5 Minuten Lesezeit 17 September 2021
Frau in Schürze trägt frisches Gemüse in einem Netzbeutel

Was sich Verbraucher von Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit wünschen

Von Ev Bangemann

Managing Partner Markets & CCaSS Leader EY Germany | DE&I Sponsor EY Europe West, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

5 Minuten Lesezeit 17 September 2021

Nachhaltiger Konsum steht auf der Tagesordnung vieler Verbraucher in Deutschland – doch die Bereitschaft, selbst zu handeln, ist gering.

Überblick

  • Nachhaltigkeit und umweltverträgliche Produkte stehen nicht nur bei den politischen Entscheidern auf der Tagesordnung. Auch für Kunden werden sie wichtiger.
  • Häufig lassen viele Konsumenten ihren nachhaltigen Kaufabsichten jedoch noch keine Taten folgen – unter anderem wegen der Kosten.
  • Doch: Hier liegt eine große Chance für Unternehmen, sich für dieses wachsende Kundensegment zu öffnen.

Die Europäische Union hat sich darauf geeinigt, bis 2030 den eigenen CO2-Ausstoß um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutral zu sein. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, hat die EU-Kommission beispielsweise kürzlich das „Fit for 55“-Paket vorgestellt, das ein Aus für den Verbrennungsmotor, eine Reformierung des Emissionshandels sowie ein CO2-Grenzausgleichssystem vorsieht. Doch das ist nicht die einzige Stellschraube, die die Kommission nutzt, um die Emissionsziele zu erreichen. So soll der „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ die Weichen für eine klimaneutralere Wirtschaft stellen ¬– weg von ihrer bisherigen Linearität, hin zu mehr Recycling, Ressourcenersparnis und einem „Recht auf Reparatur“. 

Neben regulatorischem Druck wächst auch auf Verbraucherseite das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum – etwa bei den Lebensmitteln, Verpackungen und Dienstleistungen. Das zeigt auch die jüngste Erhebung des EY Future Consumer Index. 

Verbraucher konsumieren nachhaltig – mit Einschränkungen

Schon heute ist den Deutschen sehr wohl bewusst, dass der Klimawandel ein elementares Problem darstellt. So wird der Klimawandel von 53 Prozent der Befragten als das Problem ansehen, über das sie sich am meisten Sorgen machen. Das ist weniger als in Japan (56 Prozent), aber deutlich mehr als in den USA, wo der Wert bei lediglich 38 Prozent liegt. In Zukunft dürfte diese Zahl jedoch steigen, wenn Extremwetterereignisse wie die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz den Menschen weiterhin ins Bewusstsein rufen, dass die Auswirkungen des Klimawandels sich auch in Deutschland bemerkbar machen und zukünftig noch zunehmen dürften.

Am meisten Sorge bereitet jedoch mit 65 Prozent in Deutschland und 73 Prozent weltweit die Plastikverschwendung, noch vor dem Klimawandel. Auch sind die Kunden in Deutschland bereits sehr stark für nachhaltige Produkte sensibilisiert. So ist Deutschland beispielsweise Vorreiter bei wiederverwendbaren Einkaufstüten. 75 Prozent der Deutschen geben an, bei jedem Einkauf statt einer Einwegtüte eine nachhaltige Alternative zu benutzen – 21 Prozent über dem weltweiten Durchschnitt. Für deutsche Verbraucher sind zudem besonders die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels (38 Prozent), die Förderung nachhaltiger Nutzung von Ökosystemen und von Biodiversität, sowie verantwortliche Produktion und Konsum von Produkten und Dienstleistungen wichtig. Im Vergleich zum globalen Durchschnitt legen sie hingegen wesentlich weniger Priorität auf Wohl und Gesundheit der Bevölkerung.

