffene Unternehmen und die Volkswirtschaft hat.

Über diesen Artikel

Von Michael Renz

Leiter EY Global Retail Technology, EY Consulting GmbH | Deutschland

Fokussiert auf die Transformation von Unternehmen von innen nach außen. Agent des Wandels. Achtsam in der Zusammenarbeit. Skifahrer. Vater.