Diese Sensibilität macht sich auch bei Kaufentscheidungen bemerkbar. So achtet eine große Mehrheit der deutschen Verbraucher beim Kauf eines Produktes auf dessen Nachhaltigkeit und Umwelteinfluss: 48 Prozent geben an, dies hin und wieder zu tun, während 20 Prozent immer darauf schauen. Etwa die Hälfte der Befragten gibt zudem an, bereits mehr für Produkte zu bezahlen, die die Umwelt weniger belasten. Allerdings erwarten derzeit lediglich 24 Prozent der Deutschen, in den nächsten 12 Monaten mehr Geld für nachhaltige Produkte auszugeben. Die Bereitschaft deutscher Kunden, sich für Produkte zu entscheiden, die eine positive Auswirkung auf die Umwelt haben, bleibt also bisher noch stark hinter dem Potenzial derjenigen zurück, die grundsätzlich auf nachhaltige Produkte achten.

Nachhaltigkeitsbewusstsein

68 %

der deutschen Kunden sagen, dass sie mindestens hin und wieder beim Kauf eines Produkts auf dessen Umwelteinfluss achten.

Bei welchen Produkten Kunden Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Kaufentscheidung einfließen lassen, unterscheidet sich in Deutschland stark. Frisches Obst und Gemüse sowie verpackte Lebensmittel stehen hier mit 83 und 81 Prozent ganz oben auf der Einkaufsliste nachhaltigkeitsbewusster Verbraucher. Darauf folgen Kosmetikprodukte sowie Kleidung. 

Der Preis: weithin ein wichtiger Faktor bei nachhaltigen Produkten

Nachhaltiges Konsumverhalten befindet sich im Aufwind: 64 Prozent der weltweiten Bevölkerung wollen bei ihrem Konsum die Nachhaltigkeit im Auge behalten. Verbraucher in Deutschland scheinen dahingehend jedoch bisher kein so umfassendes Nachhaltigkeitsbewusstsein entwickelt zu haben, denn nur 56 Prozent äußern sich hierzulande ähnlich. Auch lassen nur wenige dieser Absicht Taten folgen. So sagen zwar 86 Prozent, dass sie auf die Verpackung achten und sensibler geworden sind, was unnötigen Verpackungsmüll betrifft. 35 Prozent merken allerdings auch an, dass sie sich angesichts der Infektionsrisiken wohler fühlen, wenn manche Produkte besser verpackt sind. 

Verbraucher sind in der Tat bereit, mehr Geld für nachhaltigere Produkte auszugeben, sie machen dies aber von verschiedenen Faktoren abhängig. Während hier im globalen Durchschnitt Produkte vorne rangieren, die im Land der Befragten hergestellt werden, ist für den deutschen Kunden besonders wichtig, dass die Produkte und Dienstleistungen selbst nachhaltiger sind.

Trotzdem ist der Preis nachhaltiger und umweltschonender Produkte ein Hindernis für die deutschen Verbraucher. Denn auch wenn die Bereitschaft zum Konsum von nachhaltigen Produkten da ist – häufig ist es den Deutschen zu teuer. 42 Prozent sagen, nachhaltige Produkte seien zu kostspielig und 65 Prozent sagen sogar, dass ein hoher Preis am ehesten ein Kaufhindernis sein kann.

Kaufentscheidung

65 %

der Verbraucher sagen, dass zu teure nachhaltige Produkte sie am Kauf hindern können.

Wie sich Unternehmen auf neue nachhaltige Konsumenten einstellen können

Einerseits erwartet eine Mehrheit der deutschen Konsumenten (57 Prozent), dass Unternehmen handeln und nachhaltiger werden sowie nachhaltigere Produkte anbieten. Gleichzeitig ist die Forderung nach günstigen Preisen für nachhaltige Produkte ungebrochen. Darüber hinaus wünschen Kunden mehr und bessere Informationen darüber, wie man am besten eine nachhaltige Auswahl trifft. In Deutschland nenen das 48 Prozent – global sogar  61 Prozent. Weiterhin sagen 59 Prozent der befragten Deutschen, dass falsche oder missverständliche Information sie vom Kauf eines nachhaltigen Produkts abhalten könnte.

Deutsche Verbraucher wollen also nachhaltiger einkaufen, tun dies jedoch noch eher selten und auf wenige Produktkategorien fokussiert. Es fehlt einerseits an umfassenden Produktpaletten zu niedrigen Preisen sowie an ausreichend verständlichen Informationen hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Produkte. Nicht nur die hohe Zahl verschiedener Siegel für nachhaltige Produkte und die Frage nach ihrer Aussagekraft verunsichern Konsumenten, auch die höheren Preise für beispielsweise Bio-Fleisch halten vom Kauf ab, wenn es günstigere Alternativen gibt. 

Für Unternehmen stellt dies eine große Herausforderung dar, bietet aber gleichzeitig eine wichtige Chance, frühzeitig die Anforderungen eines stetig wachsenden Marktsegments zu bedienen.

Klar ist: Unternehmen müssen Verbraucher anleiten und informieren, damit sie den Schritt von der Absicht zum nachhaltigen Konsum hin zur Kaufhandlung machen. Damit dies im Einklang mit wirtschaftlichen Zielen gelingt, braucht es eine neue Denkweise: Nachhaltigkeit sollte zur Wertschöpfung im Unternehmen genutzt werden und neue Wege der Zusammenarbeit mit Lieferanten, Kollegen, Wettbewerbern und den Verbrauchern generieren.

Damit dies gelingt, sollten Unternehmen die folgenden vier Punkte beachten:

1. Nachhaltigkeit als Wachstumsmotor

Investitionen in nachhaltige Prozesse, die beispielsweise Müll und Emissionen reduzieren und gleichzeitig die Effizienz steigern, ermöglichen langfristige Kostenersparnis, die auch dem Verbraucher zugutekommen kann.

Obwohl Konsumenten bisher eher zurückhaltend sind, mehr Geld für nachhaltige Produkte auszugeben, ziehen sie diese doch weniger umweltschonenden Alternativen vor. Marken und Produkte auf Nachhaltigkeit auszurichten und die Konsumenten darüber bedarfsgerecht zu informieren kann also zum Alleinstellungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern werden. 

Darüber hinaus bieten auch Verordnungen wie die EU-Klimataxonomie Chancen, die darauf abzielt, Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu fördern. Anleger werden durch diese Verordnung in die Lage versetzt, „Greenwashing“ zu vermeiden und verlässlich in nachhaltige Technologie und nachhaltige Firmen zu investieren.

2. Transformation mit Bedeutung

Nachhaltigkeit ist keine Einmallösung, sondern muss konsequent in allen Prozessen und Entscheidungen mitgedacht und berücksichtigt werden. Zudem unterscheiden sich die wichtigsten Nachhaltigkeitsschwerpunkte der Verbraucher in den unterschiedlichen Märkten. Deswegen sollten Unternehmen einen Weg finden, Maßnahmen zu ergreifen, die für ihr Geschäft sinnvoll und wachstumsfördernd sein können und gleichzeitig von den Konsumenten gefordert werden.

3. Maßnahmen für die gesamte Wertschöpfungskette

63 Prozent der deutschen Verbraucher erwarten, dass Zulieferer sich an hohe Umwelt- und Sozialstandards halten. Bei der Einführung von Nachhaltigkeitsinitiativen reicht es also nicht aus, sich auf das eigene Unternehmen zu beschränken. Auch Partner und Dienstleister müssen eingebunden werden und sich ebenso nachhaltigem Handeln verpflichten.

4. Authentizität wird hinterfragt

Nachhaltigkeitsziele müssen transparent und überprüfbar sein. Unternehmen sollten die Fragen beantworten können, welche Bedeutung die Ziele für sie haben, wie sie diese erreichen wollen und ob es möglich ist, alle Stakeholder auf dem Weg zu diesem Ziel einzubeziehen und zu informieren. Denn Ziele werden auf ihre Authentizität, ihre Durchführbarkeit sowie den späteren Erfolg hinterfragt.

  • Article Reference

    1. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_420
    2. https://www.ey.com/de_de/covid-19/wie-covid-19-das-konsumentenverhalten-in-deutschland-veraendert

Fazit

Nachhaltige und umweltverträgliche Produkte spielen für Verbraucher eine immer wichtigere Rolle. Der EY Future Consumer Index zeigt, dass Konsumenten ihrer Absicht, sich für nachhaltige Produkte zu entscheiden, oft keine Taten folgen lassen. Für Unternehmen bedeutet das, ihre Kunden anzuleiten, diesen Schritt zu gehen, um auch in diesem Marktsegment wettbewerbsfähig zu sein.

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Von Ev Bangemann

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